28.05.2018, 9626 Zeichen
ERSTE-HV Teil 2: Wir sind im Fernsehen! Ich habe es nicht gewusst, und wie ich erfragt habe, haben auch die anderen Redner nicht gewusst, dass die GESAMTE Hauptversammlung im Internet übertragen wird, für die ganze Welt einsehbar, auch für Nichtaktionärskollegen, ohne jeglichen Persönlichkeitsschutz. Und nicht nur übertragen, sondern auch noch gespeichert. Die ERSTE sieht das wohl als Beispiel für Transparenz, aber gerade von einer Bank würde ich mehr Diskretion erwarten. Immerhin erfährt man auf einer HV auch von Problemen des einzelnen Kunden mit der Bank, Außenstehende können da rasch erahnen, wo etwas zu holen ist, sie wetzen vielleicht schon ihre Brecheisen. Und es fallen in der Hitze des Gefechts schon einmal Äußerungen, die man als kredit- oder rufschädigend werten könnte. Wir Aktionäre, Vorstand, Aufsichtsrat, wir kennen einander und wissen, wie man milieubedingte Äußerungen werten soll, aber Außenstehende legen vielleicht so manches Wort auf die Waagschale. Die HV ist die einzige Gelegenheit, wo Management und Aktionäre sich auf breiter Ebene ehrlich austauschen können bzw. sollen. Die Datenschutzverordnung kümmert sich um jeden Schmarrn, und gerade hier soll sie absolut zahnlos und großzügig sein? Unverständlich.
Ich grüße hiermit also recht herzlich die Zuseher der 25. ordentlichen Hauptversammlung der ERSTE Group AG in Papua-Neuguinea, Spitzbergen, Lesotho, Feuerland und Tasmanien. Nicht zu vergessen Hollywood und Bollywood, wir sind ja jetzt Filmstars. Wenn ich gewußt hätte, dass wir gecastet werden, hätte ich meinen Sonntagsanzug angezogen, um auch so seriös zu wirken wie Dr. Knap. Das ganze ist mir furchtbar peinlich, aber wer weiss, vielleicht setze ich durch meinen Street Style einen neuen Trend, und dann kreiere ich meine neue Modelinie und cashe voll ab. Also falls alle einmal so aussehen wollen wie ich. Ich erinnere mich an die "Krankenkassabrille", über die in Kinderkreisen vor 40 Jahren gelacht wurde, heute muss man so etwas unbedingt haben, um trendy zu sein, entsprechend läßt man sich das auch etwas kosten. Stars machen Trends. Die Kamera oder Aufnahmesoftware dürfte etwas haben, so bildfüllend bin ich nun auch wieder nicht. Lieber ORF, spart Euch die Unkosten für mehrstündige Prinzenhochzeiten in fernen Landen, sowas will eh niemand sehen, das Volk lechzt nach mehrstündigen Live-Übertragungen von Hauptversammlungen und Wiederholungen im Hauptabendprogramm, auf allen Kanälen bitte, damit man nichts versäumen kann, die Einschaltquoten werden explodieren. Finde ich übrigens gut, dass die Internet-Übertragung eine bessere Qualität hat als das, was man im Saal hören konnte, sogar das Flüstern am Podium kann man perfekt verstehen.
Um der Sache etwas Positives abzugewinnen, habe ich meinen Sonntag mit dem Anschauen der gesamten Hauptversammlung zugebracht, interessante bzw. nicht so leicht verständliche Stellen habe ich mir mehrmals angeschaut. Das in Zusammenhang mit George-Ausfällen gebrauchte Wort heißt tatsächlich "Psychohygienefaktum". Hier also nun die Zusammenfassung dessen, was sich vor Teil 1 abgespielt hat, also der Präsentation und der Wortmeldung des ersten Redners:
Zu Beginn der HV wies der Aufsichtsratsvorsitzende wie immer darauf hin, dass zwecks leichterer Protokollierung durch den Notar ein Tonband mitläuft. Die gesamte HV einschließlich Fragerunde und Anträgen würde darüber hinaus im Internet übertragen. Das haben offenbar auch diejenigen überhört, die schon zu Beginn im Saal waren, auf diese Tatsache wurde kein weiteres Mal hingewiesen. Auf die Speicherung im Internet nicht einmal ein einziges Mal. Treichl pries Tschechien für den Budgetüberschuss und für dort steigende Zinsen, die Staatsverschuldung sei von 34% auf 32% gesunken, es sei nicht ausgeschlossen, dass bald ein Zweier davor steht, während sie in Österreich von 81% auf 79% zurückgegangen sei. Ende des Jahres würden wir eine Erhöhung der Leitzinsen erwarten, das wäre positiv für den Nettozinsertrag. In jedem Land gebe es Zuwachs bei Krediten. Von 150 Mrd. Euro Kundeneinlagen in der Gruppe seien 100 Mrd. von Retailkunden, besonders die Giroeinlagen seien stark gestiegen, da der Zinsunterschied zwischen kurz- und langfristigen Einlagen sehr überschaubar sei. Das sehr starke Kreditwachstum übersetze sich leider noch nicht in einen höheren Nettozinsertrag. Anmerkung: Verstehe ich nicht, das Konditionenverzeichnis des neuen Direktbrokers der ERSTE z.B. weist bis zu 17,5% p.a. Zinsen (inkl. Überziehungszinsen) aus, weit mehr als die Konkurrenz, bei 0,01% Habenzinsen, soviel falsch kann man doch nicht machen, dass da keine Spanne übrig bleibt? Die Kredite seien durch Kundeneinlagen übergedeckt, man brauche sich gar kein Geld von anderen Banken aufzunehmen, das sei sehr gesund, aber nicht ertragsfördernd. Großkunden würden sehr hohe Kredite aufnehmen, dafür hätten sie wenig an Einlagen. Sehr viel würde in die IT investiert, auch in den nächsten Jahren. Und natürlich würden wir von gesunkenen Risikokosten profitieren, da sich die heutige Kreditqualität dramatisch verbessert habe.
