Gold, Silber, Bronze bei Olympia in chronologischer Abfolge: Und da gibt es erfreulicherweise viel zu reden.
Christian Drastil interviewt Ex-ORF-Sportchef Hans Huber.
Lieber Hans, diesmal machen wir unseren Sportplausch nicht im Stiegenhaus, sondern im Podcaststudio und danach als Zusammenfassung für den SportWoche-Teil Print. Idee ist, alle 18 ÖSV-Medaillen in Peking chronologisch, also irgendwie re-live, Revue passieren zu lassen. Okay?
Hans Huber: Eine gute Idee. Sehr gerne!
Am Samstag, den 5. Februar, ist es losgegangen: Teresa Stadlober hat eine Bronzene im 15km Skiathlon geholt.
Es war eine ganz besondere Leistung in Konkurrenz mit den Nationen im Langlauf und dies nach dem Pech bei der letzten Großveranstaltung, als Teresa falsch abgebogen ist. Auch ihr Vater Alois war ein Faktor - ich hab damals beim ORF als Co-Kommentator eingesetzt. Die Bronzene hat mich sehr gefreut.
... mich auch, ich war 1999 bei der Heim-WM in der Ramsau mit einem WirtschaftsBlatt-Kollegen eingeschneit und habe dort den legendären Staffelsieg der Österreicher mit Alois Stadlober genießen dürfen. Weitergegangen ist es dann am Sonntag mit einer Silbermedaille durch Wolfgang Kindl im Rodeln.
Auch zu den Rodlern hatte ich beim ORF ein engeres Verhältnis, sie sind immer wieder mit Wünschen an mich herangetreten. Es war aber auch rechtzufertigen, denn es gab einen sportlichen Aufschwung. Diesen führe ich auf Markus Prock zurück, der schon in seiner aktiven Zeit den Deutschen und Italienern Paroli bieten konnte. Mittlerweile ist der Rückstand im gesamten Team weitgehend aufgeholt, auch in der Breite, denn auch die Damen sind an der Weltklasse dran.
Und dann haben wir an diesem Sonntag auch noch eine Silberne geholt, im Skispringen auf der Normalschanze durch Manuel Fettner.
Ich war mit den Nordischen und dem Springen als Kommentator nur peripher beschäftigt, habe aber durchaus auch mal die Vierschanzentournee betreut. Fettner hat mich in Peking fasziniert, er war ja schon abgeschrieben und es war für ihn ja gar nicht leicht, ins Team zu kommen. Die Silberne zum Auftakt war die Krönung der Karriere eines Sportlers, der immer als schlampiges Genie galt. Glänzte wie Gold.
Nach dem starken Startwochenende ging es am Montag in dieser Tonart weiter. Bronze für Matthias Mayer in der Herren-Abfahrt.
Bei Olympia ist Matthias immer da, er hat diese Bronze-Medaille gewonnen, obwohl er im oberen Streckenteil nicht so gut lag. Zu besonderen Anlässen ist er hellwach. Olympia ist sein Revier.
Und wir wissen ja, da kommt noch was von ihm in Peking. Aber zunächst gratulieren wir Daniela Ulbing zur Silbermedaille im Snowboard Parallel-Riesenslalom.
Sie hatte ich nicht auf der Liste, eine unerwartete Medaille, ich hab es auch nicht live gesehen, mich aber sehr gefreut. Freilich habe ich dann nachgeschaut und es war eine fantastische Leistung. Für mich kam das ähnlich überraschend wie bei Manuel Fettner.
Und damit sind wir wieder bei Matthias Mayer. Nach Bronze in der Abfahrt gab es Gold im Super-G.
Ja, wie gesagt: Olympia ist sein Revier, er ist damit Österreichs erfolgreichster Alpiner aller Zeiten bei Olympia. Freilich: Nicht vergleichbar mit einem Toni Sailer, der seine drei Goldenen bei einem einzigen Großevent gewonnen hatte, aber auch drei Goldene bei drei Spielen hintereinander ist einzigartig.
Dein Vergleich von Matthias Mayer mit Toni Sailer lässt mich kurz zu einer Sportart abbiegen, bei der wir leider leer ausgegangen sind: Biathlon. Auch da gibt es ähnliche Vergleiche des Allzeitbesten Ole-Einar Björndalen mit etwa Quentin Fillon-Maillet oder Johannes Thingnes Boe. Zu Björndalens Zeiten gab es zB noch keine Mixed-Staffeln.
