Wie kann man „Börse B2B“ definieren? Die Growth Ninjas haben unsere Fragen beantwortet und als Quasi-Co-Chefredakteure weitere ergänzt: Über Trends, Sinn, Unsinn, ICO, IPO und vor allem die Namen der wichtigsten Innovatoren in Österreich.
Dieses Magazine haben wir unter das Motto „Börse B2B“ gestellt. Gleich als Beispiel: Drei aus eurem Ninja-Quartett waren bei wikifolio, das Unternehmen gilt zu Recht als Privatanleger-Revolution. Was ist da alles B2B zu tun, damit das so läuft wie es läuft? Ihr braucht keine Namen von Partnern zu nennen, aber es müssen ja Kurse gestellt werden, Zertifikate geschaffen und veröffentlicht, dazu technische Verfügbarkeit. Wer mag beginnen?
Stefan Greunz: Bei wikifolio war „B2B“ vor allem die Herausforderung, die richtigen Partner an den richtigen Stellen zu implementieren. Das fing natürlich damit an, dass wir mit Lang & Schwarz einen innovativen und vor allem sehr flexiblen Emittenten hatten, der vor allem in den Anfangsjahren mit sehr viel Vertrauen in die Idee und in das Gründungsteam in den Ring stieg. Sie haben mit viel IT-Implementierungs-Vorleistung und sehr guten Kontakten zur Börse Stuttgart gemeinsam mit uns den Schritt „Fintech-Startup“ gewagt, als es den Begriff so im deutschsprachigen Raum noch nicht gegeben hat. Wie man an den Zahlen und auch dem Kursverlauf der L&S-Aktie sehen kann, hat sich das Investment definitiv ausgezahlt – und sie haben 2016 auch den Zertifikateaward für die „Innovation des Jahres“ mit wikifolio.com gewonnen.
Stefan Kainz: Neben dem Emittenten waren sicherlich auch die zig Partnerschaften mit namhaften Online-Brokern, Banken und auch Medien-Häusern ein Schlüssel zum großen Anleger-Erfolg. Als ich vor gut drei Jahren von der Bawag zu wikifolio stieß, waren bereits große Partner wie eine comdirect, eine Consorsbank, Société Générale oder OnVista an Bord. Das hatte sicherlich einen großen Anteil am Vertrauen sowohl der Anleger, als auch der Trader in unsere Plattform und machte es dann im B2C Geschäft entsprechend einfacher im Marketing.
Florian Wurz: Noch dazu ist wikifolio.com als Social Trading Plattform per se ein Marktplatz, der von der Vielzahl an Usern getragen wird. Jeder Trader zeigt die erfolgreiche Strategie seinen Freunden, seiner Familie oder Arbeitskollegen. Es ist ein sehr virales Produkt und wurde letztes Jahr nicht umsonst zum „Startup des Jahres“ in Österreich durch den „trend“ gekürt.
Und Dich, Johannes, verbinde ich vor allem mit Finanzdaten nahe an der Wiener Börse. Du warst mit Ex-ÖTOB- und -Börse-Chef Christian Imo in einem Team. Wie läuft das mit Kursdaten, die ja meist Börsen gehören? Bitte um ein paar Worte zu Rohdaten, die dann aufbereitet auf Websites, bei Brokern, in Print oder sogar TV landen …
Johannes Eichmeyer: Man muss ganz klar festhalten, dass reine Finanzdaten heute im Vergleich zu vor 10 Jahren eigentlich nur noch eine Commodity sind, die deutlich an Wert verloren hat. Jeder Nutzer kann sich heute völlig kostenlos komplette historische Kursreihen oder Kennzahlen herunterladen und somit weiterverarbeiten. Zunehmend wichtiger ist die Einbindung in den Gesamtkontext des Mediums, egal ob Website, App oder Print. Für Banken und Broker stellt sich nun eher die Herausforderung, dass sie intelligente Such- und Filtermöglichkeiten nach Lebenssituation, Interessen und Branchen den Nutzern an die Hand geben. Die Challenge bei der Umsetzung ist hier die Verständlichkeit für den nicht so finanzaffinen Nutzer. 27 Kennzahlen in einer Box auf eine Website zu klatschen ist zwar einfach, stiftet aber meist wenig bis keinen Nutzen für den potentiellen Anleger.