Die Qualität des Portfolios steige stark, das wurde viele Male erwähnt und betont, fast schon penetrant oft. Wenn nicht ein großes Möbelhaus und Agrokor gewesen seien, hätte man überhaupt keine Risikokosten gehabt. Die Quote der non-performing loans sei von fast 10% vor einigen Jahren auf jetzt rund 4% zurückgegangen und würde weiter sinken. Es solle eine Mitarbeiterstiftung gegründet werden, da der Gesetzgeber die Steuerfreiheit für Mitarbeiteraktien auf 4.500 Euro pro Person und Jahr erhöht habe, mit ca. 1% des Kapitals solle diese Stiftung ein weiterer stabiler Aktionär werden. Meine Anmerkung: Die Wortwahl kann ich schwer nachvollziehen, denn hier freut man sich über einen stabilen 1%-Aktionär, bei S-Immo war die ERSTE nicht einmal mit 10% stabil.
Die ERSTE gehöre zu der relativ kleinen Gruppe von Banken in Österreich, die deutlich über den Eigenkapitalkosten verdienen, die Eigenkapitalverzinsung liege über 10%. Die Phantom-Shares als Mitarbeiter-Bonus wurden erklärt. Die Dividende in Höhe von 1,20 müsse laut Mittendorfer aufgrund der österreichischen Rechtslage zwingend brutto für netto als Einlagenrückzahlung ausbezahlt werden. Aufgrund der gestiegenen Anforderungen, des Arbeits- und Zeitaufwands und der deutlich gestiegenen Verantwortung müssten die Aufsichtsratsbezüge erhöht werden, und zwar auf 150.000 für den Vorsitzenden, 90.000 für den ersten Stellvertreter, 80.000 für den zweiten Stellvertreter, 60.000 für das einfache Mitglied, 10.000 bzw. 5.000 extra für Ausschussvorsitzende, 1.000 Euro Sitzungsgeld pro Sitzung würden nur bei tatsächlicher Teilnahme an einer Sitzung bezahlt. Letztes Jahr habe es einen Pauschalbetrag für den Aufsichtsrat gegeben, den dieser in ähnlichem Verhältnis aufgeteilt habe, 100.000 für den Vorsitzenden, 75.000 für den Stellvertreter, 50.000 für das einfache Mitglied. Die notwendige Erhöhung sei eine Annäherung an die Vergütungen vergleichbarer europäischer Unternehmen. Weil ein Mitglied des Aufsichtsrats sein Mandat zurückgelegt habe, solle die Anzahl der Mitglieder von 12 auf 11 verringert werden. Neben dem Sparkassenverband solle ein zweiter Abschlussprüfer bestellt werden. Die beantragte Ermächtigung zur Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen mit Zwangsumwandlung und ohne Bezugsrecht erklärte Mittendorfer damit, dass man rasch und flexibel auf günstige Marktkonditionen reagieren können wolle. Meine Anmerkung: Beim S-Immo-Verkauf wäre es meiner Meinung nach besser gewesen, wenn das Management nicht so rasch und flexibel auf das unwiderstehliche Kaufangebot reagieren hätte können, ein Übermass an Flexibilität kann eventuell nicht im Sinne der Aktionäre sein.
Der erste Redner in der Generaldebatte drückte sich in seiner längeren Wortmeldung sehr gewählt aus, beanstandete die stetig steigenden Kosten. Niemand traue sich, nicht qualifizierte Mitarbeiter zu kündigen, "erfolgsverwöhnte Manager" würden nicht zu Cost-Cuttern, statt dessen würde nur Geld ausgegeben, er beklagte die komplexe Struktur mit zu vielen Managern und das hohe Cost-Income-Ratio. Er fragte, wie lange schon am lebenswichtigen IT-Projekt "Spring" herumgedoktort würde, und was das bisher gekostet habe. Weiters, ob mit dem kreativen Accounting endlich Schluss sei, wo IT-Kosten aktiviert worden seien, anstatt sie ehrlich abzuschreiben. Und er erwähnte die "bösen" Regulatorien, die zu geringeren Kreditvergaben an KMU geführt hätten, trotz ihres besseren Ratings, wenn ich das richtig verstanden habe. Wenn ich die Art, wie die Worte vorgebracht wurden, richtig deute, wollte er damit ausdrücken, dass man nicht immer nur an große Kreditnehmer große Kredite zu Niedrigstzinsen vergeben soll, sondern dass bei KMU viel mehr zu holen wäre. Herrn Pecik bezeichnete er, eindeutig scherzhaft, als "nachhaltigen und stabilen Investor", mit dem man wie üblich Stillschweigen über den Verkaufspreis vereinbart hätte, denn gleich darauf sprach er von den "stadtbekannten Spekulanten Pecik und Benko". Er fragte, wie der strukturierte Verkaufsprozess abgelaufen sei, und ob Síkela als Benkos Freund diesen in der fraglichen Zeit getroffen habe, und wie oft. Er würde nicht einmal im Traum daran denken wollen, dass es sich um ein Geschäft unter Freunden gehandelt haben könnte. Er sagte, Benko habe ein beträchtliches, ja gewaltiges Obligo bei unserer Bank. Eigentlich wollte ich Letzteres nicht schreiben, obwohl der Redner dafür bekannt ist, dass er nur sagt, was er auch weiss, aber da die ERSTE selbst das für jedermann einsehbar online gestellt hat, fällt es jedenfalls nicht unters Bankgeheimnis.
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