15.01.2025, 12862 Zeichen
Wien (OTS) - Fünf Krisenjahre hat der österreichische Handel hinter
sich gebracht.
Zeit, Bilanz zu ziehen. Daher haben heute führende
Branchenvertreter:innen im Rahmen der traditionellen HV-Neujahrs-
Pressekonferenz den Status Quo des heimischen Handels dargelegt.
Darüber hinaus wurden fünf zentrale Empfehlungen aus dem PLAN H - dem
Zukunftspaket des Österreichischen Handels - vorgestellt.
"Der österreichische Handel steht am Scheideweg . Ohne eine
Kurskorrektur zugunsten des Wirtschaftsstandorts ist unser Wohlstand
nicht zu halten. Wir begrüßen, dass es laut Regierungsverhandlern
keine neuen Massensteuern geben soll, sondern man im staatlichen
System ansetzt. Gleichzeitig braucht es spürbare Anreize, damit der
Wirtschaftsmotor wieder hochtouriger läuft und damit
Betriebsschließungen und steigende Arbeitslosigkeit verhindert
werden", so Rainer Will , Geschäftsführer des freien,
überparteilichen Handelsverbandes.
Zwtl.: Einzelhandel: Jahresumsatz 2024 steigt real um 0,7% auf 77,2
Milliarden Euro
Im Gesamtjahr 2024 konnten die heimischen Einzelhändler laut WIFO
-Prognose einen Umsatz von 77,2 Milliarden Euro erwirtschaften. Ein
inflationsbereinigtes Umsatzplus von 0,7% - und dies im Vergleich zum
Krisenjahr 2023. Immerhin konnte im Vorjahr die Inflationskrise
überwunden werden, seit Herbst 2024 verzeichnet Österreich wieder
eine VPI-Entwicklung im Normalbereich (rund 2%).
Der regionale Handel ist der Beschäftigungs- und Wirtschaftsmotor
der Republik Österreich. Unsere Händler stellen ein Viertel aller
Betriebe, wir sind größter privater Arbeitgeber und umsatzstärkster
Wirtschaftsbereich des Landes. "Während jeder zweite Euro im Export
erwirtschaftet wird, wird jeder „erste Euro“ von der inländischen
Wirtschaft umgesetzt. Doch viele Händler, kleine Einzelkämpfer aber
auch große Traditionshäuser, kämpfen zurzeit ums wirtschaftliche
Überleben. Neben drängenden Maßnahmen fordern wir ein Bekenntnis zum
heimischen stationären und Onlinehandel und zum Lebensmittelhandel
als Vertriebsorganisation unserer kleinstrukturierten Landwirtschaft,
um Stadt- und Ortskerne zu erhalten. Die Stärkung der
Konkurrenzfähigkeit beschäftigungsintensiver österreichischer
Betriebe muss im Regierungsprogramm absolute Priorität haben",
empfiehlt Will .
Zwtl.: Bürokratiedschungel kostet uns 15 Milliarden Euro - pro Jahr
Laut aktueller KSV1870-Hochrechnung verzeichnet der Handel mit
1.146 Firmenpleiten (+16%) die meisten Insolvenzen aller Branchen.
Das sind vier Insolvenzen pro Werktag . Die jüngste Blitzumfrage des
Handelsverbandes vom Dezember 2024 bestätigt die herausfordernde
Lage. So haben laut Eigenauskunft 38% der Händler im Gesamtjahr 2024
einen Gewinn erwirtschaftet, 41% einen Verlust, 21% ein
ausgeglichenes Ergebnis.
Eine hohe Kostenbelastung für Mieten, Personal, Energie und
Logistik vs. stagnierende Umsätze - das ist zurzeit die Realität in
fast jedem Handelsbetrieb. Hinzu kommt der „Regulierungs-Overkill“ in
Österreich. Laut der jüngsten HV-Umfrage empfinden 9 von 10 Händlern
in Österreich die Bürokratie als belastend - und sie beklagen auch
eine zunehmende Bürokratiebelastung in den letzten 5 Jahren . Je nach
Studie kostet der Bürokratiedschungel in Österreich pro Jahr rund 10
bis 15 Milliarden Euro .
1. FORDERUNG: Halbierung der Bürokratiebelastung bis 2030 -
Einführung der 1-in-2-out-Regel!
