Ich stimme der Verwendung von Cookies zu. Auch wenn ich diese Website weiter nutze, gilt dies als Zustimmung.

Bitte lesen und akzeptieren Sie die Datenschutzinformation und Cookie-Informationen, damit Sie unser Angebot weiter nutzen können. Natürlich können Sie diese Einwilligung jederzeit widerrufen.






Bauherren-Gespräch Heimo Scheuch / Thomas Birtel

BSM #61

Sample page 1 for "BSM #61"

BSM #61

Sample page 2 for "BSM #61"

12575 Zeichen

Der Neo-Studioeigentümer lädt im Rahmen seines „Heimo Scheuch Podcast“ regelmäßig Managerkollegen auf den Wienerberg. Was er mit Strabag-CEO Thomas Birtel besprochen hat, fassen wir hier zusammen.

Heimo Scheuch: Heute darf ich ganz herzlich Thomas Birtel begrüßen, CEO der Strabag

Thomas Birtel: Herzlichen Dank für die Einladung

Der Bau hat in der Corona-Krise die Wirtschaft getragen, das können wir glaube ich mit gutem Gewissen sagen. Wie sehen Sie heute die Entwicklung am Bau in Österreich und in Deutschland?

Im Bau ist sie positiv, das ist vielleicht paradox, aber durch die praktische Erfahrung unterlegt. Wir haben Mittel und Wege gefunden unter Corona-Bedingungen zu bauen. Die Nachfrage ist unverändert sehr stark - das gilt sowohl für den öffentlichen Infrastruktur-Bereich und auch für den privaten Bereich.

Wir haben viele nachhaltige Initiativen auf europäischer Ebene mit dem Green Deal und auch auf nationaler Ebene. Die deutsche Regierung will ja auch extrem viel bewegen, etwa in der Infrastruktur, der Sanierung oder im Neubau. Sehen Sie das ähnlich?

Das sehen wir ähnlich, wobei es durchaus auch kritische Stimmen gibt, die hinterfragen, ob jedes Bauprojekt unter Nachhaltigkeits-Kriterien unbedingt erforderlich ist. Das ist für mich aber keine kritische, sondern eine sinnvolle Frage.

Somit eigentlich eine sehr positive Situation und ein durchaus optimistischer Ausblick was den Bau in Europa betrifft.

Das kann man aus meiner Sicht so unterstreichen, ja.

Wir haben sicher, wir in der Zuliefer-Industrie und sie in der Ausführung, einiges dazugelernt in der Corona-Situation. Das war  eine Herausforderung nehme ich mal an in so einem Unternehmen, wie der Strabag.

Es hat Friktionen gegeben. Wir mussten erst Hygieneschutzkonzepte entwickeln. Das hat Zeit und Geld gekostet. Es hat auch Nachfrage-Verschiebungen gegeben. Heute sind Hotel- oder Einzelhandelsprojekte nicht mehr so en vogue wie sie es vor der Pandemie gewesen sind. Aber es hat auch unterm Strich positive Entwicklungen gegeben. Wir haben einige Einsparungen gehabt, beispielsweise im Energie-Bereich. Und wir haben auch auf der Nachfrageseite Impulse gesehen, die eigentlich erst durch diese Krisenentwicklung ausgelöst worden sind.

Natürlich steht bei euch das Arbeiten auf der Baustelle im Mittelpunkt, aber ihr habt auch viele Kolleginnen und Kollegen, die in Büros arbeiten. Somit die große Herausforderung wie Homeoffice, die Projektarbeit abgewickelt zu bekommen, die Kommunikation zwischen den einzelnen Bereichen. Das war sicherlich für euch auch eine große Herausforderung.

Das war eine riesengroße Herausforderung und da muss man offen zugeben, dass wir vielleicht vor zwei oder drei Jahren noch nicht so technologisch in der Lage gewesen wären, damit umzugehen, wie das gottseidank jetzt war, als wir im Frühjahr 2020 mit der Lage konfrontiert worden sind. Da haben wir auch ein bisschen Glück gehabt.

Ich denke, dass diese Umstellung auch auf der Generationenseite hilft, das Thema schneller voranzutreiben.

