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Alle Rechte vorbehalten / Bühnenaufführungsrechte: Thomas Sessler Verlag, Wien
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Die Finanzwirtschaft steht wieder im Zentrum des öffentlichen Interesses. Börsentrader, die Vermögen aus dem Nichts schaffen und auch wieder verspielen, früher oft bewundert als „Masters of the Universe“, werden heute heftig kritisiert. Und jedermann ist heute ein Banker, weiß, was ein Banker zu tun hat, vor allem, was er nicht zu tun hat.
Zeit, ein paar Börsentrader selbst zu Wort kommen zu lassen.
Im „Börsenkonzert“ kommentieren sie ihren Job, geben Privates preis, führen einen inneren Monolog am Trading Floor.
Der Trader an der Börse von Tokyo vom 11.3. 2011, als das große Erdbeben ausbricht und er inmitten der Erdstöße die letzte Viertelstunde bis zum Börsenschluss für seine Geschäfte nutzt.
Der Trader an der Frankfurter Börse vom 3.11. 2011 als die Griechenlandkrise wieder einen Höhepunkt erreicht und er inmitten einer politischen Schaukelbörse seinen Job tut.
Der Daytrader in der Londoner City in der Woche vom 8. bis 12. August 2011 als Moody’s eben die USA herabgestuft hatte und an den Börsen der Weltuntergang erwartet wird. Er absolviert die Woche mit gewohnter Coolness, fällt kurz darauf dennoch einer der großen Entlassungswellen im Finanzbereich zu Opfer.
Börsenkurse werden im allgemeinen als Kurven dargestellt -die allerdings nur unvollkommen leisten was Musik, was Instrumente und Stimmen zu leisten vermögen: Emotionen zu kommunizieren. So entstand die Idee zu diesem Konzert, das den Sirenengesang der Märkte zu seinem Ausdruck bringen soll – mit Börsencharts als Partitur.
Franz Koglmann zur Musik:
Das Instrumentalensemble des Börsenkonzerts ist ungewöhnlich besetzt:
Trompete in Bb (auch Flügelhorn)
Violoncello
Fagott (auch Kontrafagott)
Schlagzeug (Drum Set)
Dazu kommt (in der Minimalbesetzung) ein Sprecher/Schauspieler der auch bis zu einem gewissen Grad über gesangliche Fähigkeiten verfügen sollte. Die Musiker sollten ein gesteigertes Jazz- und Improvisationsverständnis mitbringen. Das betrifft auch die vorzüglich „klassischen“ Instrumente Cello und Fagott. Der Charakter der Musik ist als „jazzy“ zu bezeichnen. Die Musik ist partiell in konventioneller Notenschrift verfasst, teilweise ist sie zu improvisieren, zum Teil handelt es sich aber auch um „Koordinatenmusik“, bei der die herkömmlichen Notenzeilen durch die Koordinaten der Börsencharts ersetzt werden.
In seiner derzeitigen Fassung enthält das Börsenkonzert 4 Zitate:
„Money, money, money“ (ABBA)
„The Times they are a-changin“ (Bob Dylan)
„Pennsylvania 6-5000“ (Glenn Miller)
„Blues All’Alba“ (von Giorgo Gaslini aus Michelangelo Antonionis Fim „La Notte“)
Alles übrige ist von Franz Koglmann komponiert bzw frei zu improvisieren.
1. Satz
DIE LETZTE VIERTELSTUNDE
TOKYO STOCK EXCHANGE 11/3/2011
PARTITUR: Nikkei 225, 11/3/2011
2. Satz
EIN BÖRSENTAG
BÖRSE FRANKFURT
PARTITUR: DAX 3/11/2011
3. Satz
DAYTRADERS WEEK
LONDON STOCK EXCHANGE
PARTITUR: DAX 8–12/8/2011
3.1.
DON’T GO FOR A COFFEE / WHILE STARTING A FLASH CRASH
4. Satz
GAME OVER
LONDON, CITY, 30.10.2012
4.1.
DAYTRADERS BLUES
1. Satz
DIE LETZTE VIERTELSTUNDE
TOKYO STOCK EXCHANGE 11/3/2011
PARTITUR: Nikkei 225, 11/3/2011
PROLOG
Der Chefstratege der Sumitomo Corporation
sagte in einem Interview
zu den Vorfällen in Tokyo am 11. März 2011:
Das Erdbeben begann um 14h45
und bis zum Börsenschluss blieb noch eine Viertelstunde
Unsere Trader hielten ihre Computer fest
klammerten sich an die Tische -und machten weiter.
Sie nutzten die erwarteten Kursbewegungen
kauften und verkauften
taten ihren Job
und machten ihren Schnitt.