Stefan Greunz: Bei Finanzportalen sieht man heute klar den Trend, dass sie vor allem bei Realtime-Daten im Bereich Indizes oder Aktien auf Indikationen von Emittenten oder Banken setzen, da sie nicht mehr bereit sind, die horrenden Preisvorstellungen für Daten von Börsen zu zahlen. Ich bin sehr gespannt, wie sich hier der Markt entwickeln wird, wenn man bedenkt, dass Finanzportale in unserer jetzigen Form noch keine 20 Jahre alt sind.
Super, Danke für die erste Runde. Stefan Kainz, ich hab derzeit das diffuse Gefühl, dass jeder zweite alte Wegbegleiter ein ICO macht. Ich hab‘s mir nicht näher angesehen, aber geht das so leicht?
Stefan Kainz: Ja stimmt, ICOs sind für viele das neue, heiße Ding, ein unglaubliches Hype-Thema. Das ICO-Volumen hat in 2017 ein unglaubliches Momentum aufgebaut und alle Rekorde gebrochen. Allein im Dezember 2017 verzeichnet die Plattform ICObench 214 ICOs mit einem Volumen von 1,4 Mrd. USD. Niemand hätte dies Anfang des vergangenen Jahres gedacht.
Einige Marktteilnehmer vermuten, dass die Mehrheit aller ICOs auf globaler Ebene Scams, also Betrugsfälle, sind. Wie kann man diese erkennen?
Stefan Kainz: Allen potentiellen Anlegern gebe ich hier immer den Tipp: Bitte Hausaufgaben machen, also Whitepaper lesen, verstehen und für gut befinden, Research zum Team durchführen oder auch eine Plausibilisierung der technischen Doku durchführen. Wenn man es nicht versteht, dann Finger weg!
Die Wildwest-Mentalität aus Mitte 2017 ist Gott sei Dank auch schon wieder etwas abgeklungen und hat Platz für mehr Besonnenheit gemacht.
In vielen Ländern, wie China oder Südkorea, wurden ICOs verboten oder reglementiert. In der Schweiz hat sich der Kanton Zug zum „Crypto-Valley“ proklamiert und bietet einen klaren Rechtsrahmen für ICOs. Auch ein Vertreter der US-Börsenaufsicht SEC meldete sich im November 2017 zu Wort und hat für ICOs den sogenannten „Duck Test“ in Aussicht gestellt: „If it looks like a duck, swims like a duck, and quacks like a duck, then it probably is a duck.”, sprich wenn das ICO oder der Token-Sale viel Ähnlichkeit mit einem Angebot von Wertpapieren hat, dann sind die Coins oder Tokens auch als Wertpapiere anzusehen und als solche zu behandeln. Auch auf den Homepages der BaFin und FMA gibt es nun Aussagen zur regulatorischen Behandlung von ICOs.
Wann macht ein ICO oder Token Sale Sinn? Sollte man als junges Unternehmen nun den Token als einfache Finanzierungsform in Betracht ziehen?
Stefan Kainz: Aus meiner Sicht nur dann, wenn das eigene Geschäftsmodell ursächlich auf einem Blockchain- bzw. Distributed Ledger Modell beruht und die Coin/der Token als ein Medium für Tausch, Wertaufbewahrung und Recheneinheit im Geschäftsmodell verankert ist. Einen ICO mit einem synthetischen Coin/Token, der die Eigentumsrechte des Unternehmens abbildet und von Investoren mit Gewinnabsicht erworben wird, sehen die Behörden klar als Angebot von Wertpapieren - mit der damit einhergehenden Regulatorik - an. Anbieter wie zB Conda aus Österreich oder das deutsche Unternehmen Neufund haben bereits einen Rahmen geschaffen, der junge Unternehmen dabei unterstützt, die rechtlichen und administrativen Anforderungen eines ICOs zu meistern. So muss nicht jedes Startup wieder bei Null beginnen.
