30.01.2025, 9052 Zeichen
Wien (OTS) - „Die gegenwärtige Lage in der Industrie präsentiert sich
trostlos.
Die Rezession infolge ungelöster Standortherausforderungen setzt der
Industrie weiterhin zu und gefährdet den Wohlstand Österreichs.
Insbesondere hat sich die Krise in der Breite der energieintensiven
Industrie verfestigt. Die industrielle Wertschöpfung leidet unter
hohen Energie- und Lohnstückkosten sowie regulatorischer und
abgabenseitiger Überbelastung. Anzeichen für eine Trendwende zum
Besseren sind derzeit nicht in Sicht“, fasst IV-Chefökonom Christian
Helmenstein die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturerhebung der IV,
im Rahmen der Pressekonferenz, zusammen.
De-Industrialisierung schreitet weiter voran
Für IV-Generalsekretär Christoph Neumayer braucht es deshalb „auf
nationaler und auch auf EU-Ebene vermehrt Anstrengungen, um die
Wirtschaft wieder standortfit zu machen. Der Industrie muss es wieder
möglich sein, zu konkurrenzfähigen Preisen produzieren zu können.
Erste positive Signale kamen aus der EU-Kommission, weitere müssen
dringend folgen und rasch umgesetzt werden. Wir verlieren permanent
an Boden, wenn wir nicht in eine neue wirtschaftspolitische Richtung
aufbrechen.“ In dieselbe Kerbe schlägt auch Helmenstein: „Im Gefolge
der nicht mehr wettbewerbsfähigen inländischen Standortbedingungen
hat ein Prozess der De-Industrialisierung eingesetzt, der seit zwei
Jahren mit atemberaubendem Tempo voranschreitet. Der Verlust an
industrieller Bruttowertschöpfung seit 2023 beläuft sich auf nahezu
sieben Prozent in realer Rechnung. Würde die Industrieproduktion auf
alle Betriebsstätten hypothetisch gleichverteilt stattfinden, stünde
inzwischen jeder fünfzehnte Standort leer, die Produktion wäre
eingestellt oder ins Ausland verlagert worden und das Unternehmen zur
Geschäftsaufgabe gezwungen“, so Helmensteins erschreckender
empirischer Befund.
Die negativen Auswirkungen der De-Industrialisierung bleiben
keineswegs auf den sekundären Sektor beschränkt. Von den kräftigen
Produktivitätszuwächsen der Vergangenheit, dem überdurchschnittlichen
Lohnniveau in der Industrie und den wieder preisstabilen
Industrieprodukten profitierte Österreich in vielfältiger Weise. Auf
Seiten der privaten Haushalte ermöglicht industrieller Erfolg höhere
Einkommen und eine gestärkte Kaufkraft, während der tertiäre Sektor
Impulse aus der zusätzlichen Nachfrage nach Dienstleistungen erhält.
Eine schrumpfende Industrie führt daher zu wirtschaftsweiten Einbußen
erheblichen Ausmaßes.
Zugleich ist zu beobachten, dass das Maximum der inländischen
Wertschöpfungstiefe in Schlüsselbranchen der österreichischen
Industrie durchschritten wurde, sodass die Abhängigkeit von
ausländischen Zulieferungen zunimmt und die inländische
Kompetenzgrundlage mittelfristig schwindet.
Europa muss selbstbewusster werden
„Die De-Industrialisierung findet statt und wir sehen, dass
unsere globalen Konkurrenten Betriebe und damit Know-how aus
Österreich abziehen. In den USA erleben wir aktuell einen US-
Präsidenten, der Zölle als Druckmittel einsetzt und in rasantem Tempo
Maßnahmen setzt, die Europa und somit auch Österreich weiter unter
Druck setzen“, erklärt Neumayer und meint weiter: „Die Weltwirtschaft
wandelt sich und wir müssen rasch Antworten finden, um mitzuhalten.
Um unsere Wettbewerbsfähigkeit wieder zur stärken, muss Europa
selbstbewusst auftreten und durch Abkommen Handelsbeziehungen stärken
und erschließen, die Kosten auf Arbeit und Energie müssen sinken und
die bürokratische Last muss auf ein sinnvolles Maß zurückgestutzt
werden“, so Neumayer.
Die Ergebnisse der aktuellen IV-Konjunkturumfrage
Die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage durch die
Unternehmen zeigt, historisch einmalig, ununterbrochen seit nunmehr
vierzehn (!) Quartalen keine Verbesserung. Der aktuelle Saldo von -15
Punkten entspricht exakt dem Wert des Vorquartals.
Die Einschätzung der Geschäftslage in sechs Monaten erholt sich
von -11 Punkten auf einen Wert von -2 Punkten, liegt damit aber nach
wie vor in negativem Terrain, sodass es nicht gelungen ist, die im
Vorquartal erfolgte Vorzeichenumkehr vollständig wettzumachen. Dabei
ist zu berücksichtigen, dass der Anteil der Respondenten, die auf
Sicht des nächsten Halbjahres mit einer Verbesserung der
Geschäftslage rechnen, nur 13% beträgt, während 15% ein weiterhin
schrumpfendes Geschäftsvolumen erwarten. Knapp drei Viertel der
Unternehmen - 72% - stellen sich auf eine stagnative Entwicklung ein.
