19.12.2024, 4555 Zeichen
Wien (OTS) - Noch vor Weihnachten wird, unterstützt vom Fachverband
Entsorgungs-
und Ressourcenmanagement und der Bundessparte Industrie der
Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), ein sogenannter Individualantrag
- eine Gesetzesbeschwerde - gegen den verpflichtenden Bahntransport
von Sekundärrohstoffen und Abfällen beim Verfassungsgerichtshof
eingebracht. Unter den Antragsteller:innen finden sich namhafte
Unternehmen aus der Papier-, Holz- und Metallindustrie sowie aus der
Entsorgungsbranche.
Grund für diesen Schritt ist der seit 1. Jänner 2023 geltende
„Bahnzwang“ gemäß Abfallwirtschaftsgesetz (AWG 2002). Demnach müssen
Abfälle - und damit auch sogenannte Sekundärrohstoffe wie Altmetall,
Altholz und Altpapier - ab einer bestimmten Gewichts- und
Distanzschwelle verpflichtend auf der Schiene befördert werden,
sofern ein entsprechendes Bahnangebot besteht. Das zuständige
Bundesministerium für Klimaschutz (BMK) und die verantwortliche
Bundesministerin Leonore Gewessler wurden von den Branchenvertretern
der Wirtschaftskammer bereits mehrfach auf die mangelnde
Praxistauglichkeit und die für eine funktionierende
Kreislaufwirtschaft schädlichen Auswirkungen dieser Vorschrift
hingewiesen. Da eine Reaktion bislang ausblieb, wenden sich die
Antragsteller:innen nun an den Verfassungsgerichtshof.
„Es hat sich gezeigt, dass dieser Bahnzwang realitätsfremd ist
und unsere Betriebe in der Praxis massiv behindert. Obwohl um ein
Vielfaches teurer als der LKW, kann die Bahn nicht einmal annähernd
die für die Branche erforderlichen ‚Just-in-time-Lieferungen‘
sicherstellen. Damit wird das österreichische
Kreislaufwirtschaftssystem, das auf verlässliche und flexible
Transportwege angewiesen ist, empfindlich gestört“, sagt Harald
Höpperger , Obmann des WKÖ-Fachverbandes Entsorgungs- und
Ressourcenmanagement.
Erklärtes Ziel - wirksame Reduktion von Treibgas-Emissionen -
wird mit Bahnzwang nicht erreicht
Das vom BMK postulierte Ziel, mit dem Bahnzwang einen wirksamen
Beitrag zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen zu leisten, wird
nicht annähernd erreicht. Im Gegenteil: Durch komplizierte
Umschlagsprozesse, längere Transportwege und fehlende Bahnanschlüsse
vor Ort entstehen sowohl ökologische als auch ökonomische
Mehrbelastungen und insbesondere zusätzliche CO2-Emissionen. Zudem
gefährdet der völlig undifferenzierte Bahnzwang für - rechtlich als
Abfall einzustufende - Sekundärrohstoffe sowohl die
Kreislaufwirtschaft als auch die Rohstoffversorgung in Österreich.
Eine Empfehlung des Finanzministeriums im Monitoringbericht vom Juni
2024 zum Masterplan Rohstoffe 2030 legt daher nahe, den Bahnzwang zu
überdenken. Demnach ist der in Österreich verpflichtende
Abfalltransport auf der Schiene für das Metallrecycling in der Praxis
nachteilig und es wird mehr CO2 emittiert als eingespart.
Darüber hinaus bestehen verfassungsrechtliche Bedenken gegen den
Bahnzwang, die von den betroffenen Unternehmen im Individualantrag
geltend gemacht werden: Der Bahnzwang verstoße gegen den
Gleichheitssatz, die Erwerbs- und Eigentumsfreiheit sowie das
Legalitätsprinzip. Zudem sei die Maßnahme unverhältnismäßig, da der
versprochene Nutzen in keinem Verhältnis zu den wirtschaftlichen
Nachteilen und der Störung der Kreislaufwirtschaft stehe. Dies wurde
bereits im Vorfeld von den Branchenvertretern der Wirtschaftskammer
in einem Rechtsgutachten an das BMK Ende 2022 ausgeführt.
„Die Erfahrungen mit dem Bahnzwang haben gezeigt, dass die damit
verbundene einseitige Belastung von Sekundärrohstoffen - und damit
auch der auf eine termingerechte Versorgung mit Sekundärrohstoffen
angewiesenen Papier-, Holz- und Metallindustrie - im Hinblick auf den
umweltpolitisch gewünschten Einsatz von Sekundärmaterial
kontraproduktiv, sachlich nicht gerechtfertigt und nachteilig für
eine funktionierende Kreislaufwirtschaft ist. Die Maßnahme ist
überdies unverhältnismäßig, führt zu erheblichen wirtschaftlichen
Nachteilen und schwächt letztlich das gesamte umweltorientierte
Wertschöpfungssystem“, betont Siegfried Menz , Bundesspartenobmann
Industrie in der Wirtschaftskammer Österreich.
Ziel des Individualantrages ist es, diese massive
Ungleichbehandlung von Primär- und Sekundärrohstoffen durch Aufhebung
der AWG-Bestimmung zu beenden und wieder rechtssichere,
praxistaugliche Rahmenbedingungen für die österreichische Abfall- und
Recyclingwirtschaft sowie die verarbeitende Industrie herzustellen.
Damit soll langfristig ein effizienter, ressourcenschonender und
umweltfreundlicher Kreislauf sichergestellt werden, von dem alle
Beteiligten - und nicht zuletzt die Umwelt - profitieren. (PWK482/ES)
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