Neben ICOs wirken IPOs zurzeit etwas zurückgedrängt. Man sagt ja, bei tiefen Zinsen machen große Player lieber Bonds. Logo. Und wie sieht das mit Startup-Marktsegmenten aus?
Stefan Kainz: Im Startup Bereich gilt noch viel mehr als im Large Corporate Segment der Leitspruch: „Geld sollte man aufnehmen, wenn man es kriegen kann, nicht wenn man es braucht”. Aufgrund des höheren Risikos von Startups überwiegt hier ganz klar die Eigenkapitalkomponente. Dieses wird in der Regel gestaffelt über Kapitalerhöhungen aufgebaut. Zuerst über die „FFFs“, also Friends, Family & Fools. In der nächsten Runden werden dann Business Angels mit größeren Tickets hinzugezogen. Und danach geht es in die Welt der Venture Capital Funds: Seed Funds, Early Stage Funds, Later Stage Funds.
Wie sieht es mit klassischem Fremdkapital aus? Oder ist die Hausbank hier komplett aus dem Rennen?
Stefan Kainz: Fremdkapital spielt dabei eine untergeordnete Rolle - und wenn, dann meist in Form von Nachrangdarlehen, die im Herbst 2015 im Rahmen des AltFG (Alternativfinanzierungsgesetz) einen Sonderstatus für Startups und kleinere Firmen erhielten. Neuere Finanzierungsformen wie umsatzbasierte Finanzierungen („revenue-based financing“) stehen dann jenen Startups offen, die schon einige Jahre am Markt sind und stabile, wachsende Umsätze verzeichnen. Und ja, die Hausbank spielt bei Startup-Finanzierung keine Rolle, da hier zumeist eine für Banken übliche Bewertungsgrundlage des Unternehmens fehlt. Eine aus meiner Sicht auch vergebene Chance, hier frühzeitig spannende Geschäftsmodelle kennenzulernen.
Welche Fintechs bzw. Themen haben in 2017 eine Rolle gespielt, werden in 2018 eine Rolle spielen? Oder ist der Fintech-Hype schon wieder vorbei?
Stefan Kainz: Fintech ist nach wie vor ein sehr relevantes Thema. Das globale Finanzierungsvolumen in Fintechs hat sich in 2017 auf hohem Niveau von 14 Mrd. Dollar stabilisiert. Europa ist in 2017 stark gewachsen und hat erstmals ein Volumen von 2 Mrd. Dollar überschritten. Das Momentum wird noch anhalten, da in den letzten Monaten gerade in Europa neue Venture Fonds mit Spezialisierung auf Fintech aus der Taufe gehoben wurden. Auch der österreichische Vorzeige-VC Speedinvest überlegt, einen weiteren, reinen Fintech-Fonds aufzulegen. Dazu gesellen sich auch einige neue Corporate Venture Funds (CVCs) im europäischen Banken- und Versicherungsbereich – hier hat die österreichische Bankenwelt definitiv noch Aufholbedarf.
Was waren die großen oder herausragenden Finanzierungsrunden im letzten Jahr?
Stefan Kainz: In Europa standen vor allem die großen Challenger-Banken im Fokus. So konnten sich Revolut (UK) mit 66 Mio. Dollar und Monzo (UK) mit 71 Mio. Pfund einen Großteil des VC-Kuchens sichern. In Deutschland konnten sich Smava, ein Urgestein der Kredit-Vergleichsportale, mit 65 Mio. Dollar und Scalable Capital, der größte deutsche Robo-Advisor, mit 30 Mio. Euro die Spitzenplätze sichern. In Österreich war sicherlich wikifolio.com mit dem Einstieg von New Alpha (FR) und Postfinance (CH) ein Highlight.
Stefan Greunz: Da waren wir auch mittendrin, statt nur dabei (lacht).
Stefan Kainz: Ja, hat Spaß gemacht (lacht)!
Und was seht ihr als die großen Trends in 2018, vor allem in Österreich?