Beide Stimmungsindikatoren verharren im negativen Bereich und
spiegeln die pessimistische Konjunktureinschätzung wider. Nach wie
vor deutet sich keine konjunkturelle Wende in Richtung einer
Konjunkturerholung oder gar eines Aufschwunges an. Per saldo liegt
das IV-Konjunkturbarometer , welches als (gewichteter) Mittelwert aus
den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage und der
Geschäftslage in sechs Monaten berechnet wird, bei -8,8 Punkten.
Dieses Ergebnis unterstreicht die Erwartung einer prolongierten
Rezession in der österreichischen Industrie.
Mit einem Saldo von -18 nach zuvor -14 Punkten entfernen sich die
Gesamtauftragsbestände in der Industrie noch weiter von einem
aufschwungsaffinen Niveau. Der Anteil der Unternehmen mit derzeit
unterausgelasteten Produktionskapazitäten umfasst 38% aller
Respondenten, während der Anteil jener mit gutem Auftragsbestand
lediglich 20% beträgt. Der Verlust an Auftragsreichweite setzt sich
somit fort.
Ebenso wenig ist bei der Subkomponente der Auslandsaufträge eine
Tendenz zur Stabilisierung auszumachen (Saldo -13 nach -5 im
Vorquartal). Hierdurch kommt zum Ausdruck, dass die österreichische
Industrie mit anhaltenden Schwierigkeiten konfrontiert ist, ihre
globale Marktposition zu halten. Es gelingt ihr nicht, am durchaus
kräftigen globalen Realwachstum in Höhe von über 3% im Jahr 2025 zu
partizipieren.
Angesichts des anhaltend negativen Konjunkturbildes, vor allem
der unzureichenden Auftragsbestände, nehmen die Unternehmen in
saisonbereinigter Betrachtung ihre kurzfristigen
Produktionserwartungen weiter zurück. Der Saldo beläuft sich auf -8
nach zuvor -19 Punkten. Dieser Befund bringt eine noch stärkere
Produktionseinschränkung zum Ausdruck, wenngleich dies in abnehmendem
Tempo geschieht.
Die weiterhin negativen Produktionserwartungen belasten die
Beschäftigungsaussichten in der Industrie erheblich. Der Wert stellt
sich auf -31 Punkte nach zuvor -34 Punkten. Hinter dieser
Saldenbetrachtung verbirgt sich eine auf dem im Vorquartal markierten
Rekordtief verharrende Einstellungsneigung der Unternehmen: Nur 5%
der Respondenten trachten binnen des laufenden Quartals nach einer
Ausweitung ihres Beschäftigtenstandes. Zumindest verringert sich der
Anteil der Respondenten, die einen (weiteren) Beschäftigungsabbau
voraussehen, geringfügig von 39% auf 36%. Die negativen
Beschäftigungsaussichten bringen eine grundlegend veränderte Haltung
der Unternehmen in ihrer Humanvermögensstrategie zum Ausdruck.
Einerseits ist das Vertrauen in eine baldige Erholung erschüttert,
sodass die Aufschwungserwartung revidiert wurde, andererseits sind
die Kosten für das Horten von Arbeitskräften drastisch angestiegen.
Es ist diese Koinzidenz, die dazu führt, dass industrielle
Beschäftigung derzeit trotz eines mittelfristig zu antizipierenden
Arbeitskräftemangels in mitunter erheblicher Größenordnung verloren
geht.
Auf der Ebene der Erzeugerpreise bleibt das disinflatorische
Szenario angesichts einer anhaltenden und noch weiter zunehmenden
Unterauslastung der Produktionskapazitäten aufrecht. Der Saldo stellt
sich auf -2 Punkte nach -13 Punkten. Die weitere Dynamik bei den
Verbraucherpreisen in Österreich hängt wesentlich davon ab, ob und in
welchem Ausmaß auch der Dienstleistungssektor in den kommenden
Quartalen einen der Geldwertstabilität förderlichen Beitrag in seinen
Preisgestaltungen erbringt - und ob weitere Preisschocks bei der
Versorgung mit fossilen Energieträgern ausbleiben.
Die Vielzahl der konjunkturellen Störfaktoren belastet die
derzeitige Ertragslage der Unternehmen in ausgeprägter Weise. Bei
einem Saldo von -24 Punkten (nach zuvor -30 Punkten) berichten knapp
vier von zehn Unternehmen (38%) von einer dezidiert schlechten,
hingegen nur jedes siebte Unternehmen (14%) von einer guten
Ertragslage. Bei den Ertragserwartungen auf Sicht von sechs Monaten
überwiegt nach wie vor der Anteil der Unternehmen, die eine weitere
Verschlechterung ihrer Ertragslage erwarten, den Anteil jener, die
auf eine Verbesserung der Ertragslage setzen (Saldo -3 nach -10). Ein
investitionsgetragener Aufschwung rückt damit in immer weitere Ferne.
Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode
An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung
beteiligten sich 417 Unternehmen mit rund 310.400 Beschäftigten. Bei
der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung:
Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv,
neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten)
Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der
konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver und
negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.
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