Ein Beleg für den Stillstand ist der Index of Economic Freedom
der Heritage Foundation. Österreich belegt in der jüngsten Ausgabe
nur noch Platz 33 , hinter Ländern wie Uruguay, Bulgarien oder
Georgien. Während in der EU in den letzten fünf Jahren über 13.000
neue Regelungen verabschiedet wurden, waren es in den USA 3.500. Im
kleinen Österreich verschärft der große Föderalismus die Entwicklung.
Der Handel fordert daher eine radikale Entbürokratisierung, um den
Unternehmen mehr Freiraum zu geben und die Innovationskraft zu
stärken. 96% aller Händler unterstützen die HV-Forderung nach einer 1
-in-2-out-Regel .
"Wir brauchen eine Händleroffensive der Regierung, die eine
Halbierung der Bürokratiebelastung bis 2030 und eine strukturelle
Entlastung zur Stärkung der Betriebe umfasst. Das würde auch zum
Erhalt unserer Stadt- und Ortskerne beitragen. Daher fordern wir die
Einführung der 1-in-2-out-Regel auf allen Regulierungsebenen, d.h.
für jede neue Vorschrift müssen zwei alte gestrichen werden.
Zusätzlich empfehlen wir ein Verbot von Gold Plating bei der
Umsetzung von EU-Vorgaben, die nicht schützenswerte Materien
betreffen, da diese uns pro Jahr zusätzlich rund 500 Millionen Euro
kosten" , erläutert Handelsverband-Vizepräsident Norbert Scheele .
Zwtl.: Hohe Lohnnebenkosten machen Beschäftigung unattraktiv
Zumindest der Personalmangel hat sich im Vorjahr entspannt, der
Handel bietet nach wie vor rund 10.000 Stellen an. Doch weiterhin
wird Arbeit in Österreich im Vergleich zu anderen EU-Ländern viel zu
stark besteuert. In der Europäischen Union wird Arbeit nur in
Belgien, den Niederlanden und Deutschland stärker belastet als in
Österreich. Hätte Österreich dieselbe Steuer- und Abgabenbelastung
wie der Wohlfahrtsstaat Dänemark, blieben einem
Durchschnittsverdiener 165 Euro im Monat mehr netto übrig.
2. FORDERUNG: Umfassende Reform des Arbeitsmarktes -
Beschäftigungsanreize & LNK-Senkung!
"Wir fordern von der nächsten Bundesregierung eine umfassende
Arbeitsmarktreform . Sinnvoll wäre insbesondere die Schaffung
steuerlicher Anreize für längeres Arbeiten vor dem Pensionsbezug
sowie der Entfall der Pensionsbeiträge oder Steuerfreibeträge bei
Arbeit in der Pension. Das faktische muss an das gesetzliche
Pensionsantrittsalter angepasst werden" , sagt Karin Reisinger ,
Mitglied der Geschäftsleitung von dm Österreich. "Eine Abflachung der
Steuerprogression ist notwendig, um den Trend zur
Teilzeitgesellschaft zu stoppen. Wer von 20 auf 30 Stunden aufstockt,
soll auch netto mehr bekommen als nur 32,4 Prozent. Arbeit muss sich
wieder lohnen - das ist ein Gebot der Fairness für alle Beteiligten."
Zwtl.: Handel ist in vielen Bereichen Vorreiter im Umweltschutz -
kein Gold Plating mehr bei EU-Vorgaben
Österreich ist ein Vorzeigeland im Umweltschutz und Bio-
Weltmeister. Gerade der Einzelhandel ist einer der Hauptträger des
Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Der jüngste Sustainable Commerce Report
von HV und EY hat gezeigt, dass bereits die Hälfte aller Händler
einen starken Fokus auf Kreislaufwirtschaft, Recycling,
Müllvermeidung und nachhaltige Verpackungen legen. Mehr als ein
Drittel (37%) der heimischen Handelsbetriebe haben bereits
Photovoltaik-Anlagen im Einsatz, ein weiteres Fünftel hat dies in
naher Zukunft geplant.
3. FORDERUNG: Praxistauglicher Klimaschutz & Kreislaufwirtschaft
- EU Green Deal praktikabel umsetzen!