TRADER
Musik: Erdbeben. tiefe, gerade noch hörbare Frequenzen,
dann Rhythmus
Die Erde bebt wieder unter Tokyo
dieses Haus gilt als sicher…
…doch jetzt wirds schlimmer als sonst
im Büro lacht keiner mehr
Kollegen hocken unter ihren Tischen
Regale kippen um
Mauerteile lösten sich
Fuck! Meine Kaffeetasse ist umgefallen!
Auf NHK die Nachricht:
Erdbeben, Stärke 9 / nördlich von Tokyo.
Tsunamiwarnung für die Küste von Fukushima
Noch 15 Minuten / bis zum Börsenschluss!
Diese Viertelstunde muss ich nutzen!
auch wenn die Erde bebt.
Mit einer Hand halt ich mich fest
den ergonomischen Sessel
wie einen wilden Büffel / über die Erdstöße reitend
mit der andern Hand / bediene ich die Tasten.
Wer hat Fabriken im Norden?
Sony / Toyota / Honda / Nissan..
Verkaufen!
Welche Branchen leiden unter Erdbeben?
Tokyo Electric Power? Toshiba Kraftwerke? Tepco?
Verkaufen! Verkaufen!
Nippon Steel? Hat Produktionsausfälle
Verkaufen!
Japan Railways? Zerstörte Infrastruktur.
Verkaufen!
Versicherungsaktien?
Werden fallen. Verkaufen!
Öl? Raffinerien zerstört, der Ölpreis sinkt.
Verkaufen!
Solarenergie?
Verkaufen…. halt: Kaufen natürlich!
Windkraft?
Kaufen
Und wer reibt sich nach Erdbeben die Hände
in Vorfreude auf einen fetten Wiederaufbau?
Welche Branche profitiert davon?
Die Baubranche!
So kaufe ich also / in den letzten Börsenminuten
dieses denkwürdigen Freitags
Aktien von Baufirmen
soviel ich kriegen kann.
Fukada?
Kaufen!
Ueki Corporation?
Kaufen!
Taiheiyo?
Kaufen!
Kajima?
Kaufen! Kaufen!
Closing Bell / Enter
Geschafft!
(break; die Closing Bell der NYSE wird gespielt)
EPILOG
(Musik spielt den steilen Fall des Nikkei 225)
Rauch über der Stadt
schief steht der Tower of Tokyo
die Telefonnetze sind tot
das Internet funktioniert noch
NHK zeigt den Tsunami:
Fahrzeuge auf der Flucht vor den Wassern
ein Auto rast zu auf die anbrandende Flut
die der Lenker noch nicht sieht
Boote liegen kreuz & quer über Straßen
Autos werden zu Haufen gespült
mitten im Strudel / dutzende LKWs / in auffälligem Gelb
es geht doch nichts / über eine merkfähige / Corporate Colour
ein Schiff wird gegen ein Haus gespült / bringt es zum Einsturz
ein anderes läuft auf Grund
-auf dem Dach einer Fabrikhalle
Schiffe pflügen die Felder bei Fukushima
die Flut wälzt sich hoch das Land
Häuser drängen die Straßen entlang
Feuer schwimmen auf Wassern
eine brennende Raffinerie
Und was da vorbeitreibt ist ein Stadtviertel
von dessen Dächern Menschen winken
mit weißen Tüchern.
Die Ästhetik der Fernsehberichte wird bestimmt
von den Amateurvideos auf Youtube
es gibt die ersten Clips vom Geschehen
die gelten als Zeichen von Authentizität.
Gut dass Freitagabend ist!
Das erspart uns morgen die Börsenpanik.
Und was zeigen jetzt die Indices?
Kurssturz des Nikkei:
minus 6% innerhalb von 5 Minuten
Einbruch bei Energieversorgern, Autos, Elektronik
gewonnen haben Solar- und Windenergie
und natürlich -die Baubranche
Nach jeder Katastrophe ein schöner Wiederaufbau
Sagt ich’s doch
Und jetzt ein Glas Champagner
Auf den heutigen Schnitt
LET’S TRADE THE WORLD
Ladies and Gentlemen
Yess!
2. Satz
EIN BÖRSENTAG
BÖRSE FRANKFURT
PARTITUR: DAX 3/11/2011
9h
Kann ein heißer Tag werden
Die G20 tagen in Cannes
Zugleich Ministerrat in Athen
Krisensitzung
Griechenland ist nicht eben vertrauensbildend
das Referendum irritiert
bei „Nein“ ist das Land bankrott
die Hilfskredite sind vorerst mal eingefroren
gibt Griechenland den Euro auf
sind Italien und Spanien das nächste Ziel
Der Euro steht schwächer als gestern
darunter leidet der DAX
als der Handel eröffnet.
fällt er rapide
Die Währungsunion könnte wanken
Der ehrenwerte Mr. Paul Krugman
unentwegter Prophet seines Gottes Keynes
kennt natürlich das Rezept,
mit dem die Krise –schwupps- verschwände:
Einfach soviel Geld drucken wie gewünscht wird….
