19.12.2024, 5428 Zeichen
Wien (OTS) - Der Fachverband Lebensmittelhandel in der
Wirtschaftskammer
Österreich wendet sich mit einem offenen Brief an den Verein für
Konsumenteninformation (VKI), um Mängel in der heute veröffentlichten
Studie aufzuzeigen. Denn nur die nackten Zahlen anzuführen, greift zu
kurz und verzerrt das Bild der Branche in der Öffentlichkeit.
Der offene Brief im Wortlaut:
Sehr geehrte Damen und Herren des VKI,
Ihre jüngste Erhebung zu den Lebensmittelpreisen in Österreich
und Deutschland hat zweifellos das Potenzial, eine Diskussion
anzustoßen - doch der zugrunde liegende Vergleich greift eindeutig zu
kurz. Wesentliche Hintergründe und Rahmenbedingungen bleiben
unerwähnt, was weder den Konsument:innen noch der sachlichen Debatte
gerecht wird. Ohne die dahinterliegenden Strukturen und Bedingungen
zu berücksichtigen, führt dies die Öffentlichkeit in die Irre.
Preisunterschiede haben Gründe, die Ihre Analyse ausklammert
1. Wettbewerb funktioniert - trotz hoher Marktkonzentration
Ja, die Marktkonzentration im österreichischen Lebensmittelhandel ist
höher als in Deutschland. Doch eine konzentrierte Marktstruktur
bedeutet nicht, dass es keinen Wettbewerb gibt - ganz im Gegenteil:
Die Bundeswettbewerbsbehörde hat in einer umfassenden Analyse klar
bestätigt, dass der Wettbewerb im österreichischen Lebensmittelhandel
intensiv ist. Und die Fakten sprechen für sich: Die
Umsatzrentabilität im Handel ist zuletzt auf unter 1 % gesunken. Von
100 Euro Einkaufswert verbleibt also weniger als 1 Euro Gewinn vor
Steuern - ein „Körberlgeld“ sieht anders aus. Für ein kleines Land
wie Österreich ist eine stärkere Konzentration übrigens nicht
ungewöhnlich. Das zeigt sich in vielen anderen Branchen ebenso.
2. Die Geografie macht einen Unterschied
Die flachen, dicht besiedelten Regionen Deutschlands ermöglichen eine
Versorgung durch wenige, dafür große Märkte mit breiten
Einzugsgebieten. In Österreich ist die Situation grundlegend anders:
Hier sorgt der Handel dafür, dass auch abgelegene ländliche und
alpine Regionen flächendeckend versorgt werden. Dafür ist eine
Vielzahl kleinerer Filialen notwendig - eine Infrastruktur, die
naturgemäß höhere Kosten verursacht. Sollen wir hunderte Standorte
schließen und tausende Arbeitsplätze abbauen, um „deutsche“ Preise zu
erzielen? Das kann und darf keine Lösung sein. Ein Vergleich mit der
Schweiz wäre hier deutlich naheliegender: Beide Länder haben ähnliche
geografische Herausforderungen und Strukturen im Einzelhandel. Doch
ein solches Ergebnis würde wohl nicht in das Narrativ Ihrer Analyse
passen.
3. Energiepreise gehören zu den höchsten in Europa
Der Betrieb von Supermärkten ist energieintensiv - von Beleuchtung
über Kühlung bis zu Backstationen. Leider gehören die Strompreise in
Österreich zu den höchsten in Europa. Diese Belastung trifft jedoch
nicht nur die Supermärkte direkt, sondern zieht sich durch die
gesamte Wertschöpfungskette. Vom landwirtschaftlichen Betrieb über
die Produktion und Logistik bis hin zur Lagerung entstehen höhere
Kosten, die am Ende zwangsläufig in den Supermarktregalen sichtbar
werden. Konsument:innen nehmen die Auswirkungen dieser hohen
Energiekosten also erst am Ende der Wertschöpfungskette wahr, sie
entstehen jedoch entlang der gesamten Kette.
4. Höhere Löhne bedeuten höhere Preise
Österreich ist glücklicherweise ein wohlhabendes Land mit hohen
Löhnen - ein Privileg, das uns soziale Sicherheit und Stabilität
gibt. Für den Handel, der besonders personalintensiv ist, stellen
diese Lohnkosten jedoch einen zentralen Faktor dar. Hinzu kommen die
hohen Lohnnebenkosten, die eine erhebliche Belastung darstellen. Hier
sehen wir dringenden Handlungsbedarf, den eine künftige Regierung
angehen sollte.
5. Qualität und Regionalität haben ihren Preis
Der österreichische Lebensmittelhandel setzt bewusst auf Regionalität
und Qualität. Mit diesem Ansatz fördern wir eine kleinstrukturierte
Landwirtschaft, die sich von der Billigware aus internationalen
Großbetrieben deutlich unterscheidet - im Preis, aber vor allem in
der Qualität. Unsere Konsument:innen wissen das zu schätzen und
akzeptieren in vielen Fällen einen etwas höheren Preis für die
gebotene Qualität.
6. Internationale Markenartikel sind im Einkauf teurer
Ein wesentlicher Punkt, den Ihre Analyse nicht anspricht, sind die
territorialen Lieferbeschränkungen. Österreich ist ein kleiner Markt,
weshalb der Handel oft schlechtere Einkaufskonditionen bei
internationalen Markenartikelherstellern erhält als Deutschland, das
für diese Hersteller ein strategisch bedeutender Markt ist. Diese
strukturelle Benachteiligung wurde sowohl von der
Bundeswettbewerbsbehörde als auch von der Arbeiterkammer als eine der
Hauptursachen für höhere Preise identifiziert.
Pauschale Vergleiche helfen niemandem
Ja, Lebensmittel sind in Österreich etwas teurer - aber nicht, weil
der Handel „abkassiert“, sondern weil die Rahmenbedingungen hier
andere sind. Wer diese Hintergründe ausblendet, spielt mit der
Wahrnehmung der Öffentlichkeit und schadet am Ende den
Konsument:innen.
Gerade in der Weihnachtszeit, die für Zusammenhalt und
gegenseitiges Verständnis steht, sollten wir uns darauf besinnen,
sachlich und fair zu argumentieren. Lassen Sie uns gemeinsam daran
arbeiten, den Konsument:innen die tatsächlichen Zusammenhänge zu
vermitteln - im Sinne einer transparenten und ehrlichen Diskussion.
Mit freundlichen Grüßen,
Christian Prauchner, Obmann des Bundesgremiums Lebensmittelhandel
in der WKÖ
(PWK483/DFS)
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