Stefan Greunz: Neben Blockchain, Cryptocurrencies und Tokens wird zunehmend auch ganz klar die Fokussierung der Fintechs auf B2B eine Rolle spielen. Der große Hype der B2C-Fintechs, also derer die ganz klar auf den Privat-Nutzer zielen, ist sicherlich abgeflaut. Vor allem die „Customer Acquisition Costs“, die CACs, sind hier in unfassbare Höhen geschnellt. In den USA werden heute schon für einen Robo-Advisor Neukunden zwischen 800 und 1000 Dollar veranschlagt. Da stellt sich dann auch irgendwann die Frage, ob das Geschäftsmodell in dieser Form funktioniert. Daher brauchen auch zB die Challenger Banken und Robo-Advisor entsprechend viel Kapital, was auch die vorher erwähnten VC-Investitionen aus dem letzten Jahr bestätigen.
Stefan Kainz: Auch aus meiner Sicht wird das Thema Blockchain relevant bleiben und man wird in 2018 auch weitere Anwendungsfälle in Bereichen wie Digitale Identitäten, im Logistikbereich oder im Energiebereich sehen. Für das Thema ICO wird, wie bereits erwähnt, Conda in Österreich eine spannende Plattform bieten können. Beim Thema Lending wird sich der Markt sehr differenziert entwickeln: Im B2B stark, in B2C leicht, P2P gar nicht mehr; Finnest kann hier der dominante Player für etablierte Mittelständler werden, Conda oder auch primeCrowd für jüngere Firmen und Startups. cashpresso kann das Thema Online-Konsumfinanzierung weiter für sich ausbauen. Beim Thema Investing werden aus meiner Sicht die beiden Fintech-Spitzenreiter in Österreich weiter zulegen: wikifolio im Bereich Social Trading und aktiver Strategien, Finabro durch Partnerschaften im Bereich Robo-Advisor. Im InsureTech gibt’s noch sehr viel Luft nach oben – da ist aktuell Österreich noch immer in einem Dornröschenschlaf.
Florian Wurz: Außerhalb der Fintech–Szene werden auch weiterhin Artificial intelligence und Chat-Bots eine wichtige Rolle spielen. Laut einer Umfrage glauben 70% der Unternehmen, dass AI einen positiven Impact auf deren Business haben wird. Ein Bereich, in dem die unmittelbare Auswirkung von AI erkannt wird, ist der Kundenservice.
AI bringt mich auf ein weiteres Thema von euch - man liest auch bei euch auf der Website immer wieder mal das Wort „Growth Hacking“. Was ist das?
Florian Wurz: Endlich kommt die Frage (lacht). Growth Hacking als Begriff ist in der Startup-Szene entstanden. Es steht für alle Maßnahmen, die dazu beitragen, schnell und kosteneffizient neue Kunden zu gewinnen und damit rasches Wachstum zu generieren. In der Praxis ist Growth Hacking eine Schnittmenge aus Marketing, Produkt, Technologie, Business Development, Customer Service und Sales. Das erfordert das Zusammenspiel von Kreativität, analytischem Denken, Programmierkenntnissen, Verstehen von Metriken und Produktmanagement - stets mit einem Ziel: Wachstum, also „Growth“ zu erzielen.
Klingt nach eierlegender Wollmilchsau...
Florian Wurz: So würde ich es nicht sagen. Growth Hacking steht für eine neue Philosophie der Zusammenarbeit innerhalb eines Unternehmens, weg vom Abteilungsdenken, um Wachstumsmöglichkeiten gemeinsam zu erkennen. Hier tun sich natürlich große Corporates deutlich schwerer als ein kleines Startup, wo zwangsläufig eine Person mehrere Rollen übernehmen kann und soll. Als Growth Hacker braucht man vor allem ein gutes Gespür für viele Bereiche - Freude an Kommunikation und daran, immer wieder etwas Neues auszuprobieren.
Welche Rolle spielt Online-Marketing für B2B Unternehmen?