Haha, wenns den nicht schon gäbe
müssten wir Trader ihn für uns erfinden…
Wo Keynes übrigens recht hat: In the long run we all are dead.
Bob Dylans Song fällt mir ein:
It will soon shake your windows and rattle your walls
for the times they are a-changin’
10h
Gute Nachrichten aus Athen
man rechnet mit dem Rücktritt von Papandreou
damit wäre die Abstimmung vom Tisch
Und das beflü-hügelt die Börsen
Evangelos Venizelos beruhigt:
Das Volk stimme nur übers Sparprogramm ab
und nicht über den Verbleib beim Euro
Ein Austritt der Griechen sei nicht zu erwarten
Den Euro, den wollen sie behalten
den Euro, den wollen sie behalten
Merkl & Sarkozy haben ihren Job getan
und Papandreou bearbeitet
Der sagt jetzt das Referendum ab
Der DAX steigt
Es zeigt sich die Verflechtung / von Markt und Politik
die Anleger reagieren / auf jedes Wort
man sagt, die Politik tanzt nach der Pfeife der Märkte
heute ist es umgekehrt
Ha! Da beklagt man die Übermacht der USA an den Finanzmärkten
dann kauft die Deutsche Börse die New York Stock Exchange
und was macht Europa? Will das verhindern.
1100
Auch Berlusconi / werde zurücktreten / hört man aus Rom
das macht die Börsen froh
nach Irland, Portugal und Griechenland
fällt jetzt also auch Italien
Die Märkte stürzen Regierungen.
und nicht die Opposition
Der Markt hat immer recht!
Die Kurse drehen ins Plus.
Zeit, mal den Ratingagenturen zu danken
die gern für ihre Botschaft gescholten werden
den schuldenseligen Politikern wird jetzt langsam klar
dass sie ihre Länder nicht ungestraft in die Pleite führen können
Die G20 beschließen / Schattenbanken zu regeln
vor allem / die Hedgefonds / ohne Lizenz.
30 Banken gelten weltweit als systemrelevant
die müssen ihr Eigenkapital erhöhen
und ein Testament vorbereiten / für den Konkursfall
auch Ratingagenturen sollen geregelt werden
doch das wird noch dauern:
die Politiker nutzen sie gern / als bequeme Sündenböcke
Und draußen die Typen von Occupy Frankfurt
Ihre Human-microphone-Taktik wirkt eher als Stille Post:
Hat der jetzt gesagt: Meet the rich! oder: Greet the rich!
Hat er gesagt: Gutes Leben statt Profit! oder: Gutes Leben und Prosit!
1200
Ein Gerücht geht um in Europa
Mario Draghi, Chef der EZB
werde gleich zu Beginn seiner Amtszeit
die Zinsen senken
um 25 Punkte
die Devisenhändler rechnen schon damit
Der Euro-Kurs steigt
Der Markt entwickelt sich günstig
Jetzt kaufen!
Haha, die EZB spielt den DJ
und die Börsen feiern Party…
Nein, es geht schon wieder bergab
Keine Ahnung warum der Kurs sich verhält
wie er sich eben verhält
alles ist Psychologie
Die Börsen wissen nicht wohin.
Ist die Angst vor der Krise größer
als die Angst Gewinne zu verpassen?
Heute hat die Politik den Markt im Griff
das griechische Drama / raubt allen die Nerven
der Erynnien Gesang
begleitet eine politische Schaukelbörse
volatiler / geht’s nimmer.
A million… a billion… Its easy to get lost in the zeros
Die Karikaturen in der Herald Tribune sind die besten:
Occupyler zum Kapitalisten: Wir haben genug!
Kapitalist zum Occupyler: Wir auch.
Warum können übrigens Banker auch an Revolutionstagen
ungestört um 7h früh ins Büro fahren?
Weil die Revolutionäre immer bis wenigstens 11h pennen müssen.
1300
BBC meldet den Rücktritt Papandreous
ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone
sei jetzt kein Tabu mehr
die Anleger fassen Mut.
jetzt schnell reagieren!
der DAX steigt über 6000 Punkte.
werde mal kurz long gehen!
Und draußen skandieren die Occupyler:
Tax the Rich! Tax the rich!
Na gut. Schon besser als Eat the rich!
