02.07.2024,
13075 Zeichen
Wien (OTS) - Im Auftrag des Dachverbandes der
Sozialversicherungsträger (DVSV), der Wirtschaftskammer und der
Arbeiterkammer erarbeitet das Institut für Wirtschaftsforschung
(WIFO) seit über 15 Jahren jährlich den „Österreichischen
Fehlzeitenreport“. Er liefert Einblicke in die Entwicklung und
Verteilung der Krankenstände in Österreich für die Gruppe der
unselbstständig Beschäftigten. Der Schwerpunkt in diesem Jahr
beleuchtet das Krankenstandgeschehen von Lehrlingen und jungen
Erwerbstätigen. Um die Fehlzeiten zeitnäher nach der Veröffentlichung
der Daten bereitstellen zu können, erscheinen künftige Reporte ab
jetzt immer zur Jahresmitte. Heuer werden dafür einmalig zwei Jahre
(2022/23) dargestellt.
Die Krankenstandsstatistik der Jahre 2022 und 2023 verzeichnet
gegenüber dem Jahr 2021 eine Erhöhung der krankheitsbedingten
Fehlzeiten. Die unselbständig Beschäftigten verbrachten im
Jahresverlauf 2022 durchschnittlich 14,9 Kalendertage im
Krankenstand, um 24,6 Prozent mehr als 2021 (12,3 Kalendertage). 2023
erhöhten sie sich nochmals um 4,6 Prozent, auf durchschnittlich 15,4
Krankenstandstage je Beschäftigter bzw. je Beschäftigte. Die
Krankenstandsquote definiert das Verhältnis der Krankenstandstage zum
Arbeitsvolumen. Sie ist ein Indikator für den Verlust an Arbeitszeit
und erhöhte sich auf 4,1 Prozent (2022) bzw. auf 4,2 Prozent (2023),
im Jahr 2021 lag sie bei 3,4 Prozent. Der Anteil der Versicherten,
die in den Jahren 2022 und 2023 mindestens einmal im Krankenstand
waren, stieg auf 69,5 Prozent (2022) bzw. auf 71,2 Prozent (2023) an
(Vgl. 2019: 64 Prozent, 2021: 57,4 Prozent), die Krankenstandstage je
Krankheitsfall gingen auf 9,4 Tage im Jahr 2022 bzw. auf 9,3 Tage im
Jahr 2023 zurück (2019: 9,7 Tage, 2021: 10,3 Tage) und erreichten
damit ein Allzeittief.
Krankenstandsgeschehen geprägt von COVID-19, Arbeitsunfälle sehr
gering
Es ist davon auszugehen, dass die Versicherten häufiger, aber
kürzer als in den Jahren davor krank waren. Dies steht vermutlich in
Verbindung mit der Zunahme bei den Atemwegserkrankungen, aber auch
damit, dass es mit COVID-19 eine zusätzliche Erkrankungsquelle gibt.
Seit Sommer 2022 sind die COVID-19 Krankenstände in der
Krankenstandsstatistik erfasst, vorher sind die Fehltage aufgrund
Absonderungen laut Epidemiegesetz nicht in der Statistik enthalten.
Die Krankenstände sind am höchsten Niveau seit 30 Jahren. Die Zahl
der Arbeitsunfälle bewegt sich hingegen auf sehr niedrigem Niveau.
2,7 Prozent der Beschäftigten waren im Jahr 2023 von einem
Arbeitsunfall betroffen. Berücksichtigt man nur Arbeitsunfälle im
engeren Sinn und klammert Wegunfälle aus, so lag die Unfallquote im
Jahr 2023 sogar nur bei 2,3 Prozent.
„Auch wenn die Krankenstände 2022 und 2023 – geprägt vom Auslaufen
der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und den damit
einhergehenden Anstiegen bei Atemwegs- und COVID-19-Erkrankungen –
gestiegen sind, ist das Niveau langfristig gesehen vergleichsweise
niedrig. Dämpfend wirkt die Reduktion der Arbeitsunfälle und die
Verschiebung der Wirtschaftsstruktur in Richtung Dienstleistungen.
Darüber hinaus soll weiter auf den Ausbau der psychosozialen
Versorgung Wert gelegt werden, denn die durchschnittliche
Krankenstandsdauer bei psychischen Erkrankungen ist mit 37 Tagen
weiter sehr hoch. Mit einem flächendeckenden Ausbau der
psychosozialen Versorgungszentren können wir viele lange
Krankenstände verhindern“, erklärt Andreas Huss, Vorsitzender der
Konferenz der Sozialversicherungsträger.
