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05.12.2012, 8783 Zeichen

Aus: Fachheft 3

„Weltspartag für Aktien und Anleihen muss her“

IV-Präsident Georg Kapsch würde mit Kapsch TrafficCom „jederzeit wieder“ an die Börse gehen. Im Fachheft-Talk liefert der Kritiker der derzeitigen FTS-/WP-KESt-Versionen erfrischende Ideen.

Herr Kapsch, im Mai 2012 hatten Sie anlässlich des Wiener Börse Preises im Kursalon Hübner eine viel beachtete Rede gehalten. Ja, Sie würden mit Kapsch TrafficCom wieder an die Börse gehen, sagten Sie, Ihre Firma sei z.B. durch das IPO ein ganz anders wahrgenommener Arbeitgeber geworden. Man müsse sich auch viel stärker disziplinieren, wenn man Dritte als Miteigentümer habe. Was tut die IV bzw. was kann die IV überhaupt tun, um mehr Firmen für die Börse zu interessieren?

Georg Kapsch: Ich habe bei dem Wiener Börse Preis gesagt, was ich auch an dieser Stelle wiederholen möchte: Der Kapitalmarkt ist für Unternehmen wesentlich. Durch das IPO an der Wiener Börse haben sich unsere Möglichkeiten zur Umsetzung der Unternehmensstrategie extrem verbreitert. Der Gang an den Kapitalmarkt ist kein einfacher, aber dadurch haben wir gelernt, uns den weltweit besten Unternehmensstandards anzupassen. Die Attraktivitätssteigerung unseres Unternehmens war nicht nur für Investoren, sondern auch für unsere direkten Abnehmerinnen und Arbeitnehmer stark bemerkbar. Natürlich wird auch medial zielgerichteter über das Unternehmen berichtet und zum Beispiel das Unternehmen als Arbeitgeber durch unsere gute Corporate Governance interessant. Das zusätzliche Maß an Transparenz durch eine Börsennotierung hat uns insgesamt sehr gut getan. Um zu Ihrer Frage betreffend Disziplin zu kommen: Gut gelebte Disziplin, die transparent für Miteigentümer ist, ist ein Muss für börsennotierte Unternehmen.

Die Stärkung des österreichischen Kapitalmarkts ist ein wichtiger Kernpunkt der Arbeit der Industriellenvereinigung. Der gegenwärtige Ist-Zustand muss verbessert werden: Die Politik ist aufgefordert, ihre oft aus Unverständnis oder ideologischer Voreingenommenheit bestimmte Haltung gegenüber dem Kapitalmarkt und die damit zusammenhängende Kommunikation zu revidieren. Derzeit suggeriert die Politik vielfach den kontraproduktiven Eindruck, als wäre die Börse ein Glücksspielunternehmen. Das wirkliche Glücksspiel am Kapitalmarkt spielt sich primär im außerbörslichen Bereich ab.

Ja, die extrem kapitalmarktfeindliche Haltung der Politik ist ein grosses Problem; die Wiener Börse spricht mit Politikern, auch das Aktienforum probiert mit Politiker-Workshops ein Umdenken herbeizuführen. Die Politiker blocken alles ab. Wo kann man Ihrer Meinung nach ansetzen, um in Zeiten von ‚Basel III‘ die Eigenkapitalaufnahme über die Börse wieder aus dem Spekulantenlicht zu rücken?

Kapsch: Meiner Meinung nach sollte im ers-ten Schritt an den eben erwähnten Stellen angesetzt werden. Es bedarf vor allem auch einer koordinierten Aktion und eines gemeinsamen Wollens aller Beteiligten: Emittenten, Wiener Börse und die Bundesregierung mit eingenommen. Dadurch zeigen wir, dass wir ein gemeinsames Bekenntnis pro-Kapitalmarkt haben, das ist bislang nicht der Fall. Dies verkennt, dass börsliche Kapitalmärkte eine der wichtigsten Quellen zur Aufbringung großer Volumina von Eigen- und Fremdkapital darstellen, um entweder die Krisenresis-tenz und damit die Insolvenzwahrscheinlichkeit von Unternehmen zu verringern oder den Investitionsspielraum derselben zu erweitern. Ein gut regulierter und funktionierender Kapitalmarkt ist also ein Zeichen einer hoch entwickelten Volkswirtschaft. Die Industriellenvereinigung hat in ihrem ‚Wirtschaftspolitischen Diskurs‘ dieses Thema aufgegriffen und regt unter anderem an:

• Weltspartag für Aktien und Anleihen
• Umfassende Informationskampagne zum Thema Kapitalmarkt
• Ablehnung der Wiedereinführung einer Börsenumsatzsteuer
• Vorbörsliche Kapitalmarktinfrastruktur (Venture Capital Fonds, Mezzanin-Finanzierung) stärken
• Nutzung von vorhandenen Privatisierungspotenzialen
• Streichung der Gesellschaftssteuer.