Der österreichische Handel unterstützt die grundsätzlichen
Intentionen aus dem EU Green Deal aus voller Überzeugung. Jedoch ist
manchmal „gut gemeint“ das Gegenteil von „gut“. Wir fordern daher
eine praxis- und unternehmensnahe nationale Umsetzung der EU-Green-
Deal Regulatorik - u.a. beim Lieferkettengesetz (CSDDD), bei der
Verpackungsverordnung (PPWR), der Green-Claims-RL, der Abfallrahmen-
RL und der Gebäuderichtlinie (EPBD) - und eine engere
Stakeholdereinbindung der Praktiker unserer Branche im
Gesetzgebungsprozess.
"Die Hälfte der heimischen Händler stufen die Orientierung
darüber, was gesetzlich verpflichtend ist, als größte Herausforderung
im Nachhaltigkeitsbereich ein. Vor allem kleine und mittelständische
Unternehmen haben massive Probleme, die Lawine an neuen Regularien
noch zu überblicken. Allein der EU Green Deal füllt im Amtsblatt der
EU rund 36.000 Seiten . Das ist für KMU-Händler ein bürokratischer
Wahnsinn und in der unternehmerischen Realität kaum zu stemmen" ,
bestätigt Nicole Reitinger , Chief Financial Officer von IKEA
Österreich. "Andererseits beweist der Handel mit vielen freiwilligen
Vereinbarungen immer wieder, dass es nicht für jede wirksame
Umweltschutzmaßnahme ein eigenes Gesetz braucht, sondern vielmehr die
richtigen Anreize."
Zwtl.: Fernost-Plattformen: Flut an Produktfälschungen,
Falschdeklarationen & giftige Chemikalien
Sowohl Shein als auch Temu zählen bereits zu den Top 10 der
umsatzstärksten Onlinehändler in Österreich , kein europäischer
Webshop ist in den letzten Jahren ähnlich schnell gewachsen. Der HV
sieht derartige eCommerce-Plattformen aus Drittstaaten aus mehreren
Gründen kritisch. Es gibt es immer wieder Probleme mit der
Produktsicherheit, Produktfälschungen sowie Falschdeklarationen zur
Umgehung von Zollgrenzen. Datenschutzvorgaben werden ignoriert,
vielfach Fake-Produkte verkauft, die laut AGES mit giftigen
Chemikalien belastet sind und gesundheitsgefährdend sein können.
"Wir gehen davon aus, dass die Österreicher:innen im Vorjahr bei
chinesischen Onlineshops bis zu 1,5 Milliarden Euro ausgegeben haben.
Ermöglicht wird das durch den massiven Import von Billigwaren ‚frei
Haus‘ nach Europa. Laut EU-Kommission wurden 2023 insgesamt 2,3
Milliarden Artikel zollfrei in die EU importiert, davon 80% aus
China. 2024 waren es bereits 4 Milliarden Artikel " , erklärt OTTO
Austria-Geschäftsführer Harald Gutschi .
4. FORDERUNG: Level Playing Field im eCommerce - Fernost-
Plattformen in die Pflicht nehmen!
"Es braucht ein Level Playing Field im europäischen eCommerce
sowie eine faire Besteuerung, damit für die digitalen Giganten
dieselben Regeln gelten wie für den Händler ums Eck. Entscheidend ist
eine konsequente Exekution aller Regeln, vor allem des Digital
Services Act. Die EU-Zollreform muss beschleunigt werden, der
Zeitplan mit 2028 ist viel zu langsam. Die 150-Euro-Zollfreigrenze
muss so rasch wie möglich fallen" , so Gutschi .
Zwtl.: Österreich zählt weltweit zu den Top 10 der
innovationsfähigsten Volkswirtschaften
Wer international nicht den Anschluss verlieren will, muss
innovativ sein. Laut Innovationsindikator 2024 von Roland Berger
zählen wir zu den Top 10 der innovationsfähigsten Volkswirtschaften
der Welt . Gerade der Handel war schon immer eine der innovativsten
Branchen. Generative AI könnte das jährliche Bruttoinlandsprodukt
Österreichs laut einer aktuellen KI-Studie von Google in zehn Jahren
um bis zu 40 Mrd. Euro steigern - das entspricht einer BIP-Steigerung
von 8% . Ein Drittel der österreichischen Unternehmen erwartet durch
den Einsatz von GenAI eine Steigerung der Produktivität, rund die
Hälfte der Betriebe plant, in den nächsten fünf Jahren in KI zu
investieren.