Florian Wurz: Aus meiner Sicht eine oft sehr unterschätzte Rolle. Viele Unternehmen sind überzeugt, dass sich ihr Produkt nicht online vertreiben lässt – ohne es überhaupt zu versuchen. Die Fragen, die sich jedes Unternehmen stellen muss: Welche Online-Kanäle passen zu mir und wo finde ich meine potenziellen Kunden? Wir haben bei einem unserer Kunden im B2B Bereich, Zielgruppe KMUs, erkannt, dass sich Online-Marketing und automatisierte Online-Akquise sogar sehr gut kombinieren lassen. So haben wir mit ersten kleinen Schritten die Sales Akquise über LinkedIn automatisiert und hier erstaunlich hohe Conversion-Rates erzielt – und schon hatte der Kunde einen neuen Kanal für seine Lead-Generierung.
Aber was dürfen die Unternehmen mit der Datenschutzgrundverordnung eigentlich überhaupt noch?
Florian Wurz: Gute Frage. Jedes dritte Unternehmen hat sich nach Umfragen noch nicht oder nur sehr oberflächlich mit der Datenschutzgrundverordnung beschäftigt. Bis spätestens 25. Mai 2018 muss - nach einer zweijährigen Übergangsfrist - diese final umgesetzt sein. Das Wichtigste ist im Unternehmen einen Datenschutzbeauftragten zu bestimmen, der alle weiteren Prozesse und mögliche Themen konsolidiert und bündelt. Dann muss ein „Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten“ angelegt, ein Prozesshandbuch geschrieben und eine „Datenschutz-Folgeabschätzung“ durchgeführt werden. Am besten natürlich gut und verständlich dokumentiert!
Johannes Eichmeyer: Ich empfehle allen, dies zügig zu starten. Denn personenbezogene Daten sind für Unternehmen ein wichtiges Asset – wer sie im Sinne des Gesetzes verantwortungsvoll verwendet, wird auch weiterhin Nutzen daraus ziehen können. Das haben vor allem die großen Banken verstanden.
Sind Finanzunternehmen und Fintechs heute schon im Digitalen Marketing angekommen?
Florian Wurz: Ganz klar: Jein! Manche machen sicher noch den Fehler zu glauben, dass digitales Marketing wenig bringt, da sie möglicherweise erste Tests gemacht haben, wo der große messbare Nutzen noch ausblieb. Digitales Marketing ist aber so viel mehr als nur Banner auf einer Website zu schalten – es geht vor allem um die Klassifizierung und das Verstehen von User-Gruppen und deren Verhalten. Diese müssen dann möglichst individuell und automatisiert angesprochen werden - ob via E-Mail Marketing, Social Media, Push Notifications oder eingeschriebenem Brief.
Johannes Eichmeyer: Vor allem bei der Implementierung von übergreifenden und integrierten CRM-Systemen („Customer Relationship Management“) tun sich die großen Player und Banken sehr schwer, da über die Jahre natürlich ein wilder Mix aus unterschiedlichen Systemen entstanden ist. Das heißt, dass eine Bank zuerst einmal in die Lage gebracht werden muss, dass sie diese User-Daten überhaupt sinnvoll verwerten kann, bevor sie hier über personalisiertes Marketing nachdenken kann. Hier wird in den nächsten Jahren sehr viel Geld und Zeit in die Konsolidierung der Systeme fließen.
Seht ihr bei den natürlich jüngeren Fintechs auch so viel Kraut und Rüben?
Stefan Greunz: Fintechs sind hier meistens einen Schritt voraus, da sie Systeme neu aufbauen können. Das Bottle-
neck liegt im Anfangsstadium oftmals im Marketing und Vertrieb: Man hat ein gutes und innovatives Produkt, aber noch nicht überlegt, über welchen (digitalen) Kanal man es am besten vermarkten und verkaufen kann.
Florian Wurz: …oder sie haben einen digitalen Kanal und noch kein fertiges Produkt (lacht). Es funktioniert in beide Richtungen.
Wie kann man den Erfolg von Kampagnen, bzw. Marketing Aktivitäten am besten messen?
Florian Wurz: Darauf gibt es keine pauschale Antwort. Entscheidend ist es, sich entlang der Customer Journey zu hanteln, von der Akquise über Action (z.B. Registrierung), Retention, Referral bis hin zu Revenue (z.B. via Kaufabschluss). Je nachdem, worauf die Kampagne abzielt, gilt es hier die richtigen Kennzahlen (KPIs – Key Performance Indicators) zu definieren, um am Ende auch den Erfolg quantifizieren zu können. Und als Performance Ninja muss ich natürlich dazu sagen: Testen, testen, testen und immer wieder optimieren - ganz nach Edwards W. Deming: „In God we trust, all others must bring data.“
Finanzmarkt und Marketing. Passt das überhaupt noch zusammen?