Das Aktienforum hat vor Kurzem eine Studie zur Stärkung der Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit des österreichischen Kapitalmarkts präsentiert, die wir vollinhaltlich begrüßen. Es bedarf vor allem einer besseren Kommunikation, um die Vorteile des Kapitalmarkts hervorzuheben.

Sie gelten als scharfer Kritiker der Finanztransaktionssteuer …

Kapsch: Die Industriellenvereinigung und das Aktienforum haben Anfang November gemeinsam eine Stellungnahme zur Finanztransaktionssteuer abgegeben. Darin sprechen wir uns als Vertreter der österreichischen kapitalmarktorientierten Unternehmen klar gegen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in der derzeitigen Konzeption der EU-Kommission aus, wenngleich ich kein grundsätzlicher Gegner der Finanztransaktionssteuer bin. Die Ausgestaltung derzeit ist jedoch hochproblematisch. Es gibt Studien, die die negativen Folgen einer FTS darlegen. So zeigt z.B. eine Studie aus den Niederlanden auf, dass eine solche Steuer die dortigen Pensionskassen jährlich mit 1,7 Milliarden Euro belasten würde und auch zu zusätzlichen Kosten für Versicherte in Millionenhöhe führen würde. Wir wissen, dass die zweite Säule der Pensionsvorsorge gestärkt und nicht durch die Einführung einer FTS geschwächt werden soll, auch in Österreich. Eine Studie aus Frankreich zeigt, dass sich nach der Umsetzung der FTS die Aktienumsätze gegenüber dem Vormonat um ein Viertel reduzierten; besonders betroffen waren die Umsätze in KMU-Segmenten.

Und dann wäre da noch der Punkt mit den ‚Dark Pools‘ …

Kapsch: Genau, wir sind der Überzeugung, dass eine FTS auf keinen Fall zu einer Schlechterstellung des Börsenhandels gegenüber Dark Pools führen darf. Es heißt, die Steuer würde Spekulation eindämmen. Allerdings wird dieses Ziel nicht mit der vorliegenden Konzeption erreicht, denn der außerbörsliche Handel bleibt weiterhin nicht erfasst.

Wir sehen folgende negative Auswirkungen bei der Besteuerung von Finanztransaktionen im derzeit in Diskussion befindlichen Konzept:

• Verteuerung der Unternehmensfinanzierung (Wachstums-, Beschäftigungs- und Wohlstandsverluste)
• Abwanderungseffekte
• Lenkungseffekt: Liquidität an Börsen leidet, dadurch schwerwiegende Folgen für Realwirtschaft
• Wachstums- und beschäftigungspolitischer Kollateralschaden von bis zu 1,76 Prozent des BIP bzw. 500.000 Arbeitsplätzen in der EU gemäß Auswirkungsstudie der EU-Kommission.

Das Ziel ‚Eindämmung von Spekulation‘ kann dann möglicherweise erreicht werden, wenn einige Grundvoraussetzungen erfüllt sind – nämlich breitere Einbeziehung: EU-weit und über die EU hinaus, Handelsplatzneutralität; außerbörsliche Plattformen dürfen nicht besser gestellt werden. Hochfrequenzhandel könnte durch eine FTS besteuert werden. Es muss ein Ende der Diskriminierung von originären Finanzierungsinstrumenten wie Aktien und Anleihen geben. Und es geht um die Mittelverwendung zur Stärkung des geregelten Handels.

Und wie sehen Sie die Kursgewinnbesteuerung, die dazu geführt hat, dass der österreichische Privatanleger der Wiener Börse mittlerweile fast vollkommen fern bleibt?

Kapsch: Die Wertpapier-KESt ist ein weiteres negatives Signal an den österreichischen Kapitalmarkt. Die negativen Auswirkungen der Einführung waren klar zu beobachten. Natürlich ist nicht nur die Wertpapier-KESt das große Übel eines schwachen Kapitalmarkts. Es sollten allerdings positive Anreize gesetzt werden, die den Kapitalmarkt für Anleger attraktiver machen.

Themenwechsel: Zukunftssicherung und Bildungswesen sind Ihnen große Anliegen. Was sind Ihre Ideen dazu?

