16.07.2024, 9884 Zeichen
Man kann es drehen und wenden, wie man will. Die Antwort auf die marode Infrastruktur, den fortschreitenden Klimawandel und die gesellschaftliche Überalterung kann nur lauten: Investieren, Bauen und Sanieren.
Durststrecke bald überwunden?
Deutlich gestiegene Finanzierungskosten sowie Bürokratie und Fachkräftemangel haben in der europäischen Baubranche das Wachstum gebremst und in manchen Ländern zu sinkenden Bauinvestitionen geführt – insbesondere im Wohnungsbau, gerade dort, wo in vielen europäischen Städten und Regionen ein akuter Mangel zu beklagen ist. Trotz des enormen Bedarfs an bezahlbarem Wohnraum befindet sich in den beiden EU-Mitgliedsländern Deutschland und Frankreich die Zahl der Baugenehmigungen seit Monaten auf Talfahrt.
Es bleibt zu beobachten, wie börsennotierte Bauunternehmen auf diese Marktlage an den Börsen reagieren. Zum einen verfügen einige Titel dieses Sektors über gut gefüllte Auftragsbücher, die insbesondere bei großen Bauprojekten durch ihre langfristige Natur überzeugen. Zum anderen dürften die vorherrschenden Megatrends über kurz oder lang die geschäftlichen Perspektiven in der europäischen Baubranche wieder aufhellen.
Megatrend Klimawandel
Die Europäische Union will den Klimaschutz forcieren. So zielt zum Beispiel der „European Green Deal“ darauf ab, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Zu den Plänen und Maßnahmen zählen u.a.: das Fit for 55-Paket, die Renovierungswelle (Energieeffizienz von Gebäuden), die Förderung der Elektromobilität sowie des Natur- bzw. Biodiversitätsschutz. Viele Experten betrachten die geplante Renovierungswelle für die Bauindustrie als sehr positiv.
Megatrend Demografischer Wandel
Seit Jahrzehnten wird auf die vorprogrammierte Überalterung der europäischen Bevölkerung und die daraus resultierenden Herausforderungen hingewiesen. Laut einer Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) fehlen in Deutschland 2,4 Millionen altersgerechte Wohnungen. Aktuell existieren laut Studie gerade einmal 560.000 barrierefreie Wohnungen. Für das Jahr 2035 berechnet die KfW einen Bestand an 1,7 Millionen altersgerechten Wohnung.
Megatrend Digitalisierung
Um Europas Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich zu verbessern, sind hohe Investitionen in neue Halbleiter-Fabriken sowie verbesserte Mobilfunk- bzw. Glasfasernetze nötig. Außerdem muss aufgrund des gegenwärtig zu beobachtenden Decoupling-Trends mit Blick auf China und andere autokratische Staaten der Ausbau europäischer Kommunikations- und Datenzentren vorangetrieben werden.
EUROCONSTRUCT – ein wichtiger Anbieter von Bau- und Wirtschaftsdaten in Europa – veröffentlichte im Juni seine fast 200 Seiten starke halbjährlich erscheinende Marktstudie zur aktuellen Lage und den Perspektiven der europäischen Baubranche in 15 westeuropäischen und vier osteuropäische Ländern. Deren Tenor kann man folgendermaßen zusammenfassen: Sowohl für Westeuropa (EC-15) als auch für Osteuropa (EC-4) kann man endlich Licht am Ende des Tunnels ausmachen. So prognostiziert das Netzwerk verschiedener europäischer Forschungs- und Beratungsinstitute – nach zwei enttäuschenden Jahren –ab dem kommenden Jahr ein Comeback des Wachstums in der Baubranche.
In Westeuropa soll sich der jährliche Zuwachs auf 1,2 Prozent (2025) bzw. 1,5 Prozent (2026) belaufen. Die Wachstumsprognosen für die vier osteuropäischen Ländern Tschechien, Ungarn, Polen und Slowakei fallen mit durchschnittlich 3,8 Prozent (2025) bzw. 5,7 Prozent (2026) signifikant höher aus. Ihnen trauen die Analysten sogar zu, den Trendwechsel mit plus 1,2 Prozent bereits in diesem Jahr zu vollziehen. Mit Blick auf sämtliche Länder (EC-19) erwarten die Experten für 2025 ein durchschnittliches Wachstum der europäischen Baubranche in Höhe von 1,3 Prozent und für 2026 ein Plus von 1,8 Prozent.
Erfolg basiert auch auf Tradition
Neben der Analyse harter Zahlen und Kennziffern bietet sich bei börsennotierten Bautiteln die Berücksichtigung qualitativer Faktoren an. Einige dieser Firmen können auf eine ausgesprochen lange Firmenhistorie zurückblicken, was einiges über deren Fähigkeit verrät, Krisen nicht nur zu bewältigen, sondern daraus auch gestärkt hervorzugehen.
Der französische Baukonzern Bouygues wurde bspw. 1952 gegründet und gilt innerhalb des CAC-40-Index mit über elf Milliarden Euro zwar als der „Bautitel“ mit der zweithöchsten Marktkapitalisierung, allerdings ist das Unternehmen auch in den Branchen Immobilien, Medien und Telekommunikation aktiv. Einen deutlich höheren Marktwert weist mit Blick auf Frankreich Vinci (57,4 Milliarden Euro) aus. Das Unternehmen, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1899 zurückreichen, kann auch nicht als reines Bauunternehmen bezeichnet werden, da es als Betreiber von Autobahnen, Mautstraßen, Flughäfen, Stadien und anderen Veranstaltungsorten fungiert. Außerdem bietet das Unternehmen Lösungen in den Bereichen Energie, Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Industrie- und Gebäudetechnik an.
Einen deutlich stärkeren direkten Bezug zur Baubranche kann man den folgenden Unternehmen aus Deutschland bzw. Österreich attestieren: Hochtief (gegründet 1873), und PORR (gegründet 1869). Sie überstanden neben unzähligen Krisen sogar zwei Weltkriege. Das letztgenannte Unternehmen zeichnet sich dadurch aus, dass ein großer Teil des Geschäfts in den Segmenten Hochbau sowie Tiefbau & Infrastruktur erwirtschaftet und durch baunahe Dienstleistungen wie Umwelttechnik, Design & Engineering sowie diverse Spezialkompetenzen ergänzt wird.
Für den 22. August hat das in Wien beheimatete Unternehmen die Veröffentlichung seines Halbjahresbericht 2024 angekündigt.
Quellenangaben: https://www.swr.de/swraktuell/altersgerechtes-wohnen-mangel-an-wohnungen-fuer-senioren-100.html
https://wohnglueck.de/artikel/altersgerechte-wohnungen-fehlen-37036
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