Andritz hat eine bewegte Kapitalmarkthistorie, die von einem MBO mit Private Equity-Investoren bis zur Börse und einem SPO reicht. Das Unternehmen ist heute eines der größten an der Wiener Börse. Im Interview spricht Michael Buchbauer, Head of Group Finance, Communications & Investor Relations, über Investoren-Ansichten, das ATX Family-Potenzial, Akquisitionen uvm.
Als familiengeführtes Unternehmen ist Andritz auch im kürzlich von der Wiener Börse eingeführten ATX Family enthalten. Was bedeutet der Index für die enthaltenen Unternehmen?
Michael Buchbauer: An der Wiener Börse gibt es eine Reihe sehr erfolgreicher Unternehmen, deren größte Anteilseigner Familien sind. Diese Firmen in einem Index zusammenzufassen, wird dazu beitragen, dass diese Unternehmen noch stärker in den Fokus von Anlegern kommen, insbesondere von institutionellen Anlegern. Gerade ausländische Investoren sehen in Familien langfristig ausgerichtete und sehr stabile Kernaktionäre. Und Studien belegen ja, dass familiengeführte Unternehmen in der Regel eine bessere langfristige Aktienperformance aufweisen als solche, die eine sehr heterogene Eigentümerbasis besitzen. Der Family Index wird sicher auch zur Auflage von indexbezogenen Produkten, wie ETFs oder eigenen Fonds führen, wodurch Anleger die Möglichkeit haben werden, sich breit an familiengeführten Unternehmen zu beteiligen.
Sie haben die Investoren angesprochen: Welche Fragen tauchen im Zusammenhang mit der Aktionärsstruktur immer wieder bei Investoren auf?
Die in diesem Zusammenhang am häufigsten gestellte Frage ist sicherlich, wie lange Herr Dr. Leitner noch operativ tätig sein wird. Eine – ironische – Antwort darauf hat Dr. Leitner kürzlich selbst in einem „Standard“-Interview gegeben, als er meinte, er würde aufhören, sobald er beginne, bei Besprechungen einzuschlafen.
Andritz hat eine bewegte Historie, was die Eigentümerverhältnisse betrifft. Es waren Private Equity-Fonds beteiligt, im Jahr 2001 erfolgte dann im zweiten Anlauf der Börsegang, im Jahr 2003 ein SPO. All diese Schritte haben aus Andritz das gemacht, was es heute ist, nämlich eines der größten heimischen börsenotierten Unternehmen.
Ja genau, im Jahr 1999 hat Dr. Leitner gemeinsam mit einigen Private Equity-Investoren, u.a. Carlyle Group, UIAG, Deutsche Beteiligungs AG etc., ein MBO von Andritz durchgeführt. Diese Private Equity-Investoren haben dann im Jahr 2003 ihre Anteile im Rahmen des SPO von Andritz abgegeben. Herr Dr. Leitner selbst hat aber keine Aktien abgegeben. Generell sehen wir die Börsenotiz von Andritz als sehr positiv. Die damit verbundene Verpflichtung zu hoher Transparenz und umfassender Informationspolitik ist sicherlich mit hohen Anforderungen verbunden, hat jedoch den Vorteil, dass z.B. Soll-Ist-Abweichungen in einzelnen Bereichen schneller entdeckt werden und gegebenenfalls schneller gegengesteuert werden kann. Außerdem wird durch einen Börsengang der Bekanntheitsgrad eines erfolgreichen Unternehmens enorm gesteigert und der Zugang zu Kapital-, Finanz- und Kreditmärkten verbessert. Auch das Recruiting von Fach- und Spitzenkräften wird durch eine Börsenotierung erleichtert.
Gibt es eigentlich Familienmitglieder, die im Unternehmen tätig sind?
Nein, es sind derzeit keine Familienmitglieder von Dr. Leitner im Unternehmen tätig.
Auch wenn wir in diesem Börse Social Magazine vorwiegend den Familien-Aspekt der Companies in der Vordergrund rücken, möchte ich doch auch auf den operativen Bereich kommen. Sie haben speziell im Geschäftsbereich Hydro zuletzt Rückgänge verbuchen müssen.