Wahrscheinlich bekömmlicher
Occupyler an Kapitalisten: Wir zahlen nicht für eure Krise
Kapitalist an Occupyler: Das könnt ihr sowieso nicht.
1400
Es wurde bestätigt:
Die EZB senkt die Zinsen / im Euro-Land
um ein Viertelprozent
Signal, dass Mario Draghi
als Retter des Euro
in die Geschichte eingehen will.
Ein Signal aber auch:
die Krise ist ernster als angenommen.
Und jetzt heißt es:
Rücktritt Papandreous wieder abgesagt
Der DAX sackt wieder ab auf 6000 Punkte.
Die Berg- und Talfahrt geht weiter
Bis jetzt galt die Regel:
Politische Börsen haben kurze Beine
seit der Schuldenkrise in Europa
spielt Politik aber die tragende Rolle.
Und draußen skandieren die Occupyler:
Make Jobs, not War! Make Jobs not war!
Klang früher schon smarter, da hieß das noch: Make Love, not war!
Karikatur in der Herald Tribune:
Penner zum Banker: Ich lebe von Staatsknete. Du auch?
Banker zum Penner: Ich geb dem Staat bloß die Kredite dafür.
1500
Das griechische Fernsehen meldet:
Papandreou werde nun doch
einer neuen Regierung zustimmen,
unter Beteiligung der Opposition
unklar ist noch, ob unter seiner Führung
Das Signal für die Anleger ist klar:
Mit der Opposition im Boot
wird das Referendum nicht stattfinden.
Sofort reagieren die Märkte
der Dax springt nach oben.
6.200 Punkte!
Von nun an gehts bergauf.
ein Kursfeuerwerk bricht los.
ich warte ab
Was die Masse macht ist immer falsch.
Und ich brauch heut noch einen Haircut
hoffentlich bricht deswegen / nicht gleich eine Bank zusammen.
Und draußen rumoren wieder die Occupyler
wenn die wüssten: Mit einem Hack des High Frequency Trades
wäre das Finanzsystem binnen Minuten auszuhebeln.
Empfehle dazu bloß ein Studium der Mathematik in Harvard
oder wenigstens der Economics an der LSE
1600
Ein turbulenter Börsentag mit gutem Ausgang:
plus 2,8 Prozent!
Positiv stimmten
die Leitzinssenkung der EZB
die Absage des Referendums in Athen
auch die Aussicht auf Berlusconis Rücktritt
hob deutlich die Laune
Es lebe das Swingtrading
nein, ist nichts Erotisches
jede Kursbewegung besteht aus einzelnen Swings
die man nutzen kann
Doch die Volatilität ist hoch wie nie
diese Schwankungen machen mich ratlos
sie lassen sich rational /nicht nachvollziehen
Eine Episode letztlich im Lauf der Eurokalypse
Jetzt runter in die Fressgass
aufs beste Steak in Frankfurt
bevor die Nachtschicht beginnt.
3. Satz
DAYTRADERS WEEK
LONDON STOCK EXCHANGE
PARTITUR: DAX 8–12/8/2011
Montag: Enttäuschung
Wird ein heißer Tag werden
hab schon Order platziert.
Sonntag nachts noch auf Asiens Börsen
Moody’s hat eben / die USA herabgestuft
die Wallstreet ist nervös
man fürchtet die Rezession
und geht über in den Krisenmodus
die Politik versucht / die Märkte zu beruhigen
die EZB kauft Staatsanleihen
doch das genügt uns nicht
Sorry, we don’t buy / this rescue plan
wir wollen die Eurobonds!
Ich rechne, dass die Kurse fallen
die Frage ist nur, wie viel?
als Daytrader ist es mir egal
ob die Kurse steigen oder fallen.
in beide Richtungen lässt sich verdienen.
(Opening Bell der NYSE wird eingespielt)
Opening Bell /Alles hält den Atem an:
Der Kurssturz bleibt aus!
Der DAX bewegt sich kaum nach unten.
Die Welt geht doch nicht unter
Keine Panikverkäufe. Kein Kursfiasko
Nervosität / doch nicht Hysterie
leichte Beruhigung sogar / bei hoher Volatilität
werde mich heute zurückhalten
und aus der zweiten Reihe zusehen
falls es doch noch zum großen Ausverkauf kommt
verkaufe Gold: Cash is king.
Wird der Weltuntergang erwartet
tritt er bestimmt nicht ein.
Der Tag war eine Enttäuschung
für alle / die auf ein Gemetzel gesetzt hatten.
Die Kurse fielen weniger als erwartet
und ich hab weniger verdient als erwartet
und jetzt steht mir noch die Nacht bevor.
Ginge ich schon um 22h nach Hause
fragten die Kollegen wieder
ob ich hier etwa nur halbtags arbeite.
