16.12.2024, 7926 Zeichen
Wien (OTS) - -
Ohne Gegensteuerung hohe Budgetdefizite jenseits der Maastricht-
Obergrenze von 3% des BIP und kontinuierlicher Anstieg der
Schuldenquote auf 85,0% des BIP bis 2028
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Zur Vermeidung eines ÜD-Verfahrens großer Konsolidierungsbedarf
von zumindest 6,3 Mrd Euro im Jahr 2025
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Weitreichende Konsolidierungsmaßnahmen unabhängig von EU-Vorgaben
unerlässlich, um Zukunftsinvestitionen zu ermöglichen und
langfristige Schuldentragfähigkeit sicherzustellen
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Rasch wirksame Konsolidierung von Beginn an mit langfristig
wirkenden Strukturreformen begleiten
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Negative BIP-Effekte durch geeigneten Maßnahmen-Mix minimieren
Der Fiskalrat erwartet für die Jahre 2024 und 2025 ein
gesamtstaatliches Budgetdefizit von 3,9% bzw. 4,1% des
Bruttoinlandsprodukts (BIP), das auch mittelfristig deutlich über der
Obergrenze von 3% des BIP verharrt. „Ohne ein umfassendes
Konsolidierungspaket wird die Europäische Kommission Mitte Jänner
2025 dem ECOFIN die Eröffnung eines Verfahrens wegen eines
übermäßigen Defizits empfehlen“, so Christoph Badelt, Präsident des
Fiskalrates. Als Folge der hohen Budgetdefizite steigt die
Schuldenquote kontinuierlich von 78,6% des BIP (2023) auf 85,0% des
BIP (2028) an.
Fiskalrat prognostiziert hohe Budgetdefizite und einen deutlichen
Anstieg der Schuldenquote
Die positiven Budgeteffekte der hohen Inflation der letzten Jahre
drehen sich ab 2024 ins Gegenteil. Die Ausgaben steigen v. a. für
Pensionen und Gehälter der öffentlich Bediensteten inflationsbedingt
stark an, während die Einnahmendynamik nachlässt. Zusätzlich belasten
wirtschaftspolitische Maßnahmen der Vergangenheit und die schlechte
wirtschaftliche Lage die öffentlichen Finanzen. Der Fiskalrat
prognostiziert für 2024 und 2025 hohe Budgetdefizite im Umfang von
3,9% bzw. 4,1% des BIP. Mittelfristig laufen weitere Krisenhilfen,
Konjunkturstützungen und Klimaschutzmaßnahmen aus, während
altersspezifische Ausgaben für Pensionen, Gesundheit und Pflege sowie
Ausgaben im Rahmen des neuen Finanzausgleichs und für die Anschaffung
militärischer Güter zunehmen. Dies führt gemeinsam mit der erwarteten
konjunkturellen Erholung bis 2028 zu einem leichten Rückgang des
Budgetdefizits auf 3,5% des BIP. Im Gegensatz zu den Vorjahren reicht
das nominelle BIP-Wachstum nicht aus, um den Anstieg der
Schuldenquote zu verhindern. Die Schuldenquote steigt bis 2028 auf
85,0% des BIP und liegt damit 14,0 Prozentpunkte über dem
Vorkrisenwert von 2019.
Einhaltung des neuen EU-Fiskalrahmens erfordert hohe,
strukturelle Konsolidierungsanstrengung in den Jahren 2025 bis 2028
Die vom Fiskalrat prognostizierten Werte für das Defizit und die
Schuldenquote sind weder ökonomisch noch EU-rechtlich akzeptabel. Die
Einhaltung der Fiskalregeln als gemeinsame unionsrechtliche
Verpflichtung aller EU-Mitgliedstaaten ist wichtig, um die
langfristige Tragfähigkeit der Staatsfinanzen zu gewährleisten.
Allerdings sollen aus der Sicht des Fiskalrates flexible Elemente und
Verhandlungsspielräume der Fiskalregeln genutzt werden, um das große
Konsolidierungserfordernis möglichst konjunkturgerecht über den
Anpassungszeitraum zu verteilen. Möchte Österreich ein ÜD-Verfahren
verhindern, darf bereits im Jahr 2025 die Defizitobergrenze von 3%
des BIP nicht überschritten werden. Dies erfordert bis Mitte Jänner
2025 die Meldung eines geplanten Konsolidierungspakets für 2025 in
Höhe von zumindest 6,3 Mrd Euro an die Europäische Kommission. Nach
entsprechender Bewertung entscheidet die Europäische Kommission, ob
sie dem ECOFIN die Eröffnung eines ÜD-Verfahrens gegen Österreich
empfehlen wird. Aus Sicht des Fiskalrates würde der notwendige
Konsolidierungsbedarf zur Vermeidung eines ÜD-Verfahrens bis Ende
2025 sogar 7,4 Mrd Euro betragen.