Kosten der Krankenstände
Krankheitsbedingte Fehlzeiten haben auch einen Einfluss auf
direkte und indirekte Kosten im System. Die direkten und indirekten
betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Kosten der
Fehlzeiten beliefen sich im Jahr 2022 auf 5,3 Milliarden Euro bzw.
auf 1,2 Prozent des BIP.
„Aus Sicht der Betriebe ist zu hoffen, dass der starke Anstieg der
Krankenstandstage um 20 Prozent gegenüber dem langjährigen Schnitt
einmalig ist und das Niveau wieder zurückgeht. Denn für die
Unternehmen bedeutet das eine enorme Belastung von rund 250 Euro je
Krankenstandstag, die durch die Kosten der Entgeltfortzahlung und
Überstunden von Kolleginnen und Kollegen sowie durch verlorene
Wertschöpfung anfallen. Dazu kommt, dass Krankenstände den
Arbeitskräftemangel verschärfen“, so Rolf Gleißner, Leiter der
Abteilung Sozial- und Gesundheitspolitik in der Wirtschaftskammer
Österreich.
„Das Krankenstandsgeschehen zeigt einmal mehr die Wichtigkeit von
Prävention, guten Arbeitsbedingungen und bestmöglicher Versorgung von
chronischen Erkrankungen. In allen drei Bereichen hat Österreich
enormen Aufholbedarf. Wir brauchen Investitionen in die Gesundheit in
den Kindergärten, Schulen und in der Arbeitswelt. Das heißt, gleiche
Chancen auf Gesundheit für alle Kinder und alle Arbeitnehmer:innen.
Eine gesunde Arbeitswelt und gesunde Arbeitnehmer:innen werden wir
nur mit Finanzierungsgerechtigkeit für die ÖGK und AUVA erreichen“,
betont Wolfgang Panhölzl, Leiter der Abteilung Sozialversicherung in
der Arbeiterkammer Wien.
Atemwegserkrankungen am meisten verbreitete Krankenstandsursache
Die häufigste Ursache für Krankenstände waren im Jahr 2023
Atemwegserkrankungen, insbesondere im Zusammenhang mit COVID-19,
gefolgt von Muskel- und Skeletterkrankungen sowie Erkrankungen des
Bindegewebes. Zusammen verursachten diese Erkrankungen 50,5 Prozent
aller Krankenstandsfälle und 41,3 Prozent aller Fehlzeiten.
Charakteristisch für Atemwegserkrankungen ist, dass das
Krankheitsgeschehen mit durchschnittlich 5,4 Tagen besonders kurz
ausfällt. Verletzungen und Vergiftungen machten 2023 14,6 Prozent der
Krankenstandstage bzw. durchschnittlich 19 Fehltage pro Versichertem
bzw. Versicherter aus. Psychische Krankheiten sind für 10 Prozent
aller Krankenstandstage verantwortlich, das mit nur 2,6 Prozent der
Krankenstandsfälle aufgrund der durchschnittlich 37,2 Fehltagen pro
Krankenstandsfall.
„Zwei Fünftel aller Krankenstände im Jahr 2023 sind auf
Atemwegserkrankungen zurückzuführen, Grippeschutzimpfungen würden
hier dämpfend wirken. Muskel-Skelett-Erkrankungen, die 11 Prozent der
Krankenstände und 18,5 Prozent der Krankenstandstage ausmachen und
mit dem Alter zunehmen, lassen sich jedenfalls durch gezielte
Gesundheitsmaßnahmen reduzieren“, stellt Christine Mayrhuber,
Ökonomin und stellvertretende Direktorin im
Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO und Vorsitzende der
Alterssicherungskommission im Bundesministerium für Soziales,
Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, fest.
Schwerpunkt Lehrlinge und junge Erwerbstätigen
Die Krankenstandsquoten nach Alter folgen grundsätzlich einem
leicht U-förmigen Muster: Jugendliche unter 20 Jahren sind
vergleichsweise häufig krank, ab dem 20. Lebensjahr gehen die
al-tersspezifischen Krankenstandsquoten zurück. Ab 45 Jahren steigt
die durchschnittliche Zahl an Krankenstandstagen wieder an und
erreicht bei Beschäftigten zwischen 60 und 64 Jahren den Höchstwert.
Ältere Arbeitskräfte treten seltener als junge einen Krankenstand an,
sie sind jedoch überproportional oft von langen Krankenstandsfällen
betroffen.