Genau. Und ich danke auch für das Biathlon-Stichwort. Für unser Team hat es diesmal leider nicht geklappt, wir sind mit dem Wind nicht zurechtgekommen. Lisa Hauser wurde immerhin Vierte im Einzel.
Ja, Blech war auch sehr oft vertreten in Peking. Kommen wir aber wieder zu Gold und Benjamin Karl, ebenfalls noch am Dienstag und dies im RTL der Snowboarder.
Benjamin ist der Schwiegersohn von Werner Grissmann, der am gleichen Tag wie ich Geburtstag hat. Wir haben früher stets im Umfeld eines Weltcuports gefeiert. Insofern habe ich natürlich auch einen hohen Bezug zu Benjamin Karl, ein herausragender Athlet.
Und am Mittwoch ist es gleich weitergegangen. Katharina Liensberger hat die Silbermedaille im Slalom geholt und sich gefreut, als wäre es Gold gewesen.
Zurecht. Es war für sie ein ganz besonderer Moment, ein Comeback nach Corona und danach schwierigen Zeiten, in denen sie hinterher gefahren ist. Sie war dann auf den Punkt wieder da. Die Freude hat man gesehen.
Ebenfalls an diesem Mittwoch kommen wir noch zur Nordischen Kombination, ebenfalls eine sentimentale Lieblingssportart von mir. Lukas Greiderer hat Bronze erkämpft.
Ein packendes Rennen, bei dem wir freilich andere Sieger auf der Rechnung hatten, auch aus österreichischer Sicht war Johannes Lamparter eigentlich der Medaillenaspirant. Aber Greiderer imponierte in dieser komplexen Sportart mit diametral benötigten Skills. Hut ab.
Wieder ein kleiner Sidestep. Du hast Lamparter erwähnt, ich ergänze noch den mittlerweile Allzeitbesten Jarl-Magnus Riiber (NOR), der ebenfalls leer ausgegangen ist und auch unsere Schispringerin Sara-Marita Kramer, die nun schon zum 2. Mal ein Covid-ohne-Symptome-Opfer wurde und als überlegene Weltcupführende nicht einmal anreisen durfte. Auch Covid bliet in Peking präsent. Zurück zu den Medaillen, da gab es am 9.2. noch eine Bronzene. Wieder im Rodeln und diesmal im Doppelsitzer durch Thomas Steu und Lorenz Koller.
Ja, dazu fällt mir nur ein, dass auf die Rodler einfach Verlass ist. Egal, ob Einzel oder Team. Im Rodelsport wird in Österreich extrem gut gearteitet. Es ist kein Massensport, weil wer fährt schon im Eiskanal? Ich selbst bin mal im Eiskanal von Innsbruck/Igls mit dem Skeleton unterwegs gewesen, ich erinnere mich mit Schrecken daran.
Siehst, Hubert Neuper hatte mal auf dem Heldenplatz eine Sprungschanze aufgestellt und da bin ich mit Alpinskiern 22 Meter gesprungen. Sonst habe ich keine sportliche Heldentat zu bieten. Dafür aber Johannes Strolz, denn der hat am Donnerstag, den 10.2. 2022, Gold in der Kombination geholt.
Zunächst: Ich hoffe, dass die Kombination - in welcher Form auch immer - als Bewerb erhalten bleibt, weil sie die Vielseitigkeit dieser Sportart zeigt. Ich habe mich für Johannes Strolz schon über seinen Adelboden-Sieg gefreut und auch bei Gold hier mitgejubelt, weil ich eine besondere Beziehung zu seinem Vater Hubert Strolz habe. Der galt immer als glücklicher Verlierer. Ein super Typ. Und der Sohn musste ja sogar um die Kaderzugehörigkeit kämpfen, er fuhr mit Abfahrts-Skiern von einem Mannschaftskollegen. Und er hat in der Kombi gezeigt, dass er ein perfekter Schifahrer ist, er musste ja erst im Europacup die Abfahrtspunkte holen.
Wir bleiben am 10.2. und fast zeitgleich mit Strolz hat es weiteres Gold gegeben. Alessandro Hämmerle holte es im Snowboardcross. Ich finde die Cross-Bewerbe übrigens viel packender als die Parallel-Bewerbe.
Habe ich nur in der Zusammenfassung gesehen und gebe Dir recht. Es war ein unheimlich spannendes Rennen und Hämmerle ist eine überzeugende Persönlichkeit. Das Gold ist auch wichtig für den Tourismus, es gibt ja immer mehr Snowboarder.
