24.04.2024,
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Brüssel (OTS) - Der amerikanische Fortune-500-Konzern Broadcom hat,
nachdem die EU-Kommission ihn zu seinen mutmaßlich
wettbewerbswidrigen Praktiken am Cloud-Markt befragt hatte,
geringfügige Änderungen seiner Lizenzpolitik versprochen. Diese
erweisen sich bei näherer Betrachtung jedoch als reine
Alibi-Maßnahme: die zentralen Probleme, die die europäische
Cloud-Infrastruktur bedroht, adressieren sie nicht.
Broadcom hatte im Zuge seiner Übernahme der Software-Firma VMware
alle Kundenlizenzen gekündigt, obwohl nahezu alle Cloud-Systeme
Europas von VMware-Technologien abhängig sind. Dabei hat Broadcom mit
dem 30. April 2024 eine derart kurze Kündigungsfrist gesetzt, dass
den meisten Kunden nicht genügend Zeit für einen Umstieg auf einen
Alternativanbieter bleibt. Somit haben die meisten europäischen
Cloud-Provider keine andere Wahl, als die neuen Lizenz-Verträge von
Broadcom zu unterzeichnen, deren Preise um bis zu das Zwölffache
erhöht wurden. Kunden werden des Weiteren zu einer mindestens
dreijährigen Bindung verpflichtet. Viele unabhängige europäische
Cloud-Provider können sich die neuen Summen nicht leisten und sind in
ihrer Existenz bedroht.
Zwtl.: Broadcoms neue Versprechungen stellen sich als Alibi-Maßnahmen
heraus
Nun versucht Broadcom, die Wogen mithilfe von neuen Versprechungen
zu glätten. Das Angebot, den Zero-Day-Patch-Support für Kunden mit
bestehenden unbefristeten Lizenzen fortzusetzen, ist in seiner
Beschränktheit eine Beleidigung. Das Versprechen, kritische
Softwarefehler im Produkt zu beheben, gilt außerdem nur für Kunden,
die die neuen, verteuerten Lizenz-Verträge unterzeichnen und grenzt
somit an Erpressung. Diese Versprechungen sind reine Alibi-Maßnahmen
und lösen das zentrale Problem der massiven Teuerung bei massivem
Zeitdruck nicht. Sie mindern nicht den Schaden, den Broadcom der
unabhängigen Cloud-Infrastruktur Europas zufügt.
Broadcom besteht des Weiteren trotz gegenteiliger Beweise darauf,
dass die neuen VMware-Preise niedriger seien als vor der Übernahme.
Die neuen Lizenzbedingungen, die verpflichtenden Bündelungen, die
veränderte Abrechnungsgrundlage und die Streichung diverser beliebter
Produkte bedeuten, dass die Preise um das bis zu Zwölffache gestiegen
sind. Das bestätigen nicht nur die Erfahrungen der CISPE-Mitglieder,
sondern auch jene unzähliger anderer VMware-Kunden.
Zwtl.: Wie eine Taxifahrt, die im Voraus bezahlt werden muss
In einem letzte Woche veröffentlichten Blog-Post versucht Hock
Tan, CEO von Broadcom, Kunden, Partner und Investoren zu beruhigen.
Broadcom versucht gezielt, die brutalen neuen Lizenzpraktiken als
wettbewerbs- und innovationsfördernd darzustellen, da man ein
Abonnement-Lizenzkonzept einführe. Dies verschleiert die
angesprochenen Hauptprobleme. Das Modell der Abonnement-Lizenzen
stellte nie das Hauptproblem dar – die CISPE-Mitglieder sowie ihre
Kunden nutzen es bereits. Auf das tatsächliche Problem des neuen
Abonnement-Lizenzierungsmodells von Broadcom geht Hock Tan nicht ein.
Grundanforderung einer Abonnement-Lizenzierung ist es, flexible
Pay-as-you-go-Modelle zu ermöglichen, die Kunden und Anbietern
helfen, Ressourcen nach Bedarf zu skalieren. Die neuen Bedingungen
von Broadcom stellen das Gegenteil dar und sind in ihrem Kern
Cloud-feindlich. Sie zwingen die Partner, sich langfristig zu
verpflichten und im Voraus für Kapazitäten zu bezahlen, die sie
möglicherweise nie benötigen. Anstatt nach tatsächlichem Verbrauch zu
zahlen, wie es bei Cloud-Infrastrukturen und VMware stets üblich war,
bestehen Broadcoms neue Bedingungen auf einer Vorausverpflichtung im
Wert von drei Jahren. Berechnet wird diese Vorausverpflichtung anhand
der Serverkerne, die hypothetisch genutzt werden könnten.
