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Individualberatung im Wertpapiergeschäft dürfte in Österreich bald Geschichte sein

Finanzmarkt auf Sicht - Börse Social Magazine #04

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Individualberatung im WP-Geschäft

Individualberatung im Wertpapiergeschäft dürfte hierzulande bald Geschichte sein. Die Entwicklung der letzten Jahre lässt kaum einen anderen Schluss zu. Die Platzhirsche unter den Retail-Banken versuchen mehr und mehr, ihre betuchten Kunden in hauseigene Fonds oder aber in eine strukturierte Vermögensverwaltung zu drängen. Die Ursache dafür ist schnell ausgemacht: Das immer strenger werdende Regelwerk, Wertpapieraufsichtsgesetz, MiFID II, etc. Pointiert gesagt: Man benötigt heute fast schon juristischen Beistand, will man einen Kunden so beraten, wie sich Gesetzgeber und Rechtsprechung das vorstellen. Das kommt indes nicht von ungefähr. Im Zuge der Krise 2007 brach eine wahre Flut von Beratungsfehler-Prozessen gegen Banken und Wertpapierdienstleister los. Die Vorwürfe hatten in vielen Fällen ihre Richtigkeit. Da waren unbedarfte Kunden in hoch spekulative Titel hineingeführt worden, deren Risiko sie nicht wirklich abschätzen konnten. Es gab vereinzelt allerdings auch Streitigkeiten, in denen ausgefuchste Kunden versuchten, ihre Verluste den Banken „umzuschnallen“. Sie behaupteten hinterher, kein Risiko in ihrer Veranlagung gewollt zu haben, wiewohl sie beim Abschluss ziemlich genau gewusst hatten, was sie da kaufen. Wir erinnern uns alle an die unselige Ära der „Zerbröselung“ österreichischer Immobilien-Aktien, als diverse Titel bis zu 90 Prozent ihres Wertes verloren. Da konnte man schon auf die Idee kommen, die Verantwortung den Beratern zuzuschieben, hinter denen in aller Regel „reiche Banken“ standen …

Österreich wird in Sachen Regulierung bisweilen als Vorzugsschüler und Streber verspottet. Dabei wird übersehen, dass sowohl der Gesetzgeber als auch die hiesige Aufsicht angesichts der geschilderten Entwicklung gar keine andere Wahl hatten, als Schutznormen zu erlassen und diese auch zu exekutieren. Die Folge sind vom Anleger zu fertigende Protokolle und Formulare, die auf Kunden- und Bankseite als überzogen wahrgenommen werden. Doch das Dilemma hat auch eine andere Seite. Die Rechtsprechung ging und geht in zahlreichen Fällen sogar so weit, die schriftliche Dokumentation nicht als alleinige Grundlage ihrer Entscheidung anzusehen, sondern im Beweisverfahren auch auf die mündliche Seite der Beratung einzugehen; in Einzelfällen zurecht: Es soll ja Fälle gegeben haben, in denen offenbar die Berater die Formulare ausgefüllt haben!  

Es gibt aber noch einen Grund für die Verabschiedung mancher Anbieter von der Individualberatung: Den Kannibalismus im eigenen Haus. Einige Banken-Gruppen schufen vor Jahren Online-Plattformen mit deutlich günstigeren Spesenmodellen. Vielfach ließen und lassen sich Kunden in „ihrer“ Bank-Filiale beraten und ordern später online. Auf Dauer sind dadurch die zahlreichen, gut geschulten Experten an der Front für die betroffenen Häuser schlichtweg zu teuer geworden.   

Das ist die Situation. Die noch vorhandenen Online Broker sind und bleiben eine Ausweichmöglichkeit. Doch möchten viele, vor allem mit den EDV-Tücken nicht so vertraute Kunden weiterhin persönlich beraten werden. Sie wollen Empfehlungen ihrer Betreuer hören. Genau das aber wollen die Banken nicht. Ihnen ist das Risiko einer „fehlerhaften“ Beratung zu hoch, der Aufwand in der Dokumentation (Stichwort: Beratungsprotokoll) zu groß. Und das ist im Hinblick auf die im Rahmen von MiFID II 2018 wirksam werdenden Änderungen nur allzu verständlich. In manchen Häusern wird schon darüber diskutiert, was denn künftig (im „Ernstfall“) unter einer „Empfehlung“ verstanden wird. Auf MiFID II möchte ich in einer der nächsten Ausgaben des BSM ein wenig detaillierter eingehen. So viel schon jetzt: Die Regelungen werden noch einmal deutlich strenger.

Für die „beratungs-verwöhnten“ Kunden gibt es nicht wirklich einen Ausweg. Sie werden mit der Situation klarkommen müssen. Gespannt darf man darauf sein, was die Banken und Wertpapierdienstleister mit den vielen, teilweise recht teuren Experten anstellen werden, in deren Ausbildung sie noch vor wenigen Jahren sehr viel Geld investiert hatten.  

 

Zum Autor: Gerald Dürrschmid war als Jurist jahrelang im Risikomanagement einer österreichischen Großbank tätig. Er ist heute selbständiger Unternehmensberater, außerdem gerichtlich beeideter Sachverständiger für Bank- und Börsenwesen.

 

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Aus dem Börse Social Magazine #04
(April 2017)





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