Und auch der Bruder als Co-Kommentator war top. Genauso wie die Rodler, auf die - wie Du sagst - Verlass ist. In der Teamstaffel holten Madeleine Egle, Wolfgang Kindl und Thomas Steu/Lorenz Koller die Silbermedaille. Das Abklopfen als Übergabe find ich da super.
Das Rodler-Team hatte ja sogar Gold vor Augen, es ging ganz knapp mit Deutschland stets hin und her. Die Deutschen waren im Zweier dann doch zu stark.
Kommen wir zum Freitag, den 11.2.: Mirjam Puchner fuhr im Super G zu Silber.
Mirjam Puchner hat immer angeklopft, aber die Medaille hatte ich nicht erwartet, vielleicht hat sie auch wichtige Tipps vom Bruder bekommen, der ja Streckenbesichtiger für den ORF ist. Begonnen hatten wir in den Speedberwerben mit Assinger, dann Knauss, jetzt Puchner. Er ist nicht nur schnell am Ski, er kann auch gut sprechen. Für seine Schwester wurde es auf alle Fälle eine Medaille, die faszinierend war. Für die Skidamen war der Saisonverlauf ja nicht so perfekt.
Am Wochenende gab es leider keine Medaillen. Am Montag punktete dann das ÖSV Sprung-Team mit Stefan Kraft, Daniel Huber, Jan Hörl und Manuel Fettner mit einer Goldenen.
Und es war eine Goldmedaille, die nicht zu erwarten war, aber alle brachten eine sehenswerte Steigerung hin. Interessanterweise war Kraft sogar der Schwächste. Trotzdem hat er mitgeholfen, Fettner war wieder besonders stark.
Und am Dienstag folgte dann die wunderbare Goldene von Anna Gasser im Big Air.
Ein Deja vu, alles wie vier Jahre zuvor. Sensationell war der letzte Sprung, den ich mir einige Male angeschaut habe. Es braucht viel Mut und Körperbeherrschung. In den Interviews hat sie immer von den jüngeren Mädels gesprochen, die ja schon mächtige Sprünge draufhätten. Aber sie konnte sie unter Druck setzen und gewinnen. Vielleicht macht sie sogar weiter.
Auch am Mittwoch gab es etwas zu bejubeln: Die Silber-Medaille im Slalom durch erneut Johannes Strolz. Damit hatte er olympiamedaillentechnisch mit dem Papa gleichgezogen.
Komplett gesehen war ich fasziniert von der Leistung von Johannes Strolz, der als Führender in die Entscheidung gegangen ist. Im 2. Durchgang sahen wir einen Traumlauf von Noel, aufgrund der Bedingungen war glaube ich nichts mehr zu holen. Aber Strolz hat nicht Gold verloren, sondern Silber gewonnen. Er repräsentiert eine neue Garde an Sportlern, die einfach unglaublich ist. Leute, die einfach beharrlich am Ziel bleiben.
Am Schlusstag gab es nochmal Gold und zwar im Alpinen Teambewerb mit Katharina Liensberger, Stefan Brennsteiner, Katharina Truppe und Johannes Strolz, der damit den Papa überflügelt hat. Ich fand vor allem Liensberger und Brennsteiner zwingend.
Ich habe mich für Brennsteiner gefreut, weil er beim RTL knapp vor dem Ziel ausgeschieden ist. Plötzlich hat auch er Gold, ganz toll. Auch für Truppe ist es eine feine Sache.
Damit haben wir alle 18 durch: Abschließend: Dein Gesamteindruck zu Peking 2022, wenn es um Sportstätten, Übertragungen etc. geht?
Wir werden Peking als Corona-Spiele in Erinnerung behalten: Maske, Tests, Hotels. Weiters: Ungewöhnliche Sportstätten, zB Big Air vor Industrieanlagen, die alpine Strecke war auch gewöhnungsbedürftig mit ihren schwierigen Bedingungen. Der ORF hat zahlreiche Bewerbe von Wien aus gemacht. Die Berichterstattung war - glaube ich- fast makellos. Es gab super Zuschauerzahlen, ich kontrolliere das nach wie vor. Trotzdem mag ich solche Spiele eigentlich nicht mehr sehen, man muss vom Gigantismus runterkommen und die nächsten Spiele leicht reduzieren, indem man vorhandene Sportstätten nutzt. Niemand weiß, ob die Pekinger Sportstätten jemals wieder gebraucht werden. Hierzulande hätten wir alles, aber man kann die Bevölkerung leider nicht mehr überzeugen.
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