In Graz befindet sich der Forschungs- und Innovations-Hub der börsennotierten Varta AG. Dort wird erforscht, wie die Batterien der nächsten Generation funktionieren werden.
Die seit 2017 an der Frankfurter Börse notierte Varta AG hat „große Ziele und Pläne für die Energiespeicher der nächsten Generation made in Europe,“ wie Aufsichtsrats-Chef Michael Tojner gerne betont. Erreichen will man dies mit einer konsequent umgesetzten Wachstumsstrategie, dem Ausbau der Produktionskapazitäten und bedeutsamen Investitionen in Forschung und Entwicklung. Eine wesentliche Forschungs-Einrichtung der Varta AG befindet sich in Graz bei der Varta Micro Innovation GmbH. Die Gesellschaft ist sozusagen der Forschungs- und Innovationshub der Varta AG und wird nun auch unternehmensrechtlich voll in die Varta AG eingegliedert. Wir haben mit Varta Micro Innovation-Geschäftsführer Stefan Koller über seine Arbeit gesprochen.
Herr Koller, können Sie uns kurz erklären, welche Aufgabe die Varta Micro Innovation im Varta-Konzern übernimmt?
Stefan Koller: Zusammengefasst kann man sagen, dass wir für die Gundlagenforschung im Konzern zuständig sind. Bei uns steht die anwendungsorientierte Forschung im Vordergrund. Sprich, wir erkennen und filtern jene Potenziale, bei denen wir die Übertragbarkeit in die Produktentwicklung sehen. Sobald wir das nachgewiesen und Risiken für die Skalierung ausgeschlossen haben, übergeben wir unsere Erkenntnisse an das Produktentwicklungsteam, das die Ausformulierung von Prozessen, die Skalierung von Prozessen und die gesamte Markteinführung begleitet.
Und an welchen konkreten Projekten forscht Varta Micro Innovation derzeit?
Als Beispiel kann ich ihnen die Coinpower-Zellen nennen. Hier wird laufend daran gearbeitet, durch den Einsatz von neuen Materialien die Energiedichte maßgeblich zu erhöhen und somit die Voraussetzung für hochleistungsfähige Akkus zu schaffen. In dem Bereich haben wir zu einem guten Teil die Grundlagen mit geschaffen. Wir sehen spannende Materialien, die deutlich höhere Speicherfähigkeiten ermöglichen. Des weiteren wollen wir die Herstellung von Lithium Ionen-Zellen im Hinblick der Ressourcenverfügbarkeit und Umweltverträglichkeit sowie dem Energieverbrauch deutlich verbessern und neue Wege in der Prozesstechnologie beschreiten, um schneller und kostengünstiger produzieren zu können. Und ein wichtiges Projekt bei uns ist auch die Digitalisierung im Forschungs- und Entwicklungsbereich, sprich Industrie 4.0-Anwendungen nutzen, um Kosten im Entwicklungsprozess sparen zu können aber auch Zeit und Risiken in der Skalierung.
Die Varta Micro Innovation wurde damals gemeinsam mit der TU Graz gegründet.
Ja, ganz genau. Wir arbeiten sehr eng mit der TU Graz zusammen, allerdings gibt es keine Kapitalverflechtung mehr, da es für eine Universität doch aufwendig ist, eine Beteiligung zu administrieren. Wir sind aber sehr glücklich über die Kooperation, weil die TU Graz eine top Infrastruktur bietet und ein top Forschungspartner ist. Und wir haben dadurch auch Zugang zu Humanressourcen. Aufgrund des Booms der Elektromobilität sind gut ausgebildete Batterietechnologen absolute Mangelware und der Zugang zu diesen ist für uns wesentlich.
Man muss auch erwähnen, dass die TU Graz, was die Batterieforschung betrifft, eine sehr lange Historie hier in Europa aufweist. Der ehemalige und mittlerweile verstorbene TU Graz Instituts-Leiter Professor Karl Kordesch hat immerhin Mitte des vergangenen Jahrhunderts die Alkali-Zink Braunstein Batterie erfunden. Die kennt und nutzt jeder von uns heute noch.
Sie haben die Humanressourcen angesprochen. In unserem aktuellen Börse Social Magazine geht es um Unternehmen, die derzeit auf Personalsuche sind. Stellen Sie ein?
Tatsächlich suchen wir Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Wir wachsen und möchten 30 neue Jobs schaffen - nicht nur im akademischen Bereich, auch in der Organisation. Gerade im Forschungsbereich, wo Projekte oft über Jahre laufen, ist der Erfahrungsschatz und das Know How der MitarbeiterInnen ein kostbares Gut. Eine geringe Fluktuation ist uns daher sehr wichtig.
Stichwort Wachstum: Dafür benötigt man Kapital. Welche Finanzierungsquellen hat die Varta Micro Innovation?
Die Finanzierung erfolgt zum größten Teil über die Varta AG, aber auch über Förderungen. Erst kürzlich hat die EU-Kommission im Rahmen eines sogenannten International Project of Common European Interest (IPCEI) einer Förderung zugestimmt. Als dritte Säule finanzieren wir uns über Auftragsforschung. Zu den Kunden zählen u.a. europäische Automobil- und Industrieunternehmen. Unser Vorteil gegenüber klassischen Forschungseinrichtungen ist, dass wir vom grundsätzlichen Technologiescouting bis hin zum Know How hinsichtlich Überführung in die Produktion alles abdecken. Wir haben immer auch den Produktionsaspekt, also das Wissen um die Anforderung der Massenproduktion, im Fokus. Da grenzen wir uns deutlich ab.
Aktuell produziert und vermarktet die Varta AG ein Batterie-Portfolio von Mikrobatterien, Haushaltsbatterien, Energiespeichersystemen für eine Vielzahl von Anwendungen, ist aber nicht im Elektro-Auto vertreten. Ein Ziel?
Die Erfolgsgeschichte der Varta kommt aus dem Mikrobatteriegeschäft. Aber man muss wissen: Die Entwicklungen in der Lithium-Ionen-Technologie muss man nicht unbedingt zwischen Automobil und anderen Einsatzgebieten trennen. Die Grundtechnologie ist immer dieselbe, nur der Formfaktor ist ein anderer.
In der Energiespeicherung werden oft die notwendigen Rohstoffe und deren Verfügbarkeit thematisiert. Zeichnen sich Engpässe ab?
Bei Silizium und Lithium muss man nicht davon ausgehen. Silizium ist, abseits von Sauerstoff, das häufigste Element in der Erdkruste und Lithium ist heute ebenfalls keine begrenzte Ressource. Der Gewichtsanteil von Lithium in der Lithium-Ionen Zelle liegt bei lediglich 5 Prozent, ist also verschwindend gering. Und dann kommt noch die Tatsache dazu, dass man es am Ende des Tages auch über Recycling wieder zurückgewinnen kann.
Was aber sehr wohl Thema ist, und deshalb arbeiten wir stark daran, ist Kobalt. Es dient als Rohstoff für den Pluspol in der Lithium-Ionen Batterie und ist relativ schwer verfügbar. Unser Ziel in den nächsten Jahre ist daher, den Anteil auf 5 Prozent oder weniger des Gesamtanteils zurückzudrängen oder idealerweise komplett kobaltfrei zu werden. ϑ
Text: Christine Petzwinkler
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