Der Geschäftsbereich Hydro war auch 2017 mit sehr schwierigen Marktverhältnissen konfrontiert, die vor allem in den unverändert niedrigen Strom- und Energiepreisen, besonders in Europa, begründet sind. Die Investitionsaktivität seitens der Wasserkraftproduzenten, vor allem was Modernisierungen betrifft, war weiterhin sehr moderat. Dies ist auch in der Entwicklung des Auftragseingangs spürbar.
Wo liegt derzeit der strategische Fokus des Unternehmens?
Die Andritz Gruppe verfolgt schon
seit vielen Jahren eine auf langfristig profitables Wachstum ausgerichtete Geschäftsstrategie. Langfristiges Ziel von Andritz ist es, ein Umsatzwachstum von durchschnittlich fünf bis acht Prozent pro Jahr zu erzielen und gleichzeitig auch die Rentabilität, sprich EBITA-Marge, nachhaltig auf acht Prozent zu steigern. Die wesentlichen Eckpfeiler dieser Strategie sind: Schaffung von internem und externem Wachstum, Technologie- und Kostenführerschaft sowie globale Präsenz.
Wie sehr stehen Akquisitionen bei Andritz im Fokus?
Komplementäre Akquisitionen – d. h. der Erwerb von Unternehmen, die das Produkt- und Serviceangebot ergänzen bzw. stärken – bleiben neben dem internen Wachstum unverändert ein wichtiger Eckpfeiler der Wachstumsstrategie von Andritz. Durch die Eingliederung dieser Unternehmen in die Gruppe können nicht nur wesentliche Synergien erzielt, sondern auch die Voraussetzungen für organisches Wachstum dieser Unternehmen geschaffen werden. Akquisitionen sind in allen vier Geschäftsbereichen möglich.
Die Themen Digitalisierung und Industrie 4.0 stehen derzeit bei vielen Unternehmen ganz oben auf der Agenda. Wie ist es bei Andritz?
Auch für Andritz hat die digitale Transformation höchste Priorität. Und der Bedarf unserer Kunden an Digitalisierungsprodukten und -lösungen steigt ständig an. Wir haben unsere gesamten Digitalisierungsaktivitäten unter der Dachmarke Metris gebündelt. Metris umfasst drei große Bereiche: erstens innovative Industrie-4.0-Produkte, bei denen es im Wesentlichen um die Optimierung von Anlagen und Prozessen mittels Sensorik, ausgeklügelter und hoch komplexer Datenanalyse und Augmented Reality geht. Zweitens „Smart Services“, um für unsere Kunden zum Beispiel die Online-Bestellung von Ersatzteilen effizienter zu gestalten. Drittens den Bereich „Ventures“, in dem unsere Forschungs- und Beteiligungsaktivitäten im digitalen Sektor gebündelt sind. Hier arbeiten wir mit Startups und Inkubatoren zusammen. Fokusgebiete sind Big Data, künstliche Intelligenz und Sensorik sowie Datensicherheit.
Beweglich, neugierig und hungrig
Der jüngst publizierte Geschäftsbericht der Andritz Gruppe steht unter dem Motto „Digitalisierung von A bis Z“. Im Geschäftsbericht schildert CEO Wolfgang Leitner die diesbezügliche Strategie. Auf die Frage, welche technologischen Entwicklungen er für besonders vielversprechend hält, antwortet er: „Es gibt einiges, das wir intensiv verfolgen. Künstliche Intelligenz steht da sicherlich ganz weit vorne. Selbstlernende Systeme und neuronale Netzwerke werden in Anlagen eine Rolle spielen, aber wir müssen dabei sehr umsichtig vorgehen. Ein weiterer Schwerpunkt sind Augmented-Reality-Anwendungen, die zum Beispiel bei der Wartung bald zum Standard gehören werden“. Und wo sieht er Andritz aus der Digitalisierungs-Perspektive in zehn Jahren? „Entscheidend ist, dass wir grundsätzlich beweglich, neugierig und hungrig bleiben. Es gibt viele Möglichkeiten, noch mehr aus den Anlagen herauszuholen und damit unsere Kunden maßgeblich dabei zu unterstützen, dass sie ihre Rentabilitäts- und Nachhaltigkeitsziele erreichen. Die Digitalisierung kann und wird hier einen entscheidenden Beitrag liefern. Hier sehe ich sehr viele Chancen für Andritz zu wachsen“.
Text: Christine Petzwinkler
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