Money never sleeps!
Ich brauch Kaffee bitte!
DIENSTAG / PANIK
Eine blutrote Nacht
gegen Morgen wurden alle panisch
Fear and loathing an der Wallstreet
Habe viel Geld verloren
in 2 Stunden war alles vernichtet
was ich in Wochen verdient hatte
Es geht immer schneller runter als rauf
Panikattacken in Europa / Schock in den USA
Kursgemetzel überall
die Alarmglocken schrillen
die Dämme brechen
die Leute spielen verrückt
eine Nervenschlacht
Hysterie in Hochgeschwindigkeit
die Kurse fallen und ich denke, das muss bald aufhören
aber es geht immer weiter
der Dow verliert 500 Punkte
Blutbad, Crash, Market meltdown
Endzeitstimmung
Das Tor zur Hölle ist auf
geht die Welt jetzt bankrott?
Ein Kurssturz den die Fakten aber nicht rechtfertigen:
genau genommen ist ja nichts passiert
die Anleger verloren bloß die Nerven
im irrationalen Überschwang
Mein Schuhputzer ist da? Soll nur reinkommen
der Weltuntergang ist leichter zu ertragen
in gut polierten Schuhen
und ich habe dabei die Screens im Blick
Die Börse funktioniert einfach:
Ist die Gier größer als die Angst, geht’s nach oben
ist die Angst größer als die Gier geht’s nach unten
Lloyd Blankfein von Goldman Sachs sagt, Banker täten Gottes Werk
Na gut, aber was machen dann bitte die atheistischen Banker?
oder die Jungs vom Islamic Banking?
oder Fernando Pessoas anarchistischer Banker?
Ich trade im Moment nur kurzfristig
ob Gott oder nicht
will auch die kurzen Runs nutzen
Hin und Her macht Taschen leer sagt man allerdings
Ich kann auch nicht mithalten
mit dem high frequency trading / der Computer
das schneller abschöpft als ich denken kann
Bin dafür, das zu regulieren
die Mindesthaltezeit für Positionen sollte per Gesetz
erhöht werden -auf wenigstens 1 Sekunde
Vor der Nachtschicht geh ich mal runter
brauch jetzt einen Drink.
MITTWOCH / NERVOSITÄT
Zuerst Aufatmen
Kursfeuerwerk
zwischendurch heißkalte Wechselduschen
dann setzt sich die Talfahrt fort
mit unverminderter Geschwindigkeit
Auf den Schirmen das Blutrot fallender Kurse
Angst treibt das Gold / auf 1900 Dollar.
die EZB stemmt sich gegen die Krise
kauft vergiftete Anleihen von Schuldnerstaaten
langsam legen sich die Panikattacken
Die Börse ist eine Herdenveranstaltung:
auf ein Signal hin stürmt die Meute los
gesteuert von Angst oder Gier
Der Tag war schmerzfrei für mich
investierte in Realwerte
kaufte Edelmetall und Aktien
die in der Rezession zwar verlieren
sicherte mich aber ab / mit Verkaufsoptionen
so verliere ich nichts und bekomme noch Geld
mit dem ich billig nachkaufe.
kaufte auch Rohstoffe
an denen man verdient / wenn die Wirtschaft boomt
und es zur Knappheit kommt
an denen man aber auch verdient / wenn’s bergab geht
weil die Regierungen dann Geld drucken
und die Anleger in Sachwerte investieren
aus Angst vor Inflation
Als Daytrader muss man aggressiv sein und gelassen zugleich
Hmm, die City wird 3000 Leute abbauen,
Wallstreet stellt 9000 neu ein.
muss mal meine Standortfrage überdenken
Genug für heute!
So, und jetzt runter auf ein Steak ins Gouchos!
nein, lieber ins Hawksmoor
dort gibt’s jetzt die besten Steaks von London
DONNERSTAG / BERUHIGUNG
Was soll denn das!
Der DAX startet im Plus!
Und wann beginnt bitte der tägliche Absturz?
Die Panikanleger sind wohl noch nicht munter
Die Kurse wollen sich erholen
doch die Schuldenstaaten vermiesen weiter / allen die Laune
wieder Herzflimmern und nervöses Zucken
Die Märkte werden immer schneller
auf Information / reagiert man / just in time
Die Meldungen der Agenturen kenne ich
ehe sie auf dem Bildschirm erscheinen.
bin online mit Analysten
überall in der Welt
Computer kaufen indessen /einander rauf und runter
Die Trader haben einen sicheren Weg gefunden
die Zukunft vorherzusagen: Sie gestalten sie sich selbst
Der DAX ist weiter auf Berg- und Talfahrt
und kurz vor Schluss geht ihm die Puste aus
Psychologie! Anders ist das nicht zu erklären
Es gilt nicht mehr: Buy low, sell high
Es gilt: Buy low, dont sell high
Irgendwann wird man bemerken:
die Unternehmen verdienen ja immer noch Geld
Der Friseur wartet? Gut. Soll reinkommen.