Ohne Eröffnung eines ÜD-Verfahrens gelten in den Folgejahren die
Vorschriften der Schutzvorkehrung zur Schuldenrückführung als
schärfstes Kriterium. Damit steigt der jährliche
Konsolidierungsbedarf im Fall eines von der österreichischen
Regierung gewählten Anpassungszeitraums von 4 Jahren auf 15,8 Mrd
Euro im Jahr 2028 an. Bei einer Verlängerung des Anpassungszeitraums
auf 7 Jahre reduziert sich der Konsolidierungsbedarf auf 11,6 Mrd
Euro im Jahr 2031. Die Wahl des 7-jährigen Anpassungszeitraums setzt
jedoch zusätzliche öffentliche Investitionen und Reformen voraus, die
Kosten verursachen und damit den Konsolidierungsbedarf erhöhen. Die
genaue Auswahl an Investitionen und Reformen entscheidet über den
letztendlichen Konsolidierungsbedarf im Rahmen des 7-jährigen
Anpassungszeitraums.
Bei Eröffnung eines ÜD-Verfahrens errechnet der Fiskalrat bei
einem 4-jährigen Anpassungszeitraum für 2025 einen
Konsolidierungsbedarf von 3,1 Mrd Euro, der auf 8,9 Mrd Euro im Jahr
2028 anwächst. Bei Wahl eines 7-jährigen Anpassungszeitraums würde
der Konsolidierungsbedarf unter Berücksichtigung der nötigen
öffentlichen Investitionen und Reformen voraussichtlich nicht
zurückgehen.
Budgetkonsolidierung ohne Tabus erforderlich; negative BIP-
Effekte beachten
Der große Konsolidierungsbedarf erfordert ein weitreichendes
Maßnahmenbündel, das sich in der Praxis sowohl auf die Ausgaben- als
auch auf die Einnahmenseite beziehen wird. Dabei gilt es, die
Konsolidierungslast möglichst ausgewogen zwischen den
unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zu verteilen. Zur Festlegung
eines Maßnahmenbündels ist eine grundlegende Gesprächs- und
Kompromissbereitschaft bzw. ein Aufbrechen traditionell
festgefahrener Denkansätze Voraussetzung. Bei der Zusammenstellung
der Maßnahmen soll auf makroökonomische Rückkopplungseffekte Bedacht
genommen werden, um eine weitere Verschärfung der bereits
angespannten konjunkturellen Lage zu vermeiden.
Rasch wirksame Konsolidierungsmaßnahmen von Beginn an mit
Strukturreformen flankieren
Um einen möglichst fließenden Übergang der
Konsolidierungswirkungen sicherzustellen, müssen kurzfristig wirksame
Konsolidierungsmaßnahmen gemeinsam mit Strukturreformen umgesetzt
werden, die ihre Budgetwirkung erst in der mittleren Frist entfalten.
Dazu zählen die Erhöhung der Effizienz des Fiskalföderalismus in
Österreich auf Basis einer vorgelagerten Aufgabenreform, aber auch
Strukturreformen in den gebietskörperschaftsübergreifenden
Aufgabenbereichen (v. a. Bildung, Gesundheit, Pflege) zur Hebung von
Effizienzpotenzialen. Ferner zählen die weitere Anhebung des
effektiven Pensionsantrittsalters durch gezielte Maßnahmen zur
Verlängerung des Erwerbslebens, aber auch Maßnahmen zur stärkeren
Nutzung des Beschäftigungspotenzials dazu.
Spielräume für Zukunftsinvestitionen und Vorsorge für zukünftige
Krisen schaffen
Ein wichtiger Bestandteil der aktuellen und mittelfristigen
Fiskalpolitik muss sein, Budgetspielräume für Zukunftsinvestitionen
zu schaffen, Budgetrisiken zu minimieren und Vorsorge für
erforderliche Transformationsprozesse zu treffen. Dazu ist eine
entsprechend strategische und zwischen den gebietskörperschaftlichen
Ebenen abgestimmte Vorgehensweise erforderlich, um insbesondere
Herausforderungen, wie z. B. die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
Österreichs, den Fachkräftemangel, den Zugang zu qualitativ
hochwertiger Bildung für alle Bevölkerungsgruppen und die
Effizienzsteigerung in den dynamischen Ausgabenbereichen des
Gesundheits- und Pflegewesens zu meistern.
Tiefgehende Evaluierung des Förderwesens zur Stärkung der
Effizienz und Erschließung von Einsparungspotenzialen
Eine Gesamtstrategie zum heimischen Förderwesen soll einerseits
die Minimierung von Zielkonflikten, Doppelgleisigkeiten und
Mitnahmeeffekten sowie andererseits die Erhöhung der Transparenz und
Treffsicherheit ins Zentrum der Reformbemühungen rücken. Dies
schließt eine verbesserte Koordination der fördernden Stellen, aber
auch eine systematische Durchforstung und Evaluierung aller
Förderungen hinsichtlich Zielsetzung und -erreichung, eingesetzter
Fördermittel und möglicher, alternativer, (kosten-)effizienterer
Politikmaßnahmen zur Zielerreichung ein.
Presseunterlagen, Jahresbericht und Empfehlungen unter Fiskalrat
- Presseinformationen.
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