5. FORDERUNG: Bundesweite Technologie- & Innovationsoffensive -
Förderung disruptiver Technologien (KI)
" Disruptive Technologien wie Generative AI sind entscheidend, um
Effizienz und Produktivität zu steigern, Cyberangriffe abzuwehren und
kundenorientierte Services zu entwickeln, die das Einkaufserlebnis
nachhaltig verbessern", erläutert Eva Posan , Managing Director
Finance von MediaMarkt Österreich. "Gleichzeitig müssen wir den
Innovationsgeist aktiv fördern - durch gezielte Unterstützung von
Pilotprojekten, den Ausbau technischer Kompetenzen und den Know-how-
Transfer innerhalb der Branche. Nur so können wir die enormen
Potenziale von KI und Innovationen voll ausschöpfen."
Zwtl.: Ausblick 2025: Zweckoptimismus mit vielen Herausforderungen
Österreich hat fünf verlorene Jahre hinter sich. Das reale
Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf ist laut Agenda Austria seit 2019
um -1,7% zurückgegangen . Damit ist Österreich im EU-Vergleich
Schlusslicht. Wirtschaftswachstum ist kein Selbstzweck, aber ohne
Wachstum werden wir unseren Lebensstandard nicht halten können. Eines
ist aber auch völlig klar: Österreich muss sein Budget konsolidieren
.
"Nicht nur der Bund sollte seine Ausgaben in Österreich auf Sicht
reduzieren, auch die Länder müssen sparsamer mit ihrem Geld umgehen.
Denn die Schulden von heute sind die Steuern von morgen" , erklärt
Handelsverband-Präsident Stephan Mayer-Heinisch . "2025 ist die
letzte Chance, um den wirtschaftlichen Turbo anzuwerfen. Und wir
müssen endlich Schluss machen mit der Bürokratielawine - sowohl auf
nationaler wie auch auf EU-Ebene. Es braucht eine
Entbürokratisierungsoffensive , eine Innovationsoffensive , eine
Entlastungsoffensive und eine Anreizoffensive . Das erwarten wir uns
von der nächsten Bundesregierung, um den mehr als 93.000
österreichischen Handelsunternehmen Zukunftswachstum zu ermöglichen."
Zwtl.: Ausblick 2025: Zweckoptimismus und viele Herausforderungen
Für das Gesamtjahr 2025 erwartet das WIFO eine moderate
Steigerung der privaten Konsumausgaben um +0,8% . 39% der heimischen
Händler rechnen heuer mit einem Gewinn, 38% mit einem ausgeglichenen
Ergebnis und 23% mit einem Verlust. Positiv ist, dass die Sparquote
ihren Zenit absehbar erreicht haben dürfte, heuer wird vom WIFO nur
noch ein minimaler Anstieg von aktuell 11,4% auf 11,5% erwartet.
Den vollständigen Pressetext finden Sie hier:
https://www.handelsverband.at/presse/presseaussendungen/neuj...
2025/
Die Aufzeichnung der gesamten Pressekonferenz hier:
https://events.streaming.at/handelsverband-20250115
Weitere Bilder in der APA-Fotogalerie
Börsepeople im Podcast S16/24: Stefan Zapotocky
Aktien auf dem Radar:Lenzing, Kapsch TrafficCom, Amag, Flughafen Wien, AT&S, Pierer Mobility, Erste Group, ATX, ATX Prime, ATX TR, Porr, Bawag, SBO, Wienerberger, CA Immo, Mayr-Melnhof, Cleen Energy, Gurktaler AG Stamm, Wolford, Warimpex, Semperit, Zumtobel, Josef Manner & Comp. AG, Rosenbauer, Oberbank AG Stamm, FACC, Agrana, EVN, OMV, Palfinger, Österreichische Post.
Evotec
Evotec ist ein Wirkstoffforschungs- und -entwicklungsunternehmen, das in Forschungsallianzen und Entwicklungspartnerschaften mit Pharma- und Biotechnologieunternehmen, akademischen Einrichtungen, Patientenorganisationen und Risikokapitalgesellschaften Ansätze zur Entwicklung neuer pharmazeutischer Produkte vorantreibt.
>> Besuchen Sie 68 weitere Partner auf boerse-social.com/partner
Mehr aktuelle OTS-Meldungen HIER