Während 2023 eine Krankschreibung bei Infektionskrankheiten bei
den 15- bis 19-Jährigen bzw. 15- bis 29-Jährigen im Schnitt 3,2 bzw.
3,7 Tage dauerte, waren es bei psychischen Erkrankungen 13,8 Tage bei
den 15- bis 19-Jährigen und 23,6 Tage bei den 15- bis 29-Jährigen.
Die mit Abstand längsten durchschnittlichen Krankheitsdauern zeigen
sich bei den 15- bis 29-Jährigen damit für psychische Krankheiten und
Verhaltensstörungen. Die zweitlängsten Fehlzeiten entstanden bei
Verletzungen und Vergiftungen, die bei den Jüngeren im Schnitt 12,0
Tage dauerten. Im Vergleich zur Gesamtheit der Versicherten waren
verletzungsbedingte Krankenstände bei den unter 20-Jährigen zwar
etwas häufiger, im Schnitt aber um 7 Tage kürzer.
Insgesamt zeigen sich höhere Krankenstandsquoten beim
Berufseinstieg bzw. zu Beginn der Erwerbsphase sowie ein erhöhtes
Risiko für Fehlzeiten in Abhängigkeit vom Qualifikationsniveau.
Vorhandene Befunde belegen dabei den Zusammenhang zwischen der
Häufigkeit von Fehlzeiten und den Arbeitsbedingungen und dem
Qualifikationsniveau. Das bestätigen auch Analysen aus anderen
Ländern. Unter den Berufseinsteiger:innen ist die Quote der
Arbeiter:innen höher als in anderen Altersgruppen. Auch die Quote der
Arbeitnehmer:innen mit geringen Entscheidungsmöglichkeiten im Job ist
höher als in anderen Altersgruppen. Beide Besonderheiten dieser
Altersgruppe stehen auch in anderen Altersgruppen für höhere
Krankenstandshäufigkeiten.
Auch zeigen die durchgeführten Analysen insgesamt einen besseren
Gesundheitszustand in der Gruppe der 15- bis 29-Jährigen als bei den
30- bis 39-Jährigen, wobei die Jüngeren eine höhere
Krankenstandsquote aufweisen. Die Krankenstandsquote hängt
offensichtlich nicht allein vom Gesundheitszustand der Beschäftigten
ab, sondern auch vom Gesundheitsverhalten und davon, wie gut die
Arbeitsplätze zu den individuellen Fähigkeiten und Bedürfnissen
passen. Zudem spielt die Arbeitsumgebung eine wichtige Rolle: Eine
unterstützende und gesundheitsfördernde Arbeitskultur kann die
Krankenstandsquote senken, unabhängig vom allgemeinen
Gesundheitszustand der Beschäftigten. Dies unterstreicht die
Notwendigkeit frühzeitiger Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und
Prävention.
„Der diesjährige Schwerpunkt zeigt eine andere
Krankenstandssituation bei Jugendlichen und Lehrlingen und
insbesondere ein anderes Risikoverhalten jüngerer Männer. Hier sollte
bereits so früh wie möglich auf Prävention gesetzt und ein
Bewusstsein für gesunde Lebensweisen geschaffen werden“, betont auch
der Abteilungsleiter für Sozial- und Gesundheitspolitik in der
Wirtschaftskammer.
Neuere Arbeiten zeigen, dass bei Jugendlichen mit einer
schlechteren psychischen Gesundheit ein statistischer Zusammenhang
mit der täglich vor Bildschirmen im Internet oder am Smartphone
verbrachten Zeit festgestellt werden kann. Das unterstreicht nochmals
die Wichtigkeit für Maßnahmen zur Stärkung der digitalen
Gesundheitskompetenz auf breiter Ebene.
„Die höheren Krankenstände der jüngsten Beschäftigtengruppe haben
auch mit den besonders niedrigen Entscheidungsbefugnissen in dieser
Arbeitnehmer:innen-Gruppe und damit tendenziell eher etwas
schlechteren Arbeitsbedigungen zu tun. Die Sozialversicherung setzt
sich mit der Betrieblichen Gesundheitsförderung bereits stark für
gesunde Arbeitsbedingungen auch für Lehrlinge und junge Erwerbstätige
ein. Deshalb werden in den Projekten auf Betriebsebene immer die
Betriebsrät:innen eingebunden. Auch die Jugendvertrauensrät:innen
sollen hier eine größere Rolle bekommen. Schon im Setting Schule ist
die Sozialversicherung aktiv und setzt viele Maßnahmen für die
Gesundheit junger Menschen, besonders was die Stärkung der
Gesundheitskompetenz betrifft. Wir müssen hier insgesamt gemeinsam
besser werden, gute Rahmenbedingungen schaffen und die jungen
Menschen stärken“, unterstreicht Andreas Huss.