Stefan Kainz: Und wie. Finnest ist ein gutes Beispiel, wie man eine Finanzdienstleistung mit gutem Marketing bzw. einer guten Kampagne attraktiv machen kann. Einer der letzten Deals von Finnest war zum Beispiel ein Mittelstands-Crowdinvesting mit der Falkensteiner Hotelgruppe. Anleger investierten insgesamt 5 Mio. Euro in die Premium-Hotelkette und zwei Drittel der Investoren entschieden sich dabei für Übernachtungs-Gutscheine, anstelle von jährlichen Zinszahlungen. Mit dieser Form des Marketings schafft man es, die Kunden an dem geschäftlichen Erfolg zu beteiligen – und gleichzeitig an das Unternehmen zu binden. Eine gelungene Kombination aus Produkt und Marketing-Story, wie ich finde.
Stefan Greunz: Man muss sich immer sehr gut überlegen, wie das eigene Produkt und die entsprechende Zielgruppe ticken. Die große Herausforderung, aber gleichzeitig auch Chance ist, wie vorhin Florian beim Thema Growth Hacking auch gesagt hat, dass man abteilungsübergreifend denkt. Sich also Gedanken zu Content und Außenwirkung macht. Der Vertriebsmitarbeiter wird sehr genau seine Kunden kennen, aber nur die wenigsten Marketing-Abteilungen fragen hier nach. Stattdessen werden teure Agenturen ins Haus geholt. Marketing ist am Ende die Summe aller Kontakte außerhalb meiner Firma.
Zurück zu Finanzmarktportalen und den großen Banken, Johannes. Wie gestaltet sich das Zusammenspiel Fintech und Bank im täglichen Doing?
Johannes Eichmeyer: Die große Aufregung auf Seite der Banken ist mittlerweile in produktive Zusammenarbeit umgeschlagen. Zuerst ignorierten die Banken die Fintechs, dann kam die Phase der Furcht (“die nehmen uns unser Geschäft weg”). Mittlerweile geht es in Richtung Partnerschaft auf Augenhöhe, mit einer sorgsamen Prüfung aller Partner.
Welche Angebote sind gerade im Bereich Digitalisierung in der Banken-Wertschöpfungskette momentan gefragt?
Johannes Eichmeyer: Natürlich alle effizienzsteigernden Maßnahmen, wie zum Beispiel der Online-Kontoabschluss mit VideoIdent-Verfahren oder einfachen Finanzprodukten – immer natürlich mit dem Ziel, hier die internen Kosten zu senken. Man sieht auch ganz klar den Trend zu Auslagerungen von kompletten Dienstleistungen oder Teilen davon, wenn man als Bank diese nicht mehr kostendeckend zur Verfügung stellen kann.
Stefan Greunz: Vor allem bei standardisierten Produkten greifen natürlich die Fintechs an, da sie schneller, effizienter und vom User-Interface auch eingängiger als die bisherigen Angebote sind. Sie haben keine großen Legacy-Systeme und können auf der grünen Wiese starten. Somit haben meist die Fintechs ein besseres Produkt, aber keine Kunden – und bei den Banken ist es genau andersherum.
Stichwort Blockchain: RBI ist als erste österreichische Bank dem R3-Konsortium beigetreten. Was hältst Du davon?
Johannes Eichmeyer: Die Möglichkeiten der Blockchain-Technologie als solches sind unglaublich spannend, ich denke wir werden in wenigen Jahren Anwendungsfälle haben, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Es gibt heute viele Ideen und erste Proof of Concepts, die großen Umsetzungen fehlen bisher einfach noch – eben mit Ausnahme von Cryptocurrencies oder ICOs.
