Der weltweite Vormarsch der Digitalisierung macht auch vor dem Gesellschafts- bzw. Kapitalmarktrecht nicht halt. Die Tokenisierung bzw. Digitalisierung von Aktien ist spätestens seit der weltweit ersten digitalen Verbriefung von Aktien eines börsenotierten Unternehmens durch die deutsche PREOS Global Office Real Estate & Technology AG im November 2020 in aller Munde. Der Trend hat auch Österreich erreicht, wobei sich Digitalisierungen von Aktien hier bislang auf nicht-börsenotierte Unternehmen beschränkt haben. Durch die Tokenisierung sollen insbesondere für KMUs und Start-ups neue Finanzierungsmöglichkeiten eröffnet werden. Befürworter sehen in der Tokenisierung aufgrund der vereinfachten Übertragbarkeit die Zukunft des Kapitalmarktes.
Inhaber- versus Namensaktien. Die Tokenisierung betrifft die Art der Verbriefung und Übertragung der Aktien. Für die gesellschaftsrechtliche Beurteilung ist daher zunächst zwischen den im österreichischen AktG vorgesehenen Inhaber- und Namensaktien zu differenzieren. Während Inhaberaktien auf den Inhaber lauten und daher anonym übertragen werden können, weil der Berechtigte auf der Urkunde selbst nicht ersichtlich ist, tragen Namensaktien den Namen des jeweiligen Aktionärs, welcher auch in dem von der Gesellschaft zu führenden Aktienbuch einzutragen ist.
Inhaberaktien sind zwingend in einer oder mehreren Sammelurkunden zu verbriefen und bei einer Wertpapiersammelbank (OeKB) zu hinterlegen. Alle Aktionäre haben Miteigentum am verbrieften Aktienstand. Das Eigentum an Inhaberaktien wird ausschließlich durch Buchungen im Effektengiroverkehr übertragen.
Im Gegensatz zu Inhaberaktien sind Namensaktien nicht zwingend zu verbriefen. Die Verbriefung stärkt jedoch die Umlauffähigkeit der Aktie. Namensaktien nicht-börsenotierter AGs werden grundsätzlich in sogenannten Orderpapieren verbrieft und durch Indossament übertragen. In der Praxis wird dafür ein Treuhänder eingesetzt, der die an den Erwerber oder blanko indossierte Aktienurkunde treuhändig hält und sie bei Kaufpreiszahlung an den Erwerber übergibt, damit das Zug-um-Zug-Prinzip gewahrt wird. Beide Aktientypen könnten auch mittels Zession übertragen werden. Während Inhaberaktien nur von börsenotierten AGs ausgegeben werden dürfen, können Namensaktien sowohl von börsenotierten als auch von nicht-börsenotierten AGs emittiert werden.
Erste Digitalisierungen in Österreich. Die Digitalisierung von Namensaktien nicht-börsenotierter AGs bereitet gesellschaftsrechtlich weniger Probleme als jene von börsenotierten AGs, da ein größerer Spielraum bei der Satzungsgestaltung besteht. Deshalb konnten derartige Aktien in jüngster Vergangenheit bereits erfolgreich tokenisiert und auf der Blockchain abgebildet werden. Tokens sind digitale Einheiten, die bestimmte Funktionen (zB. Übertragungsfunktion) haben. Namensaktien können in Form von Tokens segmentiert und an die Aktionäre begeben werden. Die Übertragung tokenisierter Aktien erfolgt durch sogenannte smart contracts, die für eine automatisierte Übertragung der Aktien bei Zahlung des Kaufpreises sorgen. Treuhänder, die die Aktien vorrübergehend halten, werden für die Übertragung über die Blockchain nicht mehr benötigt.
Um eine rechtlich möglichst unkomplizierte Tokenisierung von Aktien gewährleisten zu können, sollte jedenfalls der gesetzlich vorgesehene Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils ausgeschlossen werden. Dieser Ausschluss kann in der Satzung bereits im Zeitpunkt der Gründung der Gesellschaft vorgesehen werden oder durch spätere Satzungsänderung mit Beschluss der Hauptversammlung erfolgen. Empfehlenswert ist auch die satzungsmäßige Verankerung einer Ermächtigung des Vorstands zur Tokenisierung von Aktien und Festlegung der technischen Details.
Eigentumsübertragung bei tokenisierten Inhaberaktien? Inhaberaktien können grundsätzlich wie Namensaktien auf einer Blockchain abgebildet werden. Da das Eigentum an Inhaberaktien jedoch nur durch Buchungen im Effektengiroverkehr übertragen wird, müsste – zusätzlich zur Übertragung auf der Blockchain – auch die entsprechende Gutschrift auf dem erwerbenden Depotkonto und gleichzeitige Belastung des veräußernden Depotkontos erfolgen. Vor dem Hintergrund dieser Doppelgleisigkeit wird die Tokenisierung von Aktien wohl weiterhin nur bei Namensaktien interessant sein.
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