Nicht erst, seit wir uns in Zeiten der permanenten Schnappatmung und der andauernden Diktatur der Erregung (derzeit sogar noch verstärkt durch den beginnenden Wahlkampf) befinden, fristen Dialog und konstruktiver Meinungsaustausch ein eher kümmerliches Dasein. Kontinuierliche Gespräche und eine zivilisierte Kontaktpflege scheinen schon länger aus der Mode geraten zu sein – zu wenig Action, zu viele Fakten, zu vielschichtig, schlichtweg einfach zu langweilig.
Wie der Zukunftsforscher Matthias Horx trefflich analysiert: „In der Welt der Unsicherheit haben wir gelernt, den stärkeren Narrativen zu folgen. Zugehört wird immer dem mit der lautesten Stimme, der drastischsten Geschichte, dem übertriebensten Plot. Die heutige Medienwelt mit ihrem vielschichtigen, immer schriller werdenden Stimmengewirr ähnelt der Situation in einer überfüllten Steinzeit-Siedlung, in der alle durcheinanderschreien und nicht wissen, wo sie hinrennen sollen.“
Dennoch: Die leisen Stimmen können auf Dauer mehr bewirken, vor allem wenn sie kontinuierlich angewendet werden. Das gilt für die Diplomatie genauso wie etwa auch für die Dialogplattform 21st Austria, bei der sich führende österreichische Manager, Wirtschaftsexperten und Politiker um einen dauerhaften Informations- und Meinungsaustausch mit internationalen Meinungsbildnern bemühten.
Was kann so ein Dialog, was provokante Tweets, populistische Ansagen oder postfaktische Berichterstattung nicht können? Es sind vor allem drei Dinge:
1. Vertrauen schaffen. Jeder kennt dies aus dem Privat- wie aus dem Berufsleben: Wenn man regelmäßig in Kontakt steht, sich wechselseitig informiert und dabei auch über die jeweiligen Anliegen und Sorgen spricht, entsteht Vertrauen.
2. Schnittmengen erkennen. In einem solchen vertrauensvollen Austausch passiert es nicht selten, dass Potenzial für gemeinsame Projekte, gemeinsame Anliegen bei Themen oder Entwicklungen oder Möglichkeiten für eine wechselseitige Unterstützung entdeckt werden.
3. Konflikte ausräumen. In jeder Beziehung kann es natürlich auch kriseln oder Meinungsverschiedenheiten geben. Wenn Vertrauen und Zusammenarbeit jedoch grundsätzlich intakt sind, werden die Chancen auf ein frühzeitiges Erkennen von Konfliktpotenzial größer sein bzw. auch die Bereitschaft, die Beziehung über den Konflikt zu stellen, sprich mit Engagement nach einer Lösung zu suchen.
Dialog braucht Zeit. Vertrauen entsteht nicht über Nacht. Zusammenarbeit will erprobt sein. Und während dieser Zeit wird oft die Frage gestellt: Lohnt es den Aufwand? Beziehungen sind Arbeit: Es gilt, die Kontakte zu pflegen, Zeit zu investieren, auch mal in Vorleistung zu gehen, zuzuhören.
Im Rahmen der Dialogplattform 21st Austria dauerte es immerhin zwei, drei Jahre, bis erste „Erfolge“ sichtbar wurden. In dieser Aufbauphase konnte ein Grundstock an Kontakten mit internationalen Meinungsbildnern etabliert werden – durch viele Einzelgespräche, durch Konferenzen, durch Einladungen nach Österreich. Der Erfolg zeigte sich, als zunehmend auch amerikanische oder britische Meinungsbildner die Vertreter von 21st Austria in ihre Überlegungen mit einbezogen, aktiv Informationen erbaten oder unsere Sicht der Dinge (z.B. zur wirtschaftlichen Entwicklung in Osteuropa oder Russland) hören wollten. Kurzum: Es gelang, dass im Stimmengewirr der internationalen Wirtschaft auch die Story vom Standort Österreich gehört wurde.
Den Mitgliedern von 21st Austria war von Beginn an klar, dass eine derartige Initiative nur dann sinnvoll sein kann, wenn sie auf mehrere Jahre angelegt ist. Es ist beruhigend, dass in der Wirtschaft mittel- und längerfristiges Denken noch immer eine gepflegte Tugend ist – in der politischen und öffentlichen Debatte vermissen wir sie ohnehin schmerzlich.
Zur Autorin
Verena Nowotny ist Gesellschafterin bei Gaisberg Consulting und hat zahlreiche Krisenfälle in Unternehmen und im öffentlichen Bereich als Sprecherin und Krisenmanagerin betreut. Sie war über zehn Jahre als Sprecherin für die österreichische Bundesregierung tätig.
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