13.11.2024, 7188 Zeichen
Wien (OTS) - „Die jüngsten Entwicklungen sind besorgniserregend und
sollten die
Alarmglocken schrillen lassen - trotz deutlicher Reallohnzuwächse hat
Österreich in den letzten fünf Jahren an Wohlstand verloren, kurz
gesagt: es ist Feuer am Dach“, warnt Georg Knill, Präsident der
Industriellenvereinigung, angesichts der anhaltenden und hartnäckigen
Rezession im produzierenden Sektor, der wirtschaftspolitischen
Herausforderungen, der geopolitischen Verschiebungen sowie den
bevorstehenden Verhandlungen rund um eine neue Bundesregierung.
„Trotz „Zuckerlkoalition“ geht es aber jetzt nicht darum Süßigkeiten
zu verteilen, die vielleicht kurzfristig populär sind, aber keine
nachhaltige Basis schaffen“, betont Knill mit Blick auf die budgetäre
Situation Österreichs.
Vor diesem Hintergrund dieser Herausforderungen hat die
Industriellenvereinigung (IV) im Rahmen einer Pressekonferenz ein
umfassendes Maßnahmenpaket vorgestellt. Unter dem Motto „NeuStart /
NeuStaat“ präsentierten IV-Präsident Georg Knill, IV-Vizepräsident F.
Peter Mitterbauer und IV-Chefökonom Christian Helmenstein klare
Forderungen, um den Industrie- und Wirtschaftsstandort Österreich
wieder auf Erfolgskurs zu bringen.
Konjunkturimpulse bleiben aktuell aus
„Das Fundament der österreichischen Wirtschaft war traditionell
ein dynamischer Konjunkturzyklus, angestoßen durch einen
außenwirtschaftlichen Impuls und getragen durch eine starke Export-
und Investitionskomponente. In den letzten Jahren ist dieses
Erfolgsmodell ins Stocken geraten. Während derzeit 60 und im
kommenden Jahr sogar 72 Volkswirtschaften mit über 4 % wachsen, kann
Österreich kaum Vorteile aus diesen Wachstumsimpulsen ziehen“, warnt
Knill und fordert: „wir müssen dieser negativen Entwicklung dringend
ein Ende setzen, das Feuer löschen und rasch mit dem Wiederaufbau
starten“. Hauptfaktor für die dramatische Lage sind die stark
gestiegenen Preise für Arbeit, Energie und Bürokratie. „Der Standort
ist preislich nicht wettbewerbsfähig, was dazu führt, dass die
Marktanteile Österreichs auf den Weltmärkten stetig schrumpfen“,
betont auch F. Peter Mitterbauer, IV-Vizepräsident.
„Andere erhoffte Expansionsträger wie Investitionen und Konsum
bleiben vorerst ebenfalls aus. Die Ertragssituation ist derzeit so
angespannt, dass unter diesen Rahmenbedingungen ein
investitionsgetragener Aufschwung nicht zu erwarten ist. Auch der
Konsum bleibt vorerst schwach: Trotz eines absehbaren
Reallohnzuwachses von 6,5 % in den Jahren 2024 und 2025 verharrt der
private Konsum in Agonie“, erklärt Christian Helmenstein, Chefökonom
der Industriellenvereinigung. „Es braucht nun einen disruptiven,
fiskalischen Kurswechsel für Österreich, um die Maastricht-Kriterien
einhalten zu können und in weiterer Folge Wachstumsimpulse zu
setzen,“ so Knill. „Die nächste Bundesregierung steht vor enormen
konjunkturellen und strukturellen Herausforderungen, die es dringend
zu adressieren gilt“, ergänzt Mitterbauer.
Die Industriellenvereinigung hat vor dem Hintergrund der
aktuellen Regierungsverhandlungen ein Reformpaket ausgearbeitet, das
die strukturellen Defizite behandelt und die Wettbewerbsfähigkeit
Österreichs wiederherstellen soll.
Die Maßnahmen zielen darauf ab, sowohl kurzfristige Impulse als
auch langfristige Stabilität zu schaffen:
Impulse für Export setzen: Kosten senken und Bürokratie abbauen
Die österreichische Exportwirtschaft leidet aktuell an zu hohen
Kosten für Bürokratie, Energie und Arbeit, die die
Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen maßgeblich beeinträchtigen.
