Leser dieser Kolumne werden sich an den Artikel aus Juni 2020 erinnern, in dem ein erstes Zwischenfazit zur Abhaltung virtueller Hauptversammlungen (HV) börsenotierter Gesellschaften gezogen wurde. Seit Juni fanden zahlreiche weitere HVs statt. Da nicht davon auszugehen ist, dass die Welt bereits 2021 wieder in den „Normalzustand“ zurückkehrt, drängt sich die Frage auf, wie es mit der virtuellen HV weitergehen wird. Sollen die gesetzlichen Grundlagen verlängert und/oder angepasst werden, um die Covid-19-Phase zu überbrücken oder sollte es eine dauerhafte Möglichkeit geben, HVs rein virtuell abzuhalten?
Das System der virtuellen HV basiert auf der Beauftragung von vier besonderen Stimmrechtsvertretern, die für die nicht anwesenden Aktionäre auf Basis vorab erteilter Weisungen die Stimmrechte ausüben und Beschlussanträge stellen können. Des Weiteren haben Aktionäre die Möglichkeit, selbst Fragen an die Gesellschaft via E-Mail zu richten. Während bei den ersten virtuellen HVs im 2. Quartal 2020 noch eine gewisse Zurückhaltung bei Aktionären spürbar war, sich mittels Beschlussanträgen und Fragen aktiv zu beteiligen, so waren zahlreiche HVs, die im 3. Quartal 2020 virtuell abgehalten wurden, von umfangreichen Fragekatalogen (einschließlich Nachfragen zu beantworteten Fragen) und Beschlussvorschlägen von Aktionärsseite geprägt. Insbesondere viele Kleinaktionäre schienen nun umfassender von ihrem Fragerecht Gebrauch zu machen, als dies bei einer physischen HV üblicherweise der Fall ist. Auch die durchschnittlichen Zahlen der online die Live-Streams verfolgenden Personen lassen den Rückschluss zu, dass die virtuelle HV sukzessive interessanter für das Anlegerpublikum wurde als noch zu Beginn. Ist die virtuelle HV also auch ein geeignetes Instrument für die Zukunft?
Die Vorgaben für die rein virtuelle HV über den 31.12.2020 hinaus wird jedenfalls zu verlängern sein, ist doch ein Ende der erforderlichen Covid-19-Präventionsmaßnahmen nicht absehbar. Bis wann diese Möglichkeit verlängert wird und welche Anpassungen vorzunehmen sind – etwa die Verringerung der Anzahl der benötigten Stimmrechtsvertreter von vier auf drei oder zwei – ist Gegenstand unterschiedlicher Diskussionen. Über die Covid-19 bezogenen Maßnahmen hinaus ist von der Beibehaltung gewisser Elemente der virtuellen HV auch für die Zukunft auszugehen. Bereits jetzt bietet das Aktiengesetz (AktG) eine gewisse Flexibilität, Übertragungs- und Stimmabgabemöglichkeiten in der Satzung einer Aktiengesellschaft zu verankern: So kann vorgesehen werden, die HV für nicht anwesende Aktionäre oder sogar für die breite Öffentlichkeit zu übertragen (§ 102 Abs 4 AktG), eine Fernteilnahme inkl. Wortmeldungsoption zu ermöglichen (§ 102 Abs 3 AktG) oder eine Fernabstimmung auf elektronischem Weg (§ 126 AktG) durchzuführen. Das Konzept der Stimmrechtsausübung via Vollmacht war ohnehin bereits vor Covid-19 übliche Praxis.
Die legistische Kunst für die künftige Anpassung der Vorgaben des AktG für die Zeit post-Covid-19 wird darin bestehen, eine gelungene Mischung zwischen der wünschenswerten Präsenz-HV und den zusätzlichen Elementen einer virtuellen HV zu schaffen, in der sämtliche Interessen gewahrt werden, die Gesellschaft aber auch Rechtssicherheit hinsichtlich gefällter Beschlüsse hat (Stichwort: Unterbrechung der Übertragung, technische Probleme, Stimmzählung etc). Keinesfalls sollten HVs rein virtuell abgehalten werden, sobald es die Covid-19-Präventionsmaßnahmen nicht mehr erfordern. Die Kombination der physischen und virtuellen Teilnahmemöglichkeit muss das klare Ziel für die Zukunft sein. Man darf gespannt sein!
Mag. Christoph Moser, Rechtsanwalt/Partner, Weber & Co, E-Mail Adresse c.moser@weber.co.at
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