Österreich benötigt eine aktive Bildungspolitik. Die Unternehmen leisten ihren Beitrag – haben sie sich ursprünglich nur für die Ausbildung am Job verantwortlich gefühlt, tun sie jetzt viel mehr, weil das Bildungssystem versagt. Wir übernehmen in den Betrieben mittlerweile Bildungsaufgaben, um den Menschen Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen. Aber wir müssen Potenziale heben, statt das Bildungssystem durch neue Belas-tungen zu finanzieren. Unsere Abgabenquote beträgt über 42 Prozent, und die Kosten pro Schüler liegen 30 Prozent über dem OECD-Schnitt. Da muss doch etwas zu heben sein.

(Fragen: Christian Drastil)

About Fachhefte: Mit den jeweils achtseitigen Fachheften möchte Christian Drastil Comm. aktuelle Trends und B2B-Themen rund um die Wiener Börse aufgreifen. Nach dem Motto: B2B, aber auch für interessierte “private” Leser offen. Die Fachhefte gibt es in “Print” (für Events, etc.), als PDF und als Digital Paper, die starken Zugriffe darauf sieht man u.a. HIER (externe Quelle “Issuu”). Die Fachhefte umfassen stets acht Seiten. Bisher sind drei Fachhefte erschienen, die Nr. 4 kommt am 21.Dezember, im Jahr 2013 wird monatlich ein Fachheft-8-Seiter produziert. Dazu Sondernummern: Zu Jahresbeginn 2013 etwa ein Steuerspecial.

-> Fachheft 1
-> Fachheft 2
-> Fachheft 3




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1. Georg Kapsch (c) Markus Prantl

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    Die Stärkung des österreichischen Kapitalmarkts ist ein wichtiger Kernpunkt der Arbeit der Industriellenvereinigung. Der gegenwärtige Ist-Zustand muss verbessert werden: Die Politik ist aufgefordert, ihre oft aus Unverständnis oder ideologischer Voreingenommenheit bestimmte Haltung gegenüber dem Kapitalmarkt und die damit zusammenhängende Kommunikation zu revidieren. Derzeit suggeriert die Politik vielfach den kontraproduktiven Eindruck, als wäre die Börse ein Glücksspielunternehmen. Das wirkliche Glücksspiel am Kapitalmarkt spielt sich primär im außerbörslichen Bereich ab.

    Ja, die extrem kapitalmarktfeindliche Haltung der Politik ist ein grosses Problem; die Wiener Börse spricht mit Politikern, auch das Aktienforum probiert mit Politiker-Workshops ein Umdenken herbeizuführen. Die Politiker blocken alles ab. Wo kann man Ihrer Meinung nach ansetzen, um in Zeiten von ‚Basel III‘ die Eigenkapitalaufnahme über die Börse wieder aus dem Spekulantenlicht zu rücken?

    Kapsch: Meiner Meinung nach sollte im ers-ten Schritt an den eben erwähnten Stellen angesetzt werden. Es bedarf vor allem auch einer koordinierten Aktion und eines gemeinsamen Wollens aller Beteiligten: Emittenten, Wiener Börse und die Bundesregierung mit eingenommen. Dadurch zeigen wir, dass wir ein gemeinsames Bekenntnis pro-Kapitalmarkt haben, das ist bislang nicht der Fall. Dies verkennt, dass börsliche Kapitalmärkte eine der wichtigsten Quellen zur Aufbringung großer Volumina von Eigen- und Fremdkapital darstellen, um entweder die Krisenresis-tenz und damit die Insolvenzwahrscheinlichkeit von Unternehmen zu verringern oder den Investitionsspielraum derselben zu erweitern. Ein gut regulierter und funktionierender Kapitalmarkt ist also ein Zeichen einer hoch entwickelten Volkswirtschaft. Die Industriellenvereinigung hat in ihrem ‚Wirtschaftspolitischen Diskurs‘ dieses Thema aufgegriffen und regt unter anderem an:

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    • Verteuerung der Unternehmensfinanzierung (Wachstums-, Beschäftigungs- und Wohlstandsverluste)
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    Kapsch: Die Wertpapier-KESt ist ein weiteres negatives Signal an den österreichischen Kapitalmarkt. Die negativen Auswirkungen der Einführung waren klar zu beobachten. Natürlich ist nicht nur die Wertpapier-KESt das große Übel eines schwachen Kapitalmarkts. Es sollten allerdings positive Anreize gesetzt werden, die den Kapitalmarkt für Anleger attraktiver machen.

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