Für die betroffenen europäischen Cloud-Provider ist dies, als
würde ein Taxibetreiber verlangen, dass man im Voraus für alle
Fahrten zahlen müsse, die man in den nächsten 3 Jahren hypothetisch
buchen könnte. Die unlauteren Lizenzierungspraktiken
marktbeherrschender Softwareunternehmen wie Broadcom untergraben den
grundlegenden Wert der Cloud: die Fähigkeit, Dienste flexibel
bereitzustellen, wann und wo ein Kunde sie braucht.
Zwtl.: Formelle Ermittlungen der EU-Kommission sind erforderlich
Broadcom hat seine geringfügigen Zugeständnisse als Beweis dafür
angepriesen, dass man auf die Bedenken der Branche eingehe. Das am
14. April 2024 erfolgte Auskunftsverlangen der EU-Kommission an
Broadcom war nach Ansicht der CISPE wohl der entscheidende Auslöser
für die unbefriedigenden Beschwichtigungs-Maßnahmen. Weder unsere
Mitglieder noch die breitere Koalition von VMware-Kunden, mit denen
wir zusammenarbeiten, haben von einer direkten Kontaktaufnahme oder
einem Angebot von Broadcom berichtet, diese Bedingungen zu
diskutieren oder auszuhandeln.
Die CISPE begrüßt die Aktivitäten der Europäischen Kommission.
Monopolistischen Softwareunternehmen darf es nicht erlaubt sein,
Märkte mithilfe von unfairen Lizenzierungspraktiken zu ihren Gunsten
zu verzerren. Wenn marktbeherrschende Softwareanbieter mutwillig
„Gewinner“ und „Verlierer“ auswählen können, indem sie entscheiden,
wer ihre Software lizenzieren darf und wer nicht, ist dies eine klare
Form der Diskriminierung – seien es Broadcom, Microsoft oder andere
Anbieter.
Die CISPE fordert daher die Europäische Kommission und andere
Regulierungsbehörden auf, jetzt zu handeln, um dem Missbrauch Einhalt
zu gebieten, der Europas digitales Wachstum beeinträchtigt. Formelle
Untersuchungen sind dringend erforderlich.
Die CISPE wird weiterhin gemeinsam mit ihren
Partner-Organisationen in Europa, darunter dem französischen
Branchenverband Cigref, zusammenarbeiten, um Lösungen und
Alternativen für jene tiefgreifenden Probleme zu finden, mit denen
alle ehemaligen VMware-Kunden nun konfrontiert sind.
Zwtl.: Zitate
"Es ist uns klar, dass Broadcoms neue Versprechungen eine Reaktion
auf die rechtzeitige und präzise Intervention der Europäischen
Kommission sind. Diese Antwort von Broadcom ist beleidigend,
unbefriedigend und hat die Wut unserer Mitglieder nur noch verstärkt.
Was die europäische Digitalwirtschaft nun braucht, sind formelle
Untersuchungen der Regulierungsbehörden, um eine Rückkehr zu fairen
Lizenzierungsprinzipien auf dem gesamten Softwaremarkt
durchzusetzen."
Francisco Mingorance, Generalsekretär der CISPE
"Wir sind es leid, dass Broadcom uns vorschreibt, was gut für uns
ist. Wir sind es leid, Broadcoms Behauptungen über angeblich
niedrigere Preise zu lesen, während wir gleichzeitig einen
beispiellosen Anstieg der Lizenzkosten für VMware erleben, die
funktional in keiner Weise gerechtfertigt sind. Wir sind der
Geringschätzung und der harschen Behandlung unserer Mitglieder durch
Broadcom überdrüssig. Wir fordern die Europäische Kommission auf,
rasch und mit politischem Weitblick zu handeln und diese
Angelegenheit nicht allein dem Ermessen der Wettbewerbs-Techniker zu
überlassen, da sie nicht in deren Zuständigkeit fällt."
Henri d'Agrain, Generaldirektor des Cigref
"Für uns ist es, als würde man uns sagen, dass der
Herzschrittmacher, den wir zum Leben brauchen, plötzlich zwölfmal so
viel kostet. Wir könnten ihn zwar durch ein anderes Modell ersetzen,
aber dazu müssen wir zuerst eine Alternative finden, dann eine
Operation planen und nicht zuletzt Zeit für den Heilungsprozess
einkalkulieren. All das erfordert Zeit und Ressourcen, die uns
Broadcom durch seine kurzen Kündigungsfristen nicht zur Verfügung
stellt. Wir fordern eine sofortige Pause, um unsere Optionen und
Möglichkeiten prüfen zu können."
Alexander Windbichler, CEO von Anexia
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