12.07.2018, 14567 Zeichen
Der Ironman Austria am 1. Juli 2018
Meine persönliche Story:
Die Woche davor hab ich versucht, in einen regelmäßigen Tag-Nacht-Rhythmus hineinzufinden, weil ich mir einbildete, dass ich dann in der Nacht vor dem Ironman auch halbwegs okay schlafen würde und das Aufstehen um 4 Uhr früh am Morgen des Wettkampfes etwas leichter fallen würde. Bei meinem Job als Flugbegleiterin ist das nicht gerade leicht und ich bin von Haus aus eine extreme Nachteule. Irgendwie dachte ich, geht das schon, wenn ich mir jeden Tag den Wecker um 8 oder 9 Uhr stelle, dann bin ich abends auch um eine halbwegs normale Zeit müde. Leider war dem nicht so. Jeden Abend war ich putzmunter und durch das erzwungene Aufstehen jeden Morgen hab ich mir den dringend notwendigen Schlaf lediglich selbst entzogen. Deshalb fühlte ich mich die Tage davor alles andere als fit. Bei meinem nächsten großen Wettkampf weiß ich nun, dass ich davor viel mehr schlafen werde, und zwar egal um welche Tageszeit.
Am Donnerstag und Freitag trafen meine Teamkollegen & Supporter (7 Leute aus meinem Team waren für den Start am Sonntag gemeldet), mein Coach, mein Freund und ich in Klagenfurt ein. Wir wohnten fast alle im gleichen Hotel. Das erleichterte die letzten gemeinsamen Vorbereitungen inklusive wichtiger Anweisungen und Tipps vom Coach: Noch eine kurze Schwimmeinheit, eine lockere Radausfahrt, ein kleines Läufchen, dann waren wir, zumindest körperlich, bereit. Am Tag davor eine letzte gemeinsame morgendliche Schwimmrunde im Wörthersee, das offizielle Racebriefing, das Herrichten der Sackerln für die Wechselzone und das Bike Check In. Nach dem Abendessen mit dem Team hieß es zeitig ins Bett, denn der Wecker war auf 3:50 Uhr gestellt.
Selten war ich in der Nacht vor einem Wettkampf so nervös. Einen Ironman macht man schließlich nicht alle Tage. Zu viele Dinge waren in meinem Kopf. Bei dem geringsten Gedanken an eine mögliche Situation während des Laufens/Radfahrens/Schwimmens fing mein Herz an zu rasen. Ich hatte wirklich Schiss. Nach nur wenigen Stunden Schlaf gab‘s um 4 Uhr Frühstück und meine Nervosität wurde immer größer... „Ist es heute wirklich soweit??“
Coach Harald begleitete uns persönlich bis zum Schwimmstart im Klagenfurter Strandbad. Dort gab‘s dann auch noch ein Gruppenfoto, viele Umarmungen und Glückwunsche untereinander und Verabschiedung von den Freunden/innen, die an der Strecke als Supporter ihr bestes geben würden. Ich ging gemeinsam mit meiner Teamkollegin Nina in den Startblock für die 1:15-1:20 Schwimmer. Wir beide waren im Training sowohl beim Schwimmen, als auch beim Radfahren ungefähr auf gleichem Leistungsniveau. Mitten unter den Schwimmern unserer Gruppe angelangt, hieß es Konzentration und es vergingen noch einige Minuten bis zum Startschuss. Diese Minuten waren sehr aufregend. Ich versuchte ruhig zu bleiben und ja nicht darüber nachzudenken, was genau mir da bevor stand... einfach den Kopf ausschalten und rein ins Wasser.