Verluste tragen sich leichter, mit einem frischen Haircut
Ist doch wieder ganz gut gelaufen
Hab heute 200 Order eingegeben
und jeden Future nach einer Minute verkauft.
war bullisch auf Rohstoffe und Edelmetalle
hab gewonnen mit Anleihen, Goldaktien und Schweizer Franken
mich mit CDS abgesichert
die Verluste vom Montag sind wettgemacht
The trend is your friend! The trend is your friend!
Ah, Donnerstag Abend!
Runter in den Pub / zum üblichen Umtrunk unter Kollegen
Die Börsen der Welt sind letztlich / eine globale Gerüchteküche.
FREITAG / ERHOLUNG
Nach einer Woche des Grauens
sind die Börsen wieder gut gelaunt
Launische Diven, diese Börsen!
Doch der Bullenmarkt ist am Ende
ein Bärenmarkt hat begonnen
Take your money and run
Die Börsen gehen freundlich ins Wochenende
Jetzt auf Bullenfallen achten:
kurzfristiger Anstieg, der zum Einstieg verlockt
Wer die entscheidende Viertelstunde der letzten Tage versäumt hat
hat alles versäumt.
Was für eine Woche:
USA verlieren ihr Triple A
Banken leihen einander kein Geld mehr
die Anleger spielen verrückt.
Doch die Panikattacken sind abgeklungen
man möge doch bitte beim nächsten Mal
gleich dämpfende Drogen verteilen
Und Europa rückt zusammen!
Lasst uns hier mal ausdrücklich den sog. „Märkten“ danken!
Für ihre Verdienste um die europäische Einigung.
Das hätte die Politik in Jahrzehnten nicht geschafft.
Heuer werden unsere Boni gekürzt.
auf maximal 100.000 Pfund.
Mit dem Grundgehalt von 300.000 komm ich in London nicht weit.
Werde wohl sparen müssen. Aber wo?
Lebe ohnehin auf nur 600 Quadratmetern
Die Oldtimersammlung abstoßen?
Meine Tochter aus der Privatschule nehmen?
Die Mitgliedschaft im Yachtclub kündigen?
Na gut, aufs Golfen kann ich verzichten
Und auf den Skiurlaub in den Alpen auch.
Leergeschäfte werden jetzt in einigen Ländern verboten
Spiele das also künftig über Hongkong und Shanghai
Man hat uns Gier unterstellt.
Doch wir tun nur, was erlaubt ist
aber wir tun alles, was erlaubt ist
das ist unser Job:
Gesetz der Grenzmoral
Säumig sind jene / die gewählt sind / zu normieren/ w a s erlaubt ist.
Indessen bleibt mir nur: Um meine Boni zu sichern
muss auch ich tun was meine skrupellosesten Kollegen tun
Jetzt ab ins Weekend!
In St. Katharine Docks an der Tower Bridge
wartet auf den Daytrader / sein Daycruiser
Sunseeker / 30 Fuß / 2 mal 300 PS
Will damit die Themse runter / zum Weekend nach Brighton
Work Hard. Play hard
Nach der Krise ist vor dem Aufschwung….
(singt)
Let’s swing the party
3.1
DON’T GO FOR A COFFEE
WHILE STARTING A FLASH CRASH
Let’s swing the party / Lets swing down the Themse
Lets swing over to Brigthon
But don’t go for a coffee /while starting a flash crash
Buy low, sell high / or your money says good bye
Buy when the cannons roar
But don’t go for a coffee /while starting a flash crash
A million, a billion / Its easy / to get lost in the zeros
A million, a billion / let’s try to keep up with the heros
Let’s swing London city / Lets swing the new trends
Let’s swing the whole market
But don’t go for a coffee /while starting a flash crash
Lets swing friday evening / Lets swing the whole weekend
Lets swing till monday morning
But don’t go for a coffee /while starting a flash crash
Buy low, sell high / or your money says good bye
Buy when the cannons roar
But don’t go for a coffee /while starting a flash crash
Lets’s trade our plan / but get out when in doubt
everything is allowed
but don’t follow the crowd, don’t follow the crowd
Let’s swing the party / Lets swing down the Themse
Lets swing over to Brigthon
But no Coffee To Go / while making your show
4. Satz
GAME OVER
LONDON-CITY, 30.10.2012
KÜNDIGUNG
Vorhin kam der Anruf: ich soll ins Büro des Chefs kommen
entweder geht’s um meinen Bonus
oder um meine Entlassung, dachte ich
In der City fürchten alle mal wieder um ihre Jobs
Tausende wurden schon gefeuert
Gehört zum Geschäft: Hire and fire
Doch diesmal geht’s nicht nur um die kleinen Angestellten
es geht um uns, die Golden Boys
die Zauberer, die Milliarden kontrollieren
die masters of the universe
Aber ich hab schon etliche Entlassungswellen überlebt
machte mir also auch diesmal keine Sorgen
man schlachtet ja nicht die Gans
die goldene Eier legt.