Im Speziellen zur RBI und dem R3-Konsortium: Es ist natürlich eine hervorragende Möglichkeit, nicht jeden Fehler selbst machen zu müssen, sondern von den Erfahrungen der Konsortiumsmitglieder zu lernen und am Ende es in die eigene Strategie integrieren zu können. Es wird hier sicherlich auch sehr spannende Verträge zum Thema „Geistiges Eigentum“ und „Nutzungsrechte“ geben (lacht).
Wo macht Digitalisierung und Automatisierung in einer Multi-Channel Strategie Sinn?
Johannes Eichmeyer: Je einfacher und wenig erklärungsbedürftig das Produkt ist, desto mehr muss es in Richtung kompletter Digitalisierung gehen. Wichtig ist hier allerdings auch immer wieder den Prozess als solches zu hinterfragen und zu optimieren. Wie es der Telefónica Deutschland CEO Thorsten Dirks so treffend formuliert hat: Wenn sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben sie einen scheiß digitalen Prozess.
Shit, wo braucht es dann noch den Faktor Mensch?
Johannes Eichmeyer: Je betreuungsintensiver, komplexer und auch teurer ein Produkt wird, desto mehr muss natürlich auch immer die Möglichkeit eines Hand-offs in die klassische Linie, also zu einem Mitarbeiter, gegeben sein. Ich soll mir natürlich eine erste Indikation für einen Hauskredit selbst digital erfragen können, aber möchte dann als Kunde ab einem gewissen Punkt auch mit einem Mitarbeiter sprechen. Dieser sollte dann natürlich alle bereits Online abgefragten Details und Schritte auch direkt weiterverarbeiten können. Nichts nervt mehr in der User Experience, als einem Mitarbeiter alle online bereits bekannt gegebenen Rahmendaten wieder diktieren zu müssen.
Abschließend nach all dem B2B. Wie kann der Privatanleger von diesen Entwicklungen profitieren?
Stefan Greunz: Als Nutzer profitiert er heute natürlich schon sehr stark. Nie war es einfacher und schneller ein Konto zu eröffnen, Wertpapiere zu handeln oder Kredite zu vergleichen und abzuschließen. Die Digitalisierung hat vor allem die Vergleichbarkeit von Produkten und Dienstleistungen erheblich vereinfacht. Marktplätze wie Check24, Verivox oder durchblicker.at, die nach Handy- oder Stromtarifen nun auch zunehmend Finanzdienstleistungen ins Portfolio nehmen, werden in naher Zukunft den Banken noch erhebliches Kopfzerbrechen machen. Die Bindung eines Kunden zu einer Bank ist durch einfache Kontowechsel-Services dramatisch gefallen – vor allem wenn man sich junge Kunden ansieht.
Siehst Du Vehikel, die Investments ermöglichen können oder muss man Business Angel werden?
Stefan Greunz: Möglichkeiten gibt es hier natürlich viele. ICOs haben wir vorhin schon gehört, daneben gibt es aber auch spannende Plattformen wie primeCrowd aus Österreich, wo man direkt in Equity bei jungen Firmen investiert und das schon ab 10.000 Euro. Daneben gibt es im börsengelisteten Bereich natürlich auch die Möglichkeit direkt in „Company Builder“ wie zum Beispiel eine Fintech Group AG zu investieren. Um sich besser zu diversifizieren, gibt es in der Zwischenzeit auch schon einige Fonds, wikifolios oder sonstige Zertifikate, die in ein Bündel von zukunftsträchtigen Firmen oder Blockchain-basierten Geschäftsmodellen investieren.
Schlussfrage an alle: Macht Ihr ein ICO?
Stefan Kainz: (lacht) Einen Ninja-Token. Gute Idee!
Johannes Eichmeyer: Oder wir machen einen IKO (Initial Krapfen Offering)… Krapfen sind ja bekanntlich das neue Gold und an unserer Krapfen-Wallet oder auch Bauch genannt, sieht man, dass wir gut im Geschäft sind.
... und jetzt das Schlussdanke an alle, dass ihr wie besprochen unser innovatives Börse Social Network nicht genannt habt. Wäre zu werblich geworden.
(Gelächter, Handshake, Vorhang fällt).
Text: Christian Drastil Foto: Martina Draper
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