Die gefürtchteten „Prügeleien“, die ich von den kurzen Triathlondistanzen kannte, blieben aus, jedoch war es für mich, wie immer am Anfang, recht schwierig, in einen Rhythmus reinzufinden. Denn auch wenn du noch so gut im Schwimmen bist, hast du niemals im Training andere Schwimmer gleichzeitig so nahe neben, vor und hinter dir, die deine Bahn kreuzen und dich stoßen. Nach einer kurzen Weile ging es dann aber recht gut dahin, bis kurz nach der ersten Wende, wo auf einmal meine linke Wade anfing zu verkrampfen. Ich versuchte locker zu bleiben, aber merkte, dass sich da tatsächlich ein leichter Wadenkrampf einschlich. Das irritierte mich ziemlich, denn ich hatte davor noch nie einen Krampf, weder beim Schwimmen, noch beim Radfahren, noch beim Laufen. Ich ließ mich davon aber nicht weiter stören und kämpfte weiter. Zwischendurch hatte ich zeitweise das Gefühl, dass die 3,8 km niemals enden würden. Es ist schon eine sehr lange Strecke, die man da schwimmen muss. Und dann, am Beginn der letzten 1000m, kurz vor dem Hineinschwimmen in den Lendkanal, spürte ich plötzlich erneut einen Krampf, diesmal in der rechten Wade, und der war echt schlimm. Ich musste kurz anhalten und massieren. Nicht so leicht im Wasser mit tausenden Leuten, die in diesem Moment „über dich drüber schwimmen“. Es tat wirklich weh und ich war frustriert. Warum passierte mir das gerade an diesem wichtigen Tag zum ersten mal?? Okay, so gut es geht fertig schwimmen. Rein in den Lendkanal, wo es dank der entstandenen Strömung der vielen Schwimmer wieder ein bisschen leichter ging, und das Beste draus machen. Nach 1 Stunde und 13 Minuten Schwimmzeit war ich fertig. Der Ausstieg war wirklich schmerzvoll, meine rechte Wade war beleidigt und während des Laufens in die Wechselzone machte ich mir Sorgen, wie ich denn wohl den Marathon später überstehen sollte. „Wurscht!“ Bis dahin würden ja eh noch viele Stunden vergehen. Schnell zum Sackerl, Bike-Equipment rausholen, umziehen und rauf aus Rad.
Am Rad beschloß ich, mir keinen Stress zu machen und einfach so gut es ging zu fahren. Die 180 km sind kein Kindergeburtstag und ich wusste ja auch, dass ich auf dieser Strecke keine Geschwindigkeitsrekorde brechen würde. Selbst zum Zeitpunkt, als ich auf die Radstrecke ging, war es für mich immer noch unvorstellbar, so eine lange Strecke bei hohem Tempo überhaupt zu schaffen. Aber okay… einfach fahren und nicht viel nachdenken. Entlang des Wörthersee-Südufers ging es super flach und flott dahin, und auch der erste große Anstieg nach Egg am See war gar nicht so schlimm. Dort herrschte super Stimmung, überall jubelnde Zuschauer und man fühlte sich wie ein Hero. Auch meine Freundin Julia und deren Familie stand dort mit einem Banner. Ihre Anwesenheit bedeutete mir sehr viel, da sie vor 8 Jahren bei meinem allerersten Marathon ebenfalls mit einem Banner an der Seite stand. Mir kamen die Tränen, als ich sie sah und ihre Zurufe hinterließen einen riesigen Motivationschub. Und so ging‘s dahin. Überraschenderweise machte mir das Radfahren richtig Spaß. Ich fühlte micht stets gut und kam auch super mit meiner Verpflegung zurecht. Das einzige, was mich echt störte war meine rinnende Nase. Ich habe keine Ahnung, ob das normal ist, aber mir ist es tatsächlich ununterbrochen und über die gesamten Länge der Strecke aus der Nase geronnen. Ständig wischte ich mir mit den Fingern unter der Nase rum und versuchte immer wieder alles „rauszublasen“, aber es nahm einfach kein Ende. Nach ein paar Stunden war meine Nase schon richtig wund. Ab da war’s mir dann egal, wie ein Schweindl auszusehen und ließ ich sie einfach rinnen. Und irgendwann zwischendurch spürte ich plötzlich einen heftigen Stich in meinem Bein... saß da wirklich eine Biene und stach durch den Kompressionsstrumpf in mein Wadl! Grrrr! Was soll das?? Ich war dadurch etwas irritiert, aber gottseidank ließ der Schmerz nach und ich konnte ohne