Wolfgang Panhölzl wendet bezogen auf die jungen Erwerbstätigen
ein, „Alarmierend ist auch das Krankheitsgeschehen von jungen
Erwerbstätigen. 8,2 Prozent der 15-29-jährigen Männer waren 2023
wegen Muskel- und Skeletterkrankungen im Krankenstand, psychische
Erkrankungen weisen auch bei den Jungen die höchste Dauer auf und
rund ein Fünftel der jungen Erwachsenen treten mit Übergewicht bzw.
Adipositas ins Erwerbsleben ein. Die AK fordert ein
Präventionsgesetz, das die Verantwortung und die Finanzierung für
Prävention bei Bund, Ländern und Sozialversicherung festlegt. Die
Erfahrung zeigt, wenn sich Krankheiten bei Kindern und Jugendlichen
manifestieren, bleiben sie auch bei Erwachsenen erhalten, führen in
vielen Fällen zu Invalidität und kürzerer Lebenserwartung.“
„Die österreichische Wirtschaft ist stark auf das hohe Wissen und
Können ihrer Erwerbstätigen angewiesen und stellt damit einen
wichtigen Wettbewerbsfaktor im internationalen Kontext dar. Die
Gesundheit der Arbeitskräfte spielt eine zentrale Rolle für die
Produktivität und Innovationsfähigkeit Österreichs. Um die
Leistungsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft nachhaltig zu
sichern, müssen Schulen, Betriebe und Gesellschaft verstärkt in die
Erhaltung und Förderung der physischen und psychischen Gesundheit der
Erwerbstätigen und Kinder investieren, um die - wie der neue
Fehlzeitenreport zeigt –2023 gestiegenen Krankenstände zu dämpfen,
ergänzt Christine Mayrhuber.
Fehlzeiten-Dashboard zur Abbildung des Krankenstandsgeschehens
Um das Krankenstandsgeschehen in Österreich in Zukunft noch besser
und zeitaktueller abbilden zu können, hat die Sozialversicherung das
sogenannte „Fehlzeiten-Dashboard“ entwickelt. Das
Fehlzeiten-Dashboard liefert einen Überblick über die Entwicklung und
Verteilung der krankheitsbedingten Fehlzeiten in Österreich ab 2020
und wird jährlich Mitte April aktualisiert. Darin ersichtlich ist
unter anderem die Entwicklung der Krankenstände nach Geschlechtern,
Branchen und Krankheitsgruppen. Eine historische Betrachtung sowie
weitreichende Analysen und Erkenntnisse zu unterschiedlichen
Schwerpunkten finden sich im Fehlzeitenreport selbst. Unter
[www.dashboards.sozialversicherung.at/fehlzeiten]
(
http://www.dashboards.sozialversicherung.at/fehlzeiten) erhält man
Zugriff zum neuen Fehlzeiten-Dashboard.
BSN Podcasts
Christian Drastil: Wiener Börse Plausch
Wiener Börse Party #684: MSCI schaut nicht auf Wien; Telekom Austria, Wienerberger, CA Immo; Peter Bosek Luminor
Aktien auf dem Radar:Immofinanz, CA Immo, Addiko Bank, Austriacard Holdings AG, Flughafen Wien, AT&S, VIG, Erste Group, ATX, ATX Prime, ATX TR, Bawag, Andritz, Mayr-Melnhof, Cleen Energy, EuroTeleSites AG, Frequentis, Rath AG, Rosenbauer, Telekom Austria, Oberbank AG Stamm, Marinomed Biotech, Pierer Mobility, Agrana, Amag, EVN, Österreichische Post, Uniqa, Wienerberger, Siemens, Deutsche Telekom.
Croma
Croma Pharma® ist ein österreichisches Familienunternehmen mit Sitz in Leobendorf. Das Unternehmen ist auf die industrielle Fertigung von Hyaluronsäure-Spritzen spezialisiert und zählt in diesem Bereich europaweit zu den führenden Experten. Das Unternehmen setzt mit eigenen Marken auf die Wachstumssparte der minimalinvasiven ästhetischen Medizin.
>> Besuchen Sie 68 weitere Partner auf boerse-social.com/partner
Mehr aktuelle OTS-Meldungen HIER