Das stimmt natürlich, das ist auf der einen Seite ein Vorteil, wenn man Nachwuchs systematisch an das Unternehmen heranführt. Auf der anderen Seite ist es auch eine Herausforderung, weil wir nicht überall genug Nachwuchs bekommen.

Stichwort Nachwuchs im Bereich qualifizierte Arbeitskräfte. Das ist ein großes Thema, das uns alle am Bau trifft. Wir werden oft auch kritisiert als alte Industrie, die nachhängt was die Digitalisierung oder Artificial Intelligence betrifft. Ihr in der Strabag habt ja große Schritte voraus gemacht. Mit BIM, Digitalisierung und dem Einsetzen von moderner Technologie.

Ja, dazu sind wir gedrängt worden aufgrund dieses Megatrends, wie man das bezeichnet, und des Fachkräftemangels, der uns seit geraumer Zeit trifft. Wir haben permanent 2000 offene Stellen, die wir nicht besetzen können im Konzern. Und deshalb haben wir uns früh darauf besonnen, wie man Produktivität steigern kann. Digitalisierung, Automatisierung, BIM, Roboterisierung am Bau, also die Industrialisierung des Baus, hier haben wir versucht, frühzeitig Impulse zu setzen.

Sehen wir nicht auch die Verantwortung hinsichtlich der Aus- und Weiterbildung unserer jungen Generationen in Europa. Vielerorts wurde propagiert, dass die Jungen in den Handel oder die Dienstleistung gehen sollen, weg von der Industrie, weg von der verarbeitenden Industrie. Da ist durchaus doch Bedarf an einer Veränderung, würde ich meinen.

Absolut. Wir haben die Aufgabe uns als Unternehmen attraktiver darzustellen, aber auch die Branche gut darzustellen. Denn das ist ein Thema, das wirklich ein Branchenthema ist. Bauen, was  Arbeit unter freiem Himmel ist, wird in vielen Teilen ja nicht als attraktives Arbeitsangebot gesehen. Daran müssen wir arbeiten. Aber ein ganz wesentlicher Punkt des Bauens ist, dass wir in der Vergangenheit die eine Hälfte der Menschheit sträflich vernachlässigt haben, das waren die Frauen. Das muss sich ändern.

Das wird sich sicher ändern. Stichwort Diversität. Das ist sicherlich in einem Unternehmen wie dem ihren und auch bei uns in der produktionslastigen Seite, wo Männer starke Dominanz haben, ein Thema. Aber schrittweise werden wir die Wege gemeinsam setzen und auch die Arbeitsplätze interessanter und attraktiver gestalten.

Das müssen wir, und wir legen heute schon Wert darauf, dass wir mindestens die Quote an Frauen auch einstellen, die von der Ausbildung her für uns in Frage kommen, womit wir noch ein bisschen zu kämpfen haben, ist die Fluktuation. Denn wir stellen fest, dass wir viele in relativ kurzer Zeit wieder verlieren. Den Gründen gehen wir sehr genau nach, um das abzumildern.

Gehen wir einen Schritt weg von der Arbeitswelt und hin zum großen Stichwort Nachhaltigkeit. Das betrifft uns alle, und sie haben es angesprochen, die Art und Weise wie gebaut wird, wie langfristig welche Investitionen getätigt werden. Wie sehen Sie grundsätzlich diesen Trend. Ist es ein Trend, der noch am Papier stattfindet, oder spüren Sie ihn auch schon bei der Nachfrage bei den Kunden. Wird schon mehr bezahlt für nachhaltigen Wohnraum oder Büroraum oder nachhaltigere Infrastruktur oder ist es ein Muss, das zu erfüllen ist.

Auf der privaten Seite sehe ich den Trend schon seit geraumer Zeit. Wir werden heute kaum noch ein Bürogebäude sehen, das nicht durch Zerti­fizierungen auch nachweisen kann, dass es nachhaltig betrieben werden kann. Das war noch vor zwanzig Jahren eher die Ausnahme. Wir sind seit 2003 in unserem Bürogebäude in der Donaucity in Wien, da war es das erste Niedrig­energiebürohaus Österreichs. Das hat sich inzwischen gründlich geändert. 