Daher braucht es eine drastische Senkung dieser Kosten auf ein
marktgerechtes Niveau, um die Exportnachfrage nach heimischen
Produkten zu stärken und den Konjunkturzyklus anzustoßen. Neue
Impulse sollen auch durch faire Handelsabkommen geschaffen werden.
„Unsere Wirtschaft ist sehr stark exportorientiert. Mit einer
Exportquote von 60 Prozent sichern wir 1,2 Millionen Arbeitsplätze.
80% dieser Produkte wurden innerhalb Europas geliefert. Es besteht
noch Potential, insbesondere in Bezug auf Exporte zu Drittstaaten -
das müssen wir dringend nutzen“, betont Knill und meint weiter:
„aufgrund der geopolitischen Unsicherheiten sollte Europa seine
eigene proaktive Handelspolitik weiter forcieren, Hierzu braucht es
weitere gut gemachte EU-Handelsabkommen wie u.a. mit Indien, Mexiko
und insbesondere Mercosur. Auch die Gespräche zur Gestaltung der
transatlantischen Beziehungen sollten wieder aufgenommen werden.“
Investitionen fördern und Anreize schaffen
„Angesichts steigender Produktionskosten und des
Fachkräftemangels ist es notwendig, gezielt und in die
Wettbewerbsfähigkeit investieren. Wir brauchen eine starke FTI-
Politik, um Wohlstand und Resilienz für Österreich und Europa zu
sichern“, erklärt Knill. Durch stärkere Investitionen wird ein Umfeld
geschaffen, das nachhaltiges Wachstum und Innovationen ermöglicht,
was wiederum zu einer höheren Wettbewerbsfähigkeit führt.
Investitionen in Forschung, Entwicklung und Infrastruktur bilden die
Grundlage für langfristiges Wachstum. Es braucht daher eine Erhöhung
der F&E-Quote auf 4 Prozent des BIP, vorzeitige
Abschreibungsmöglichkeiten und einen gezielten Einsatz der
Investitionsprämie von 14 %.
Beschäftigung stärken und Arbeitsanreize schaffen
Mehr Arbeitsplätze und eine höhere Beschäftigung führen zu einer
Ausweitung der Lohnsumme, was die Kaufkraft der Bevölkerung und damit
den heimischen Markt stärkt. Nun braucht es dringend die Einführung
von Anreizen zur Steigerung der Arbeitszeit, wie beispielsweise die
Schaffung eines Vollzeit-Bonus oder die Streichung
leistungsfeindlicher Steuer- und Transfergestaltungen. „Österreich
hat eine der höchsten Abgabenquoten auf Arbeit weltweit. Arbeitgeber
und Arbeitnehmer zahlen rund 46,8% an Abgaben. Österreich liegt bei
der Belastung des Faktors Arbeit an 3. Stelle im OECD-Schnitt, der
größte Anteil der Belastung ist auf die sogenannten Lohnnebenkosten
zurückzuführen“, so der IV-Präsident.
Konsum fördern und Kaufkraft stärken
Trotz Reallohnzuwächsen bleibt der private Konsum aufgrund von
Konsumzurückhaltung und Vorsichtssparen schwach. „Für einen
Aufschwung ist es entscheidend, dass die Staatsausgaben sinnvoll
gesteuert werden, um das Vertrauen der Menschen in die Staatsfinanzen
zurückzugewinnen und den Konsum im Land zu unterstützen;
Staatsausgaben sinnvoll steuern und öffentliche Investitionen
sichern“, erklärt Mitterbauer und sagt weiter, „Auch die Rückgänge in
der Baubranche sind deutlich spürbar - hier müssen weitere Maßnahmen
zur Ankurbelung des privaten, wie gemeinnützigen Hochbaus angedacht
werden.“
Staatsausgaben sinnvoll steuern und öffentliche Investitionen
sichern
Die aktuell hohe Staatsverschuldung und steigende Sozialausgaben
gefährden die Stabilität der Staatsfinanzen. Um diese wieder in den
Griff zu bekommen, braucht es nachhaltige Reformen des Arbeitsmarkts,
im Bereich der Bürokratie, sowie im Gesundheits- und Pensionssystem.
„Größte Baustelle ist dabei das Pensionssystem, aktuell verbaut es
den nächsten Generationen die Zukunft. Bis 2050 wird unser
Pensionssystem das Budget kumuliert mit einer Billion Euro belasten,
wenn wir keine Reformen durchführen - Geld, dass wir in Bildung,
Infrastruktur und unsere Innovationskraft investieren könnten“, so
Mitterbauer.
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