Die Berliner Senatoren haben Mitte Juni wie erwartet den Deckel draufgemacht. Ab sofort sind Erhöhungen von Mieten im Wohnbereich tabu. Das Grundsatzpapier liegt auf dem Tisch, bis Oktober soll eine entsprechende Gesetzesvorlage folgen. Mit Jänner 2020 dürfen die Mieten für rund 1,5 Mio. Wohnungen in Berlin 5 Jahre lang nicht erhöht werden. Die Regelung wird rückwirkend gelten, jetzt noch schnell erhöhen, geht also definitiv nicht. Begleitend dürfte vermutlich auch eine Mietzinsobergrenze eingeführt werden. Und die „Sünder“ erwarten Geldstrafen von bis zu 500.000 Euro.
Enteignung. Durch die Immobilienwirtschaft ging ein Aufschrei. Der „Mietendeckel“ schaffe keinen neuen Wohnraum, sähe nur Zwietracht und schaffe Chaos, ist zu lesen. Manch einer spricht gar von Enteignung. Anstatt selbst Wohnraum zu schaffen, greife der rot-grüne Senat lieber auf das Eigentum anderer zu. Da die Diskussion um den Mietzins-Stopp schon länger andauert, haben Vermieter dort, wo das möglich war, die Mieten präventiv erhöht. Das erboste die Betroffenen mächtig, und die Politik hat vorerst das Gegenteil dessen erreicht, was sie beabsichtigte.
Die Auswirkungen auf die börsenotierten, deutschen Immo-Firmen waren heftig. Der Aktienkurs der „Deutsche Wohnen“ ist in den letzten 5 Monaten 26 Prozent eingebrochen. Eine Analyse der UBS untersuchte neben den aktuellen Auswirkungen auch die von Berlin ausgehende „Ansteckungsgefahr“ und sieht Hamburg und Bremen als „gefährdet“ an.
Österreich-Immos in Gefahr? Die Diskussion um zu hohen Mieten wird auch in Österreich seit vielen Jahren geführt, freilich etwas gemütlicher, österreichisch eben. Die Vermieter argumentieren, sie müssten immer wieder reinvestieren, die Objekte erhalten und verbessern, das sei mit einer Mietzinsobergrenze nicht vereinbar. Die Mieter sehen das natürlich anders und schimpfen auf die „Miet-Haie“. Doch uns interessiert an dieser Stelle nicht der Klassenkampf, sondern die Auswirkung der Berliner Deckelung auf unsere börsenotierten Immo-Gesellschaften. Inwieweit sind sie von der Maßnahme in Berlin betroffen? Ein kurzer Blick in die Bücher von Immofinanz und Co lässt aufatmen. CA Immo, Immofinanz und warimpex haben insgesamt kaum Wohnungen im Bestand. Bei der S Immo ist das ein wenig heikler, aber auch nicht besorgniserregend. Die Kurse blieben dementsprechend unbeeindruckt.
Man könnte meinen, dieser Komet fliege an uns vorbei. Wäre da nicht die Begehrlichkeit der Kreuzberger Grünen: Monika Herrmann möchte auch die Gewerbemieten deckeln. Parteikollegin Ramona Pop fordert einen Gewerbemietspiegel, um Obergrenzen zu definieren; mit entsprechender Herabsetzung darüber liegender Mieten auf Antrag. Zurücklehnen, weil man sowieso nur gewerblich vermietet, ist also nicht angesagt; wohl auch nicht in Österreich. Zu bedenken ist für unsere Immos vor allem die Gefahr von Trittbrettfahrern in CEE. Wer bewahrt uns davor, dass da und dort dem Berliner Beispiel gefolgt wird? Und wenn es nur darum geht, wieder einmal kostengünstig die eigene Macht abzusichern. Wir erinnern uns noch gut an die ungarische Bankensteuer.
Preise einfrieren. Die Argumente der beiden Seiten mag inhaltlich jeder für sich selbst beurteilen. Wer Immobilien besitzt und vermietet, wird einen anderen Zugang haben, als jener, der in einer (teuren) Mietwohnung lebt. Was bleibt, ist die Frage, woher neuer Wohnraum kommen soll. Durch Mietzinsdeckel wird er nicht geschaffen, auch nicht durch Obergrenzen. Dies kann sogar zum Bumerang werden, wenn Vermieter Wohnungen nur noch notdürftig sanieren oder gar nicht mehr vermieten bzw. auslaufende Mietverträge nicht verlängern. Und die Gretchenfrage darf auch gestellt werden: Wenn alles teurer wird, wieso soll das Wohnen nicht teurer werden (dürfen)? In Österreich leben wir bei den Mieten seit vielen Jahren das System der Indexanpassungen. Erhöhungen basieren auf der Preisentwicklung eines vordefinierten Warenkorbes. Würden wir konsequenterweise auch die Preise für Lebensmittel, Autos, Handyverträge, Bahntickets etc. einfrieren?
zum Autor
Gerald Dürrschmid war als Jurist jahrelang im Risikomanagement einer österreichischen Großbank tätig. Er ist heute selbständiger Unternehmensberater, außerdem gerichtlich beeideter Sachverständiger für Bank- und Börsenwesen.
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