Enschränkung weiterfahren. Nach ca. 60 km kam auf einmal Nina daher und ich freute mich sehr, sie zu sehen. Es ging ihr gut und wir erklimmten dann auch zur gleichen Zeit den Rupertiberg. Einmal war sie vorne, dann holte ich sie wieder ein, dann war ich vorne und sie holte mich wieder ein. Bis zum Ende der ersten 90km Runde waren wir gemeinsam und Seite an Seite auch bei der Wende, wo es massenhaft Zuseher gab und unser Coach samt Supporter auch darauf warteten, uns anzufeuern. Das war für uns beide echt ein wunderschöner Moment. Kurz danach hatte Nina einen Stopp bei der Selbstverpflegung einzulegen, und ab da begenete ich ihr am Rad nicht wieder. Auf ging‘s in die zweite Runde und ich wusste schon, dass diesmal jede kleine Bergaufstrecke weh tun würde. Ich sah die 110km Markierung und dachte nur „Puh, jede normale Trainings-Radausfahrt wäre da zu Ende, aber jetzt noch 70km... einfach verrückt!“ Es gelang mir aber tatsächlich, auch in der 2. Runde eine positive und lockere Enstellung im Kopf beizubehalten. Julia stand wieder da und ich hatte schon gar nicht mehr mit ihr gerechnet. Auch die Mitglieder des Teams Sportordination sorgten bei Egg am See für lautstarke Unterstützung am Straßenrand. Das war einfach super! Tom aus meinem Team überholte mich irgendwo nach 135 km. Auch ihm ging es gut und ich freute mich ihn zu sehen. Danach schaute ich auf meine Uhr und konnte gar nicht glauben, dass da 30 km/h als Durchschnittstempo stand.... noch... denn ich hatte ja noch den gefürchteten Rupertiberg vor mir. Selbst das zweite Mal auf diesen Berg hinauf war dank der tollen Stimmung der vielen Leute halbwegs erträglich. Und auf den Bergabstrecken konnte ich mich zwischendurch auch einigermaßen gut erholen. Auf den letzten Kilometern freute ich mich schon sehr darauf, vom Rad abzusteigen. Nach 6 Stunden und 7 Minuten kam ich in die Wechselzone. Erster Schritt nach dem Abstellen des Bikes war ein Gang auf‘s Klo. Dann holte ich mein Lauf-Sackerl und als ich zum Umziehen ins Zelt kam, saß da Tom. Mit großem Vergnügen setzte ich mich neben ihn und wir machten uns gleichzeitig fertig für den Lauf. Vor uns stand ein Helfer aus den Ironman-Team und assistierte uns mit dem Zurückgeben der Kleidung in die Beutel. Das fand ich wirklich gut. Tom gab mir noch eine Salztablette und dann ging es auch schon auf die Laufstrecke.
Die ersten Kilometer waren flott, aber nicht so schnell als ich dachte, dass ich sein könnte. Beim Rauslaufen aus der Wechselzone herrschte Partystimmung. Meine Waden machten trotz der Krämpfe beim Schwimmen keine Probleme, darüber war ich wirklich froh. So lief ich eine, für mich halbwegs lockere, aber trotzdem nicht allzu langsame Pace und die ersten 20 km funktionierte das super. Zuerst in Richtung Krumpendorf freute ich mich sehr darüber, meine Freundin Julia wieder zu sehen. Danach durch den Park weiter in Richtung Klagenfurt war die Motivation durch all die Zuschauer und Supporter auch sehr hoch. Auch bei den vielen Verpflegungsstellen wurde laut Musik gespielt und Musik, finde ich, hilft sowieso am besten. Wie von meinem Coach verordnet, nahm ich ganz brav bei jeder Labestelle Cola und Wasser. Vorbei an ihm und den anderen aus meinem Team, war es einfach ein großartiges Gefühl, von ihnen so viele Zurufe und Unterstützung zu bekommen. Meine Stimmung war richtig gut. Ich lächelte und versuchte, so gut wie möglich mein Tempo beizubehalten. Nach der Hälfte der Strecke musste man parallel zum Zielbereich laufen und auf diesem Abschnitt, wo man auf einem roten Teppich „schwebt“ und einem hunderte Leute zujubeln, konnte man sich schon fast wie ein Finisher fühlen, jedoch musste man ab da noch einmal 21 Kilometer zurücklegen. Puh! Und wirklich: nur ein oder zwei Kilometer später musste ich anfangen zu kämpfen. Der große Einbruch, vor dem uns Harald, unser Coach, schon gewarnt hatte, war plötzlich da. Unter anderem auch deshalb, weil ich ab km 25 dringend auf die Toilette musste, ich aber nicht gehen konnte, weil jedes einzelne Klo jedesmal beim Vorbeikommen besetzt war. „So ein Sch... ! Na gut, dann halte ich es halt zurück. Sind ja nur noch 12 Kilometer, das schaffe ich schon irgendwie.