12.09.2021, 4428 Zeichen
Aus dem Wöchentlichen Marktausblick von Raiffeisen Research: "Die ersten Handelstage betreffend scheint der September seinem Ruf, als schwacher Börsenmonat abermals gerecht zu werden. Betrachten wir den Zeitraum bis zurück in das Jahr 1928, so stehen uns zumindest statistisch gesehen sogar die schwächsten Handelswochen des Jahres bevor – auch, wenn die durchschnittlichen Rückgänge mit rund -1 % eigentlich gar nicht so schwer ins Gewicht fallen. Wie so oft gilt aber auch in diesem Fall, dass Statistiken immer mit Vorsicht zu genießen sind. Ja, der September zählt seit knapp 100 Jahren zu den schlechtesten Börsenmonaten. Es sei denn, in den ersten 6 Monaten des Jahres legte der breite US-Aktienmarkt um rund 13 % zu. Dann entwickelte sich der September in mehr als 60 % zu einem guten Börsenmonat – mit durchschnittlichen Kursanstiegen von über 1 %. Der S&P 500 stieg bis Ende Juni knappe 16 %, keine Gefahr also für die Aktienmärkte? Nicht ganz.
Eine gewisse Marktschwäche ist nicht nur mit der Saisonalität erklärbar, sondern erschien im Hinblick auf die starken Kurszuwächse der vergangenen Wochen und Monate beinahe schon überfällig. 56 All-Time Highs allein in diesem Jahr im S&P 500 sprechen eigentlich eine eindeutige Sprache. Hinzu kommt, dass größere Rücksetzer generell schon länger Mangelware sind. Pullbacks von 5 % oder größer gab es genauer gesagt seit mehr als 200 Handelstagen nicht – damit liegt die aktuelle Serie unter den Top 5 der letzten 50 Jahre. Zu diesen technischen und statistischen Argumenten gesellten sich zuletzt aber vermehrt auch geldpolitische und fundamentale Faktoren hinzu.
In Europa beschloss die EZB auf ihrer Sitzung, die erhöhten Anleihekäufe des Pandemie-Notfallkaufprogramms (PEPP) im vierten Quartal 2021 moderat zurückzufahren. Diese Entscheidung wurde von der Mehrheit von Bloomberg befragten Analysten (sowie von unseren Ökonomen) erwartet – näheres dazu im Ausblick zu Politik, Wirtschaft & Zinsen. Anleger schienen zuletzt jedoch ohnehin mehr in Richtung USA und Fed zu schielen. Schließlich zeigten sich die Börsen dort vermehrt zwischen Konjunkturdynamik und geldpolitischen Debatten (Tapering) hin- und hergerissen. Die immer wieder stark im Fokus stehenden US-Arbeitsmarkten werden derzeit kritischer beäugt denn je, dienen diese den Aktienmärkten doch als Indikator künftiger geldpolitischer Straffungen. Was makroökonomisch durchaus nachvollziehbar ist, stellt die Aktienbörsen derzeit aber vor ein fast schon paradox anmutendes Problem: Während ein solider Arbeitsmarkt für eine anhaltende Konjunkturdynamik spricht und grundsätzlich bullish ist, erhöht ein solcher aber die Wahrscheinlichkeit einer Straffung der expansiven Geldpolitik – was bearishe Tendenzen mit sich bringt. Wir vertreten die Meinung, dass eine solche durch die mittlerweile langanhaltende Debatte die Aktienmärkte nicht mehr größer ins Wanken bringen sollte und mehrheitlich eingepreist ist, allerdings stören sich Wall Street & Co. selten an etwas mehr als Unsicherheit.
Sobald in dieser Causa mehr Klarheit herrscht, ist es also durchaus wahrscheinlich, dass die Aktienmärkte ihren Aufwärtstrend wieder fortsetzen. Schließlich stellt das Tapering keinen Faktor dar, der das große Bild verändern sollte. Letztlich bedeutet dies lediglich, dass das Ausmaß der Bilanzausweitung durch die Federal Reserve reduziert wird, aber keine aktive Bilanzreduktion. Dementsprechend sichern die voluminösen Wertpapierkaufprogramme der großen Notenbanken bis auf Weiteres ein ebenfalls für Aktien günstiges Liquiditätsumfeld und verlocken viele Anleger dazu die Risikoleiter hinaufzuklettern.
Abseits der Geldpolitik mehrten sich in den vergangenen Tagen die Meldungen rund um Unternehmen aus den USA und Europa der Industrie- und Baubranche, welche mit Ertragswarnungen und gesenkten Ausblicken aufhorchen ließen. Hierbei wird zwar betont, dass die Nachfrage robust sei, diese allerdings aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Komponenten und Rohstoffen aktuell nicht oder nur zum Teil bedient werden kann. Es kann daher derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass die Unternehmensgewinne in diesen Branchen im aktuellen Quartal niedriger ausfallen, als derzeit vom Konsens erwartet wird.
Auch wenn das Umfeld etwas an Dynamik verliert, sehen wir die Märkte fundamental mittelfristig weiterhin gut gestützt. Der September könnte seinem Ruf aber trotzdem noch gerecht werden und für erhöhte Volatilität sorgen."
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