09.10.2024, 5819 Zeichen
Wien (OTS) - Österreichs Gewerbe und Handwerk rutscht tiefer in die
Rezession. Im
ersten Halbjahr 2024 verzeichneten alle Branchen ein reales Minus. So
betrug der reale (mengenmäßige) Umsatzrückgang -7,5 Prozent! „Das
Gewerbe und Handwerk steckt weiter in der Rezession, wobei sich der
Abschwung noch verschärft hat“, resümiert Renate Scheichelbauer-
Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der WKÖ.
Besonders eklatant fiel das Minus einmal mehr in den
investitionsgüternahen Brachen aus, z.B. in der Metalltechnik (-12,3
Prozent), im Holzbau (-11,9 Prozent) oder auch im Baugewerbe (-10,9
Prozent), wie die vierteljährliche Konjunkturbeobachtung von KMU
Forschung Austria ergab. „Die Rückgänge im Bau sind nun auch voll im
Ausbaugewerbe angekommen“, erklärte Christina Enichlmair von KMU
Forschung Austria. Auch der Auftragsbestand ist deutlich gesunken: 40
Prozent der Betriebe könnten sofort zusätzliche Aufträge ausführen -
ein hoher Wert für das dritte Quartal.
Auch im konsumnahen Bereich ist die Geschäftsentwicklung im
dritten Quartal insgesamt negativ: Nur 19 Prozent der Unternehmen
hatten Umsatzsteigerungen, 27 Prozent verzeichneten Umsatzeinbußen (
54 Prozent: unverändert). Die Situation hat sich somit gegenüber dem
Vorquartal wieder verschlechtert. Der Saldo beträgt nun minus 8
Prozentpunkte. „Die Geschäftsentwicklung im konsumnahen Bereich ist
seit nunmehr 21 Quartalen in Folge, also seit dem 3. Quartal 2019,
negativ“, stellt Christina Enichlmair fest.
Negativer Ausblick
Das drückt auf die Stimmung und dämpft den Ausblick in Richtung
Jahresende. Vor dem Sommer hatte sich die Erwartungshaltung ausgehend
von einer sehr negativen Einschätzung zu Jahresbeginn 2024 vorsichtig
gebessert. Dieser Trend hat sich leider nicht fortgesetzt - es geht
wieder abwärts. Nur 16 Prozent der Betriebe erwarten für das vierte
Quartal Steigerungen der Umsätze oder Aufträge, 29 Prozent rechnen
mit weiteren Rückgängen. Somit ergibt sich ein Saldo von minus 13
Prozentpunkten (nach minus 9 im Vorquartal). Der
investitionsgüternahe Bereich ist mit einem Saldo von -19
Prozentpunkten erneut deutlich negativer gestimmt als die konsumnahen
Branchen (Saldo: 0).
„Die Wirtschaft kommt nur voran, wenn alle Zahnräder ineinander
greifen. Der Bau und die Industrie schwächeln weiterhin, der Konsum
bleibt hinter den Erwartungen zurück. Das trifft auch das Gewerbe und
Handwerk wie ein Keulenschlag“, sagt Renate Scheichelbauer-Schuster.
Sie fordert fünf konkrete Wachstumsimpulse für das nächste
Regierungsprogramm:
Wohnbauförderung gezielt einsetzen
Die Unterstützung aus dem Baupaket ist bisher nicht bzw. noch zu
wenig bei Wohnbauträgern und Bauwerbern angekommen. Die
Bundeszuschüsse zur Wohnbauförderung und Rückflüsse aus
Förderdarlehen müssen wieder zweckgewidmet werden. Ein laufendes
Monitoring sollte das Volumen und die Treffsicherheit der
Bundesländer-Maßnahmen evaluieren.
Anreize für den Wohnbau
Verbesserte steuerliche Abschreibungen sind ein bewährtes Mittel,
um die Baukonjunktur im Neubau und als Nachverdichtung des Bestandes
zeitnah und budgetschonend anzukurbeln. Die geltenden Sätze der
sogenannten Absetzung für Abnutzung (kurz AfA) sollten um jeweils
einen Prozentpunkt angehoben werden - für die gesamte Nutzungsdauer
von Gebäuden, deren Errichtung bis Ende 2026 begonnen wird.
Erleichterte Finanzierungen
„Wir haben eine Baukrise, keine Überhitzung am Immobiliensektor“,
erklärt Renate Scheichelbauer-Schuster. Das Gewerbe und Handwerk
fordert deshalb ein ersatzloses Auslaufen der KIM-Verordnung im Jahr
2025, welche die Kreditvergabe drosselt.
Investitionsprämie als Wachstumsimpuls
Investitionen sind Zukunftsausgaben. Das Gewerbe und Handwerk
schließt sich der Empfehlung des Wirtschaftsforschungsinstitutes WIFO
an, das eine befristete Investitionsprämie oder eine befristete
Erhöhung des Investitionsfreibetrages vorschlägt.
Bürokratie-Abbau, Beispiel Entwaldungs-VO
Ein Zurückfahren des bürokratischen Mehraufwandes um nur 10
Prozent würde die Betriebe im Gewerbe und Handwerk um 430 Mio. Euro
pro Jahr entlasten und 4.200 Vollzeitbeschäftige für produktive
Tätigkeiten freispielen.
Aktuelles Beispiel für überbordende Bürokratie: Die EU-
Entwaldungsverordnung verlangt von jedem Betrieb in der EU eine
aufwändige Dokumentation von Produktchargen, der Rohstoffe wie Holz,
Soja, Rindfleisch, Kakao, Kaffee, Palmöl oder Kautschuk verarbeitet.
Die kürzlich um 12 Monaten verlängerte Umsetzungsfrist muss jetzt
unbedingt für weitere Erleichterungen für Klein- und Mittelbetriebe
genutzt werden, betont Spartengeschäftsführer Reinhard Kainz.
Die Verordnung betrifft nämlich viele Betriebe im Gewerbe und
Handwerk - vom Fleischer bis zum Futtermittelhersteller, vom
Chocolatier bis zur Konditorei, vom Tischler bis zum KFZ-Betrieb oder
Installateur. Die Forderungen der Sparte: Die Prüfpflichten dürfen
nur für den Importeur der Rohstoffe in die EU gelten. Alle weiteren
Betriebe in der Wertschöpfungskette müssen sich auf den „Entwaldungs-
Check“ des Importeurs verlassen können. Für Rohstoffe aus Österreich
(z.B. heimisches Holz, Soja und Rinder) müsse Österreich von
vornherein als entwaldungs- und somit risikofrei eingestuft werden,
da die Waldfläche hierzulande kontinuierlich wächst.
Impulse für mehr Zuversicht
„Die jüngsten Konjunkturprognosen sind alarmierend. Dabei sollten
sich die sinkenden Zinsen und der Rückgang der Inflation eigentlich
positiv auswirken. Wir brauchen dringend mehr Zuversicht, denn nur
dann wird investiert“, sagt Renate Scheichelbauer-Schuster.
Steuerliche Entlastungen, Investitionsanreize und eine Erleichterung
des Bürokratie-Wahnsinns seien deshalb das Gebot der Stunde. „Wir
müssen jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, damit die Abwärtsspirale
stoppt. Österreich braucht kräftige Impulse, um endlich wieder
solides Wachstum zu schaffen.“ (PWK363/HSP)
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