“ Leider war ab da mein Laufstil sehr unrund und ich wurde immer langsamer. Aber das sollte noch nicht alles gewesen sein... nur wenig später wurde mir richtig schlecht. Ich wollte kein Cola mehr trinken, es war mir einfach übel. Auch am Rad hatte ich unter anderem schon Cola Gummis gegessen. Ich wollte am liebsten gar nichts mehr zu mir nehmen, machte aber dann trotzdem so gut es ging, mit der Cola/Wasser Strategie weiter. Auf den letzten Kilometern war es dann nur noch Wasser, denn allein bei dem Gedanken an Cola hätte ich mich schon fast übergeben. Auch etwas Anderes hätte ich zu dem Zeitpunkt nicht mehr trinken/essen können. Bei einer der letzten Labestellen war mir schon richtig schwindlig, als ich zu gehen anfing. Das Wasser, das ich dort genommen hatte spuckte ich wieder aus. Ich wollte einfach nur noch ins Ziel und konnte nicht fassen, wie langsam und mühsam jeder Kilometer war. Das war doch nicht ich... die Läuferin... die niemals damit gerechnet hätte, dass das Laufen am schwierigsten werden würde. Mein Glück war einzig und allein, dass ich Routine im Laufen hatte und ich meine Beine auf „Automatikmodus“ stellen konnte. So legte ich dann die letzten Kilometer zurück... fokussiert... mit dem Gedanken, dass es bald zu Ende sei, ich mir diese Medaille endlich holen und endlos stolz sein würde.
Und da war ich dann endlich... auf der Finishline... was für ein Gefühl! Jubel und Applaus, laute Musik und die berühmten Worte „YOU ARE AN IRONMAN!“, als ich ins Ziel lief. Mit Tränen voller Freude und vor allem Erleichterung bekam ich meine wunderschöne Medaille umgehängt. Mein Freund Nick empfing mich mit einer großen Umarmung! Ich hatte es geschafft! Juhuuu!
Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass der IRONMAN Austria für mich ein sehr cooles, einzigartiges, aufregendes, super organisiertes, unvergessliches, aber auch extrem anstrengendes Erlebnis war.
Ganz unerwartet, war das Radfahren (die Disziplin, die mir eigentlich am wenigsten taugt) der beste Teil dieses Triathlons. Das Laufen war für mich am schlimmsten. Das hätte ich nicht gedacht. Nach 6 Stunden am Rad hab ich geglaubt, dass das Laufen schnell vorbei sein wird, aber das war nicht so. Es war ein seeehr langer und seeehr harter Marathon. Die gesamte Verpflegung, die Ausrüstung und der ganze organisatorische Aufwand für dieses Rennen sind eine Wissenschaft für sich.
So ein Ironman erfordert viel Training, Zeit, Geduld und auch Geld.
Ich habe mich für diesen Wettkampf 7 Monate intensiv vorbereitet, habe unzählige gemeinsame Schwimmtrainings mit meinen Teamkollegen absolviert, habe viele harte Winter-Indoor-Radintervalle, regelmäßige Koppeleinheiten und wöchentliche lange Läufe & Radausfahrten gemacht. Ich war mit meinem Verein 10 Tage auf Triathlon-Trainingscamp und... das Allerhärteste: ich habe 6 Monate lang nichts Süßes genascht.
Auf jeden Fall hab ich wieder eine Menge Erfahrungen gesammelt, bin wieder an meine Grenzen gegangen und - am allerwichtigsten - kann ich diesen Ironman auf meiner „To Do Liste“ meines Sportlerlebens abhaken.
Vielen Dank an mein Team Ausdauercoach.at für den guten Zusammenhalt und den großartigen Support!
Besonders möchte ich mich auch bei meinem Coach Harald Fritz für die professionelle Bertreuung und Vorbereitung bedanken.
Ich danke auch meinem Freund Nick, meiner Familie & meinen Freundinnen für ihr Verständnis und ihre Geduld, die sie mir in dieser Zeit entgegengebracht haben.
Und zuletzt auch ein großes Dankeschön an die Leute vom Team Sportordination, die mich entlang der Strecke so toll unterstützt und angefeuert haben.
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