Und in der Infrastruktur, auf staatlicher Seite, sehen Sie da auch schon Schritte in diese Richtung der nachhaltigen Investitionspolitik?

Da würde ich noch einen Unterschied machen zur privaten Seite. Das ist auf dem Wege, wir haben ja durchaus Vergabe-Bedingungen in vielen Staaten, die nicht das Billigstbieter-Prinzip ausschließlich stützen. Die Praxis sieht immer noch etwas anders aus. 

Das heißt, hier wird es noch Bewegung geben in diese Richtung. Was die Finanzierung über Green Bonds usw. betrifft, wird sich das erst im Bau durchsetzen müssen?

Da sehe ich noch Bedarf, sich zu entwickeln.

Die Strabag hat ja eine großartige Entwicklung durchgemacht, auch dank ihres stringenten Managements. Wie ist das für Sie als Deutscher in Österreich?

Das spür‘ ich eigentlich schon gar nicht mehr. Ich bin inzwischen 17 Jahre in Wien. Am Anfang habe ich sicher sprachliche Themen gehabt. Ich glaube inzwischen aber, das Deutsch-Österreichische Wörterbuch ganz gut zu beherrschen und fühle mich sehr, sehr wohl, insbesondere in Wien, weil das einfach eine wunderschöne und sehr lebenswerte Stadt ist.

Die Herausforderung ist auch groß in einem familiengeführten Unternehmen mit einer starken Kernaktionärsstruktur, sich als unabhängiger CEO zu etablieren und dann natürlich auch sich durchzusetzen.

Das ist ein Thema, aber da hilft die Zeit und ich bin weit mehr als ein Viertel Jahrhundert im Konzern und da findet man seine Mittel und Wege.

Es ist natürlich auch wichtig, dass man seine Kultur und seine Art und Weise des Arbeitens verankert und die Werte auch im Unternehmen durchwirken lässt. Oder?

Man muss das transparent machen und deswegen haben wir, ich bin ja seit 2013 CEO, ein neues Motto eingeführt, das heißt Teams Work und ich hoffe, dass das auch meine Umgebung sieht, dass das dafür steht, wie wir arbeiten.

Ihr seid ja sehr stark gewachsen. Die Integration von Unternehmungen hat stattgefunden, ein wichtiger Aspekt ist, diese gemeinsamen Werte auch zu finden und das Employer Branding zu verankern. Ich nehme einmal an, auch die Zukunft wird weiteres Wachstum bringen?

Davon gehen wir aus, wir sind ja sehr stark auf die Märkte Mittel- und Osteuropas fokussiert und die haben nicht den Sanierungsbedarf den beispielsweise West-Deutschland aufweist, aber die haben nach wie vor, trotz ihrer hohen Investitionen, einen riesigen Bedarf an zusätzlicher neuer In­frastruktur. 

Viele CEOs, wenn man sie weltweit fragt, vor allem jetzt die angloamerikanischen, sehen geopolitische Risiken, wie Handelskriege, die Auseinandersetzung China-Amerika. Wir, die wir näher an Russland sind  in Europa und vor allem auch Sie mit einem Exposure in Russland, wie sehen Sie diese geopolitische Entwicklung Russland/Europa?

Es ist bedauerlich, dass sich hier wieder ein Konflikt etabliert hat, der sich eine Zeit lang zurückzuziehen schien. Wir sind wahrscheinlich das einzige westliche Bauunternehmen, das nach wie vor eine Präsenz in Russland unterhält. Aber ich will nicht verhehlen, dass es uns in Russland schon besser gegangen ist. Die Russen haben ein langes Gedächtnis und wir bauen darauf, dass wir durch unsere Nachhaltigkeit, durch unser Engagement in Russland auf Sicht Erfolge haben werden. Im Übrigen prägt es unser Geschäft, dass die Mehrheit unseres Umsatzes mit Auftraggebern der öffentlichen Hand erfolgt und deshalb haben wir es uns zum geschäftspolitischen Prinzip gemacht, dort strikte Neutralität zu wahren. 

