Die bereits zweite virtuelle Hauptversammlungssaison neigt sich dem Ende zu. Die Aktionärsrechte konnten dabei meistens nur eingeschränkt gewahrt werden. Dabei würde es auch anders funktionieren.
Der Großteil der aufgrund Covid-19 abgehaltenen virtuellen Hauptversammlungen (HV) hat den AktionärInnen via E-Mail die Möglichkeit geboten, ihr Auskunftsrecht live oder im Vorfeld auszuüben. Es geht aber auch mit direkter Zuschaltung, wie es etwa bei der Aktionärsversammlung der Raiffeisen Bank International (RBI) der Fall war. „Wir haben dieses Jahr einen besonderen Fokus auf die Ausübung des Fragerechts mittels einer telefonischen Zuschaltung gelegt“, erklärt RBI-CEO Johann Strobl. Für die Teilnahme der AktionärInnen an der HV setzte die RBI auf das HV-Portal der Münchner Link Market Services GmbH. Beim besagten HV-Portal handelt es sich um ein Tool, welches Unternehmen um ihre CI ergänzen und in die eigene Website integrieren können und welches den AktionärInnen ermöglicht, live Fragen zu stellen, Anträge einzubringen, abzustimmen, und vieles mehr. „Damit ist auch in Zeiten der Pandemie gewährleistet, dass die Rechte der Aktionäre zu 100 Prozent gewährleistet sind,“ konstatiert Link Market Services-Geschäftsführer Bernhard Orlik, zu dessen Kunden u.a. auch die Commerzbank oder Fraport zählen.
Positive Reaktion. Die AktionärInnen der RBI haben dieses Angebot jedenfalls positiv bewertet, müssen sich allerdings offenbar noch an die Möglichkeit der Zuschaltung gewöhnen. „Es erreichten uns insgesamt 123 Fragen, ca. zwei Drittel der Fragen wurden vor der HV übermittelt und ca. ein Drittel stellten Aktionärinnen und Aktionäre in der Hauptversammlung. Die Mehrheit der AktionärInnen übermittelte ihre Fragen über das HV-Portal.“ Das telefonische Fragerecht wurde allerdings nur einmal genutzt. „Dies gilt es noch zu evaluieren“, meint etwa Golnaz Miremadi, Senior-Managerin im RBI Group Executive Office, in einem Erfahrungsbericht, den sie für das Portal „goingpublic.de“ verfasste.
Damit sich die AktionärInnen gut auf die HV vorbereiten konnten, hat die RBI in diesem Jahr die CEO-Präsentation vorab im HV-Portal veröffentlicht, sowie auch eine FAQ-Seite auf der RBI-Website installiert, auf welcher alle essenziellen Fragen beantwortet wurden.
HVs der Zukunft. Auch die künftigen HVs der RBI könnten digitale Bestandteile beinhalten. „Elemente wie die telefonische Zuschaltung sollten nur unter absoluter Wahrung der Rede-, Auskunft- und Fragerechte genutzt werden“, meint Strobl, der beobachtet hat, dass sich verschiedene Strömungen zum Thema digitale HV gebildet haben. „Die einen wünschen sich aus diversen Gründen bei der Präsenz-Hauptversammlung zu bleiben und die anderen haben die Vorteile einer digitalen Hauptversammlung erkannt und möchten dieses Format auch in Zukunft beibehalten. Wir sollten die Errungenschaften, welche die technische Möglichkeit einer Zuschaltung von Aktionärinnen und Aktionären ermöglicht, nicht wieder in einer Schublade verschwinden lassen, sondern diese weiterhin aktiv im Rahmen der gesetzlichen und technischen Gestaltungsmöglichkeiten zur Anwendung bringen“. So sieht das auch Link Market Services-Geschäftsführer Bernhard Orlik: „Es wird in Zukunft ganz normal sein, dass man als Aktionär an einer HV entweder physisch oder digital teilnehmen kann. RBI-CEO Strobl will jedenfalls „alles dafür tun, dass die Hauptversammlung für alle Zielgruppen von Aktionärinnen und Aktionären ein zufriedenstellender Höhepunkt im Finanzkalender der Gesellschaft ist“.
Kosten und andere Faktoren. Erste Unternehmen, wie etwa Fabasoft (5. Juli), halten wieder ausschließlich Präsenz-HVs ab. Wie es also im Allgemeinen mit den Hauptversammlungen weitergeht, wird wohl vom weiteren Verlauf der Pandemie, den Wünschen der Anleger aber auch von den Kosten abhängen. Teilweise decken sich die Kostenblöcke von Präsenz- und digitaler HV - mit der notwendigen Technik und der reibungslosen und sicheren Übertragung kommen bei der digitalen HV aber extra Aufwendungen hinzu. Bernhard Orlik erklärt: „Viele Kosten, wie zB Notar oder Einberufung in der Wiener Zeitung fallen in identischer Höhe unabhängig von der Zahl der teilnehmenden Aktionären an und bilden also einen „Sockelbetrag“. Alle anderen Kosten variieren mit der Anzahl der einzuladenden bzw. zu registrierenden und letztlich dann auch vor Ort teilnehmenden Aktionären. Auch bei einer digitalen HV variieren diese Kosten, da für mehr zugeschaltete Aktionäre mehr Rechenleistung in Form von Serverkapazität bzw. Bandbreite bereit gehalten werden muss.“ Bei der RBI lagen die Kosten der digitalen HV jedenfalls etwa 35 Prozent unter jenen einer reinen Präsenz-HV.
Und was die Wünsche der AktionärInnen bezüglich HV angeht, so hat sich der Interessenverband der Anleger (IVA) umgehört. Laut IVA-Vorstand Florian Beckermann wünschen sich mehr als 70 Prozent der Befragten die Rückkehr zur ausschließlichen Präsenz-HV. „Wenn Elemente aus hybrider oder virtueller HV in Zukunft kommen, dann nur unter absoluter Wahrung der Rede- sowie Auskunfts- und Fragerechte“, fordert er. Der IVA stellt bekanntlich bei vielen HVs einen Stimmrechtsvertreter und war auch mit Michael Knap als einzigem Stimmrechtsvertreter bei der RBI-HV aktiv. Für IVA-Chef Beckermann, der die HV online mitverfolgt hat, war die RBI-HV „wie gewohnt inhaltlich hoch interessant und daher mit jener der Erste Group gut vergleichbar“. Als nicht angemeldeter Aktionär habe man allerdings die Fragen nicht mitverfolgen können. „Die Aktionärsfragen wurden leider nicht frei im Internet übertragen, sodass die eigentliche Diskussion fast hinter verschlossenen Türen blieb – was schade ist. Digitalisierung hat auch Nachteile“, stellt Beckermann fest.
Text: Christine Petzwinkler
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