Ha! Diesmal gings tatsächlich um meine Entlassung.
Mein Job sei gestrichen worden erklärte man
ich solle es nicht persönlich nehmen
es gehe nicht um mich sondern um das wofür ich arbeite
das Investmentbanking werde redimensioniert.
es bringe nicht mehr die Einnahmen wie einst
Derivate werden weniger gekauft
Eigengeschäfte wurden uns verboten
es gibt weniger Börsengänge und weniger Fusionen
es betreffe die Emerging Markets
ebenso wie den Bondhandel
auch andere Abteilungen werden verschlankt
das Geschäft schrumpfe auf ein gesundes Maß
die Banken müssten wieder zu ihrem Kampfgewicht abspecken
kurz: meine Abteilung werde aufgelöst.
(er lockert seine dezent gemusterte Krawatte von Brioni und beginnt, seine privaten Sachen in einen Karton zu werfen. Laptop; Ladegeräte, Fotos, Rasierapparat, Schuhputzzeug, „Tombstones“)
Tja, ich bin wirklich raus
die Party ist vorüber
mein Blackberry wird abgeschaltet
mein Sicherheitschip ist schon deaktiviert
den Schlüssel zum Dienstwagen musste ich abgeben
Gut, man wird nicht Investmentbanker weil man Sicherheit erwartet man weiß: der Job ist ein Schleudersitz.
THE SHIP
Bin dann erst mal runter in den Pub
„The Ship“ im Talbot Court
wo schon im 17 Jahrhundert
Dockarbeiter und Deckhands ihr Bier tranken
nach dem Entladen der Schiffe
von den St. Katherine Docks
The Ship öffnet früh, Banker sind meist früh im Büro
und brauchen ihren ersten Coffee to go
diesmal hatten sich schon Dutzende Kollegen eingefunden
mit ihren Kartons unterm Arm
um ihren Frust runterzuspülen
weil sie nicht mehr in die Bank durften
jeder neue wurde mit großem Hallo begrüßt
Hi! Du auch!?
(obenauf in den Karton stellt er eine Topfpflanze, sagt wie zur Entschuldigung dass er sich mit sowas Trivialem abgibt)
War mal ein Geschenk!
Die meisten hat man heute gar nicht mehr in die Büros gelassen
wurden von Personalisten am Eingang abgefangen
die ihnen einen Brief in die Hand drückten
und die Schlüssel abnahmen.
man wollte vermeiden, dass sensible Daten die Bank verlassen
Kundenkonten zum Beispiel für neugierige Finanzämter
Sie mussten dann ihre Kollegen anrufen
damit die ihnen die persönlichen Sachen runterbringen
Höre, die UBS streicht 10.000 Jobs
die Citigroup 11.000
Bank of America und HSBC bauen 30.000 ab
erst glaubte man an das übliche Spiel:
eine Welle die vorübergeht wie alle andern
doch langsam wird allen klar: Dieses Mal ist es anders
die Finanzbranche macht ihre Katharsis durch
die fetten Jahre sind vorüber
Ha, bin nur neugierig, wer all die neuen Trading Floors besiedeln soll in den State-of-the-Art-Glastürmen der Canary Wharf!
5 Jahre habe ich also für dieses Haus gearbeitet
schon als Student der LSI
hier im Sommer praktiziert
bin als Jahrgangsbester eingeladen worden
musste mich nicht erst bewerben
bin rasch aufgestiegen
war ja ein Superjob
internationale Reisen
gut dotiert, 300.000 fix, dazu die Boni
und ein Spesenkonto
Wird schwierig sein, dorthin zurück zu kommen
ich fang wieder von ganz unten an
wer hoch steigt kann tief fallen,
oder für meine Freunde die Wienerisch verstehen:
Wärst ned auffigstiegn, wärst ned owigfolln.
