19.03.2024,
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Wien (OTS) - Mit dem neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) soll
der österreichische Strommarkt ein neues „Betriebssystem“ erhalten.
Der lang erwartete Entwurf wurde in der Branche intensiv diskutiert:
In Summe sind 132 Stellungnahmen von Bundesländern, Unternehmen und
Interessensvertretungen sowie 1200 Einzelstellungnahmen im
Ministerium für Klimaschutz eingelangt. Am 18. März diskutierten die
Energiesprecher:innen der Parteien das Thema im Rahmen eines
Trendforums von Oesterreichs Energie.
Die Erwartungen an das neue Marktmodell sind hoch: Das ElWG ist
die nationale Umsetzung der längst überfälligen europäischen
Strombinnenmarkt-Richtlinie und soll wesentliche Bereiche der
Elektrizitätswirtschaft auf neue Beine stellen. Ministerin Leonore
Gewessler betonte im Zuge ihrer Eröffnungsrede die Bedeutung des
Gesetzes: „Sie alle haben lange auf den Entwurf des ElWG gewartet.
Umso mehr freut es mich, dass wir nun kurz vor der Umsetzung stehen.
Dieses Gesetz macht Stromversorgung widerstandsfähiger, flexibler und
klimafreundlicher. Mit den bereits beschlossenen Gesetzen und
Verordnungen ist schon viel geschafft. Die Energiewende hat Fahrt
aufgenommen – und diese Entwicklung ist nicht mehr umkehrbar. Jetzt
bringen wir mit dem ElWG auch das Betriebssystem auf die Höhe der
Zeit."
Netze als „Enabler“ der Energiewende
Das neue Gesetz ist ebenso umfangreich wie komplex: es beschreibt
die Grundprinzipien des Marktdesigns, definiert die Spielregen für
alle Akteure, streicht die Rolle der Netzbetreiber als „Enabler“ der
Energiewende hervor und schafft einen Ausbauturbo für die erneuerbare
Stromerzeugung. „Die zahlreichen Stellungnahme im Rahmen des
Begutachtungsverfahrens unterstreichen den Stellenwert dieses
Vorhabens", so Gewessler. Mit der zeitnahen Umsetzung der ElWG und
dem bereits hohen Anteil an erneuerbaren Energiequellen könne
Österreich eine Vorreiterrolle in der EU übernehmen.
Damit das „Update des Betriebssystems“ mit dem ElWG gelinge,
appellierte Gewessler die konstruktiven Kräfte zu bündeln und einen
Fokus auf das Wesentliche zu legen.
Michael Strugl, Präsident von
Oesterreichs Energie, und Barbara Schmidt, Generalsekretärin von
Oesterreichs Energie unterstrichen ebenso unisono, dass das Gesetz
noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden müsse. Strugl:
„Es geht hier um eine wirklich wichtige Weichenstellung für die
Transformation des gesamten Stromsektors. Wir brauchen dringend
moderne Rechtsgrundlagen und Rahmenbedingungen, die diesen Umbau
ermöglichen.“ „Wenn das in dieser Legislaturperiode nicht gelingen
sollte, verlieren wir hier mindestens ein Jahr, und die Zeit haben
wir nicht, wenn wir die Energiewende erreichen wollen“, ergänzte
Schmidt.
Gemeinsamkeiten im Vordergrund
Im Zuge der Podiumsdiskussion kündigte Lukas Hammer,
Energiesprecher der Grünen, die kommenden Wochen intensive Gespräche
auf politischer Ebene für das rasche Zustandekommen einer
Regierungsvorlage an. Grundsätzlich sah Hammer im Entwurf viele
Gemeinsamkeiten, „auch wenn etliche Details sicher noch intensiv
diskutiert werden.“ Er zeigte sich optimistisch, dass das Gesetz
dennoch Anfang Juli im Nationalrat beschlossen werden kann. Besonders
die monatliche Abrechnung und flexible Tarife sah Hammer, neben der
Definition des Begriffs Grundversorgung und der Ausarbeitung eines
Sozialtarifs, als wichtige Innovationen des ElWG. Der temporäre
flexible Netzzugang ist für Hammer eine Grundvoraussetzung dafür,
dass tatsächlich alle Betreiber – auch die kleinen – Strom einspeisen
könnten, auch „wenn wir über die Höhe sicher noch reden können“.
Ökonomische Ziele abgedeckt
Joachim Schnabel, Sprecher für Wasserstoff der ÖVP betonte, dass
die unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Akteure der
E-Wirtschaft im Gesetzesentwurf gut abgedeckt seien. Ein Fokus müsse
unbedingt „auf der Versorgungssicherheit und Standortsicherheit
liegen“. Kosten müssten so gestaltet werden, dass Standort,
Wirtschaft, Arbeitsplätze und Wertschöpfung gesichert würden und
erhalten blieben. Gerade die Dynamik dieses Prozesses werde auch in
Zukunft Anpassungen und Novellierungen notwendig machen, darauf müsse
man vorbereitet sein. Die Digitalisierung ist „das Um und Auf, um ein
zukunftsfittes Gesamtsystem zu ermöglichen“. Besonders ein
transparentes und effizientes Datenmanagement sei in Zukunft ein
wichtiges Instrument, um die Netze planen und ausbauen zu können.
Soziale Gestaltung der Energiewende
Alois Schroll, Energiesprecher der SPÖ, bestätigte die
Notwendigkeit einer zeitgemäßen gesetzlichen Grundlage, forderte aber
für die Zustimmung seiner Partei, dass Konsument:innen von den Kosten
der Energiewende entlastet werden. Die Energiewende müsse sozial
gestaltet sein. Aus seiner Sicht gäbe es daher vor einem Beschluss
noch „viel Gesprächsbedarf“. Schroll begrüßte die Möglichkeiten für
neue Marktteilnehmer, Grundvoraussetzung dafür sei aber der Ausbau
der Netze. Diesen Ausbau habe die Regierung „bislang verschlafen“.
Als weiteres Beispiel für „vertane“ Chancen bei Wachstum und
Beschäftigung, sah Schroll das weiterhin offene
Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz. Schroll begrüßte eine
starke Position des Regulators E-Control, verlangte aber weiterhin
einen „Gestaltungsspielraum für die Politik“ im Sinne einer
Demokratisierung des Energiesystems.
Verstärkte Transparenz
Karin Doppelbauer, Energiesprecherin der NEOS, lobte den
ElWG-Entwurf als „sehr gute Basis“. Aus Sicht der NEOS sei der darin
vorgesehene Ausbau der Netze von enormer Bedeutung, das Gesetz könne
aber letztlich nur funktionieren „wenn auch die Menschen mitgenommen
werden – und zwar auf allen Ebenen“. Doppelbauer forderte darüber
hinaus mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt und begrüßte in diesem
Zusammenhang die Möglichkeiten für neue Marktteilnehmer. Sie traute
den Kund:innen Eigenverantwortung in Hinblick auf die variable
monatliche Abrechnung zu, es brauche aber eine klare und transparente
Darstellung von Steuern und Gebühren auf den Rechnungen. Generell
verlangte Doppelbauer weniger politische Ideologie in Zusammenhang
mit dem Ausbau der Strom-Infrastruktur, schließlich sei leistbare
Energie eine Grundvoraussetzung für Wachstum und Wohlstand. In diesem
Zusammenhang forderte Doppelbauer rasch ein gesamthaften
Infrastruktur-Ausbauplan.
Entscheidungen müssen gut überlegt sein
Gerhard Deimek, Nationalratsabgeordneter der FPÖ zeigte sich von
vielen Punkten im Entwurf positiv überrascht. Dennoch sei
Klimaneutralität gleich wichtig wie Versorgungssicherheit und
wirtschaftliche Preise. Der Ausbau von Erneuerbaren müsse vernünftig
erfolgen und dürfe keine unnötigen Belastungen von Konsumenten und
Produzenten schaffen. Auch die Digitalisierung sah Deimek als
essenziell, allerdings müsse der Fokus z.B. beim Smart Meter – und
hier konkret die Rückmeldung an den Energieversorger – auf einer
technologiekonformen Umsetzung liegen und weniger auf einer schnellen
Lösung. Dies sei notwendig, um das Gesetz auf zukunftsfähige Beine zu
stellen. Strategisch sollten auch in Zukunft gewisse Entscheidungen
der Politik vorbehalten bleiben und der Regulator als Abwickler
agieren.
Ziel der Regierung ist es, das Elektrizitätswirtschaftsgesetz bis
zum Sommer im Parlament zu beschließen. Um das Energiesystem bei
laufendem Betrieb umbauen zu können und dennoch leistbar, sicher und
sauber zu gestalten, benötige es neben einem raschen Beschluss des
ElWG weitere Schritte, betonte Barbara Schmidt zum Abschluss der
Veranstaltung. Besonders im Hinblick auf das
Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetz warte die Branche aktuell
auf weitere Schritte.
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