Ich glaube, das ist ein gutes Prinzip in diesem Umfeld und natürlich Stabilität und Rechtssicherheit sind entsprechend wichtig. Ich bin auch ein großer Befürworter, dass Russland eher näher an Europa heranrücken sollte. Das wäre für beide Seiten sehr sinnvoll. Die Entwicklungen in der Ukraine sind jetzt nicht sehr erfreulich.

Absolut! Und es ist ja leider so, auch wenn man in Russland ist, es wird da ein Antagonismus zwischen Russland und Europa gesehen, so als ob ein großer Teil Russlands nicht zu Europa gehören würde. Das ist fatal und ich hoffe, dass sich das in der Zukunft bald wieder verbessert. 

Und in Europa selbst, sind sie hier zufrieden mit der Entwicklung oder sehen Sie Verbesserungsbedarf?

Wirtschaftlich sind wir durchgängig zufrieden mit den Märkten, in denen wir unterwegs sind. Politisch, auch innerhalb der EU, gibt es genug Konflikte, die man bedauern muss, wenn man überzeugter Europäer ist. Und da sehe ich durchaus Verbesserungspotenzial und hoffe, dass die EU wieder näher zusammenrückt und sich nicht weiter auseinander entwickelt.

Als Strabag habt ihr euch an die neuen Herausforderungen angepasst und tut das sukzessive. Ihr entwickelt euch auch weiter, mehr in der Dienstleistung, noch näher an den Kunden, wenn ich das richtig verstanden habe. Das wird wahrscheinlich in der Zukunft auch so sein.

Ja, es ist Teil unserer Diversifikationspolitik,  in der Wertschöpfungskette zuzubauen, und zwar nach vorne und nach hinten. Es geht nach hinten in den Bereich Facility Management oder auch in der Projektentwicklung und im Infrastrukturbereich der öffentlich-privaten Partnerschaften. Es gilt aber auch nach vorne, wir sind ja selbst ein Baustoffproduzent und auch ein Baurohstoffproduzent. Das werden wir weiter vertiefen.

Und wenn Sie so auf die Zusammenarbeit unserer Häuser blicken, die auch schon lange andauert, wir sind Zulieferer, und wir liefern nicht nur Produkte sondern Lösungen, spezifische in der Infrastruktur. Was sind Ihre Erwartungen in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren an Unternehmungen wie die Wienerberger?

Ich glaube, dass unsere Ansprüche in die Komplexität der Leistungen, die unsere Partner für uns erbringen, weiter steigen werden. Es wird weggehen von der einfachen Lieferung zu kompletten und komplexen Servicepaketen und ich sehe da Wienerberger sehr gut aufgestellt.

Dann danke ich Ihnen für das sehr interessante Gespräch und wünsche ein sehr erfolgreiches Jahr. 

Interview: Heimo Scheuch   Transkript: Christine Petzwinkler

Aus dem "Börse Social Magazine #61" - 1 Jahr, 12 Augaben, 77 Euro. Ca. 100 Seiten im Monat, ca. 1200 Seiten Print A4



Random Partner

VIG
Die Vienna Insurance Group (VIG) ist mit rund 50 Konzerngesellschaften und mehr als 25.000 Mitarbeitern in 30 Ländern aktiv. Bereits seit 1994 notiert die VIG an der Wiener Börse und zählt heute zu den Top-Unternehmen im Segment “prime market“ und weist eine attraktive Dividendenpolitik auf.


>> Besuchen Sie 68 weitere Partner auf boerse-social.com/partner







Aus dem Börse Social Magazine #61
(Jänner 2022)





Börse Social Magazine Abo

1 Jahr, 12 Augaben, 77 Euro.
Ca. 100 Seiten im Monat, ca. 1200 Seiten Print A4 gesamt. Das Abo endet nach Ablauf automatisch.
by the way: Die Heftrücken aneinandergereiht werden im Bücherregal den ATX TR-Chart ergeben, der rote Balken ist stets der Stand vom Monatsultimo.
>> Abo bestellen


Prime Content Magazine