Die US-Administration hat gestern Abend ihre Entscheidung betreffend Stahlimporte gemäß Section 232 bekannt gegeben und die bereits von Präsident Trump am Donnerstag der Vorwoche ins Spiel gebrachte Variante mit einem allgemein gültigen 25-prozentigen Strafzoll bestätigt. Vorläufig ausgenommen sind nur die NAFTA-Partner Kanada und Mexiko, weitere Ausnahmen könnten folgen. "Wir haben die nun fixierten Beschlüsse des amerikanischen Präsidenten zur Kenntnis zu nehmen. Es ist davon auszugehen, dass eine unmittelbare wirtschaftspolitische Reaktion auf Ebene der EU und weiterer Wirtschaftsregionen folgen wird. Die möglichen Konsequenzen auf die globalen Märkte und den Freihandel sind aufgrund der Komplexität der globalen Wirtschaftsstrukturen nicht ohne weiteres abschätzbar. Wirtschaftliche Auswirkungen für alle Beteiligten – wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen – sind aber unvermeidlich. Die EU wird sich in diesem Zusammenhang vor allem mit der Frage befassen müssen, welche Maßnahmen und Instrumente notwendig sind, um eine unangemessene Umleitung globaler Handelsströme nach Europa zu verhindern," so Wolfgang Eder, Vorstandsvorsitzender der voestalpine .
Die voestalpine befasst sich bereits seit dem vergangenen Jahr intensiv mit möglichen Konsequenzen derartiger Maßnahmen auf ihr Geschäft in den USA bzw. auf ihre Beziehungen mit den USA. Da eine Reihe von Punkten in der „Presidential Proclamation“ noch einer weiteren Präzisierung bedarf und möglicherweise doch bisher noch nicht näher definierte Ausnahmeregelungen folgen könnten, wird dieser Klärungsprozess realistischerweise einige Wochen in Anspruch nehmen. Erst danach kann eine entsprechende Vorgehensweise abschließend definiert werden. Die voestalpine hat bereits vor einem Jahr eine „Taskforce USA" zur Beobachtung der US-Entwicklungen eingerichtet. Das Team besteht aus elf Mitarbeitern aus den USA und Österreich, welches von US-Rechtsanwaltskanzleien, aber auch US-Partnerunternehmen und politischen Entscheidungsträgern vor Ort unterstützt wird.
Die voestalpine-Aktivitäten tragen in den USA mit insgesamt 49 Standorten wesentlich zur regionalen Wertschöpfung sowie einer entsprechenden Arbeitsplatzschaffung und –sicherung bei. Der Konzern hat in den letzten Jahren in den USA konkret 1,4 Milliarden USD in die Herstellung von High-Tech-Produkten investiert und damit rund 3.000 anspruchsvolle lokale Arbeitsplätze mit nachhaltig positiven Effekten generiert. Die voestalpine tätigt etwa zwei Drittel ihrer US-Umsätze von rund 1,2 Milliarden Euro (2017) als lokaler Erzeuger in den USA und ist daher mit dem Großteil ihrer Aktivitäten von den geplanten Maßnahmen nicht direkt berührt. In wieweit die übrigen Umsätze von den Importrestriktionen betroffen sind, ist derzeit in eingehender Prüfung. Faktum ist damit aber bereits auf Basis dieser Ziffern, dass maximal etwa 3 Prozent des aktuellen voestalpine-Konzernumsatzes von den US-Zöllen betroffen sein können und das wirtschaftliche Risiko damit selbst in einem Extremfall sehr überschaubar bleibt.
Zudem zählt der voestalpine-Konzern aufgrund seiner technologieorientierten Ausrichtung längst nicht mehr zu den „klassischen“ Stahlherstellern und ist auch in den USA ausschließlich Premiumanbieter von hochqualitativen Produkten, die an 23 Produktionsstandorten für anspruchsvollste Industriesektoren gefertigt und bearbeitet werden, d.h. auch nichts mit klassischem Stahl- und Stahlhandelsgeschäft zu tun haben.
Die 3 Prozent am vom 25-prozentigen Strafzoll möglicherweise betroffenen Konzernumsatz sind überwiegend in Nordamerika nicht oder kaum verfügbare High-Tech-Stähle, aus denen in den USA anspruchsvolle Halbfertig- oder Fertigprodukte erzeugt werden. Dazu zählt etwa aus Österreich importiertes, hochqualitatives Stahlband, das in den USA zu höchstfesten Karosserieleichtbauteilen und Automobilkomponenten weiterverarbeitet wird. Die dafür zuständige „voestalpine Automotive Components“ in Cartersville (Georgia) gilt dabei mit ihrer phs-Technologie als einer der führenden Hersteller von höchstfesten Leichtbaukomponenten im NAFTA-Raum und beliefert namhafte Automobilproduzenten – vor allem aus Europa – in der Region. Das Vormaterial für diese hochspezialisierten Produkte steht in den USA in dieser Qualität anderweitig nicht zur Verfügung
Auch anspruchsvolle Nahtlosrohre vor allem für die Öl- und Gasexploration werden nach dem gleichen organisatorischen Muster in Österreich (Kindberg) vorproduziert und in den USA zu Spezialprodukten weiterveredelt. Dabei kommen sowohl der bei dieser Fertigung eingebundene Joint-Venture-Partner als auch die Kunden aus den USA. Weitere Werkstoffe und Spezialteile für die Öl- und Gasindustrie sowie höchstbelastbare Flugzeugkomponenten aus der High Performance Metals Division haben ebenfalls ihren Ursprung in den europäischen bzw. brasilianischen voestalpine-Werken. Die Division ist darüber hinaus als Weltmarktführer bei Werkzeugstahl ein wichtiger Partner der US-Werkzeugindustrie und damit ein wesentlicher Faktor für deren Wettbewerbsfähigkeit.
Originäre US-Produktionsstätten sind von den direkten Auswirkungen der Strafzölle nicht berührt. Bekanntestes voestalpine-Beispiel ist hier der Standort Corpus Christi, Texas. Dort betreibt der Konzern seit 2016 die weltweit modernste und größte Direktreduktionsanlage, die hochqualitatives Vormaterial (Eisenschwamm) für die Stahlerzeugung produziert. Beliefert werden damit Kunden weltweit – natürlich in hohem Maße auch im NAFTA-Raum – sowie die österreichischen voestalpine-Standorte in Linz und Donawitz. Im Bereich von Eisenbahnweichen ist die voestalpine mit 7 Standorten ihrer US-amerikanischen Konzerngesellschaft „voestalpine Nortrak“ sogar führender Anbieter in Nordamerika und ebenfalls von den Strafmaßnahmen nicht betroffen.
„Trotz der nur eingeschränkten Auswirkungen der Strafzölle auf unseren Konzern veranlasst uns die aktuelle Vorgangsweise der US-Administration dazu, alle geplanten weiteren Investitionen in Nordamerika einer kritischen Überprüfung in Bezug auf ihre wirtschaftliche und politische Sinnhaftigkeit zu unterziehen“, so voestalpine-CEO Wolfgang Eder.