Kürzlich ist ein Banker vom Dach des Coq d’Argent gesprungen, durchs Glasdach mitten hinein ins Atrium
es war sein Lieblingsrestaurant
weiß nicht ob er auch auf seinen Lieblingstisch gelandet ist
Derivate waren der Treibstoff der Finanzkrise
die Krise ist vorbei und vorbei ist auch das große Geschäft
aber ich brächte schon noch die Millionen
doch in Wahrheit werden wir für Basel III geopfert
man bucht die kommenden Bankregulierungen ein
es wird mehr Eigenkapital gefordert
und das kommt teuer
weshalb man lieber das Geschäft zurückfährt
Vor der Krise brachten wir die höchsten Profite
wir waren die Stars
jetzt stürzt man uns von den Sockeln
Eigentlich sind ja Banker die wahren Marxisten: haben die einzige Industrie verwirklicht, in der die Arbeit das Kapital ausbeutet
und nicht umgekehrt
Naja, die Zeitungleser wirds freuen,
dass es jetzt auch mal uns erwischt
zugegeben, erfolgreiche Trader sind manchmal etwas arrogant
aber das Recht auf Arroganz ist hart erworben
jetzt aber ist Demut angesagt
Dabei war die Idee mit den Derivaten nicht falsch.
das Ausfallsrisiko sollte nicht eine einzelne Bank treffen
sondern auf viele verteilt werden
Das Problem war nicht die Theorie
das Problem waren die Menschen.
Haha, die Occupyler haben von uns gelernt
„Strike Dept“ ist der neue Slogan
kaufen mit Spendengeldern abgewertete Schuldnerpapiere
und erlassen den Schuldner dann ihre Schuld.
Erinnert an „Herr, vergib uns unsere Schuld
wie auch wir vergeben unseren Schuldnern“
Der erste Versuch mit Krankenhausschulden
von New Yorker Haushalten ist geglückt.
bei einem Preis von 5 Cent für 1 Dollar.
Funktioniert natürlich nur am Anfang
dann ziehen sofort die Preise an
und mit Spenden kommt man nicht mehr weit
intelligenter Versuch immerhin
ausgeheckt natürlich von einem Börsentrader
der mit Occupy sympathisiert.
TAYYABS
Hab übrigens sofort meine Headhunterin angerufen
und ihr meine Bewerbungsunterlagen gemailt
die ich selbstverständlich immer bereit halte, perfekt upgedated
seit der Finanzkrise habe sie 80% ihres Geschäfts verloren
sagt sie, und diese Jobs kämen nicht wieder.
Hab mich mit ihr im Tayyabs verabredet
ein gerade angesagtes pakistanisches Restaurant
im Osten der Stadt, an der Whitechaple Road
sieht von außen mehr aus wie eine Imbissbude
als ein Restaurant für Cityboys
davor aber immer eine Warteschlange
von Anzugträgern und Kostümträgerinnen
an denen man mich aber immer vorbeiwinkt
weil man mich dort kennt.
Bis jetzt zumindest.
Sie habe hunderte Bewerber auf ihrer Liste
sagte die Headhunterin, immer wieder rufen Banker an
aber es gibt keine Angebote für sie
und für andere Berufe seien die nicht vermittelbar
wegen ihrer hohen Gehaltsvorstellungen
für die meisten bestünde derzeit keine Chance
im Finanzbereich wieder unterzukommen
sie müssten sich neu orientieren
jedenfalls ihre Ansprüche stark zurückschrauben
they never come back, sagt sie
nur den Besten könne sie noch Hoffnung machen
ja, nur für die Besten sei noch Bedarf.
(er grinst)
Na also!
So, und jetzt kultiviere ich erst mal meinen Biogemüsegarten
in der Hackney Cityfarm, im Osten der Stadt Richtung Canary Wharf dort werden jetzt Äcker verpachtet.
oder ich geh auf die Caymans und arbeite dort mit eigenem Geld
Inzwischen –let’s party the Blues…
(singt den Blues)
DAYTRADERS BLUES
Let’s party the Blues, man / let’s party the Blues
closing bell has rung, man / let’s party the blues
showtime is over / so come on / let’s start party the blues
I am a goodmood trader the day
and a goodmood dancer the night
I am a pretty good goodmood trader the day
and a damn goodmood dancer every night
work hard, party hard and the trend / will be your friend
Finance romances the day / finance romances the night
romances that are going on with the sun round the world
a romance that will start here at every bright night
Money never sleeps / Love ever creeps
Finance is my romance all the time
Let’s trade the world, man / let’s trade the world
when the bell starts the morning session
we are going to trade the whole wide world
opening bell has rung at dawn / good morning markets
now come on, move again, come on
When money is in the line / I couldn’t tell you the time
When money is in the line / I’m not able to tell you the time
Let profits run / till the job is done /
than take your money and run
ENDE
Biografische Anmerkung: