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Wer ist größer: Konzerne oder Nationalstaaten? Steigt die Macht der Großkonzerne? (Michael Hörl)

Magazine aktuell


#gabb aktuell



22.10.2012, 11999 Zeichen

Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg und hat am 2.7.2012 sein neues Buch, „Die Gemeinwohl-Falle“ veröffentlicht. Es sei als fundierte Antwort auf die Aussagen von Christian Felber, Jean Ziegler oder der Arbeiterkammer zu sehen.


U.a. Bericht hat er heute an Journalisten verschickt. Gerne bringe ich den Beitrag.


"Wissenschaftlich nachgemessen:
Steigt die Macht der Großkonzerne?

Karl Marx war zutiefst davon überzeugt, dass der Kapitalismus nur eine Handvoll industrieller Monopol-Konglomerate überlassen würde, die einer verarmten Weltbevölkerung das letzte Hemd abpressen würden. Globalisierungskritische Bewegungen wie Attac haben Karl Marx’ Vorwürfe heute zum zentralen Bestandteil ihres neuen Denkens gemacht. Misst man wissenschaftlich nach, scheint die Urangst allerdings unbegründet zu sein.

Seit 150 Jahren wirft man den Konzernen die zunehmende Ballung wirtschaftlicher und politischer Macht vor. Um das Bedrohungsszenario zu illustrieren, vergleicht man gerne deren Umsätze mit den Bruttoinlandsprodukten von Nationalstaaten. So würden in einer gemischten Liste von Konzernen und Ländern 51 Konzerne und nur 49 Länder liegen.

Wer ist größer: Konzerne oder Nationalstaaten?

Doch lässt diese Betrachtungsweise auf den Bildungshorizont des Betrachters schließen. Man kann das Volkseinkommen (BIP) eines Staates wirtschaftswissenschaftlich nicht mit dem Umsatz einer Firma vergleichen. Das BIP ist ja die Summe der Wertschöpfung aller Betriebe bzw. aller Produktionsstufe, also immer die Umsätze minus Wareneinkäufe. Wenn ein Ölkonzern Produkte um 50 Milliarden Dollar verkauft, das Rohöl aber um 40 Milliarden eingekauft hat, beträgt seine Wertschöpfung nur 10 Milliarden. Und nur diese 10 Milliarden gehen in die Berechnung des BIPs ein. Den Bezug des Öls ist dabei für viele Jahrzehnte vertraglich fix an ein bestimmtes Förderland gebunden, der wirtschaftliche Spielraum gering.

 




























Konzern



Umsatz in Mrd. Dollar



Wertschöpfung in %



Wertschöpfung in $


General Motors

184.632



22,80%



42.096


Royal Dutch/Shell

149.146



24,30%



36.242


British Petroleum

148.062



22,60%



33.462



Paul De Grauwe von der belgischen Universität hat sich die Mühe gemacht und auf Basis von Jahresabschlüssen die Vorleistungen von Konzernen herausgerechnet. Das Resultat ist erstaunlich. Nur ein knappes Viertel wird an Wertschöpfung im Land und vom Konzern erzeugt. Der Rest sind Zulieferleistungen. Im Jahr 2000 wäre General Motors mit 184 Milliarden Dollar Umsatz noch weltweit am 23. Platz gewesen, gleich hinter Österreich. Zieht man von den 184 Milliarden aber die zugekauften Vorprodukte ab, so ist er mit einer Wertschöpfung von 42 Milliarden Dollar nur mehr auf Platz 46 – vor Nigeria. Royal Dutch/Shell sinkt bei wissenschaftlicher Betrachtung von Platz 28 (vor Saudi-Arabien) auf Platz 62 ab, BP auf Platz 63. Das ist nur mehr knapp vor Rumänien.[1] Und das braucht niemandem mehr Angst einzujagen.

 

Wachsen Konzerne ins Unermessliche?

 

„Die 500 größten Konzerne kontrollierten 1994 ein Viertel des Welt-BIPs, 2005 war es schon mehr als ein Drittel“, so Christian Felber (Attac) Angst einflößend[2]. Was der Globalisierungskritiker nicht sagt (oder weiß?): Es sind niemals dieselben Konzerne (oder aus denselben Ländern) an der Spitze.

In Europa gilt es als unbestritten, dass Konzerne unkontrolliert größer würden und aufgrund ihrer schieren Macht die Politik (der Europäischen Union), ja wenn nicht gleich die ganze Welt beherrschten. Betrachtet man sie aber über die Jahrzehnte, so sind manche Konzerne zwar gewachsen, manche allerdings verschwunden. An den drei US-Autokonzernen sieht man es gut: General Motors musste sich (nach dem Konkurs) verkleinern, Chrysler wurde von Fiat übernommen. Und Ford ist schlicht und einfach langsamer gewachsen als die Weltwirtschaft. In nur 40 Jahren sind alle drei US-Konzerne aus den Top 15 rausgeflogen.







































































































Die 15 weltgrößten Konzerne waren von 1970 bis 2010 …

(Fortune 1995-2010, cnn.com 1990, Fischer Almanach 1984, Hörl 2012)



1970



1990



2005



2010



GM



GM



Wal-Mart



Wal-Mart



Exxon Mobil



Ford



BP



Shell



Ford



Exxon Mobil



Exxon Mobil



Exxon Mobil



General Electr.



IBM



Shell



BP



IBM



General Electr.



GM



Toyota



Chrysler



Mobil



DaimlerChrysler



Japan Post



Mobil



Altria Group



Toyota



Sinopec



Texaco



Chrysler



Ford



State Grid



ITT



DuPont



General Electr.



AXA



Gulf Oil



ChevronTexaco



Total



China Petroleum



AT&T



Amoco



ChevronTexaco



Chevron



US Steel



Shell



ConocoPhillips



ING Group



ChevronTexaco



Procter&Gamble



Axa



General Electr.



LTV



Boeing



Allianz



Total



DuPont



Occidental



Volkswagen



Bank of America



Beobachtet man den Zeitraum von nur 40 Jahren, dann ist eines klar: Die Angst vor der Welt-Herrschaft des Kapitals ist unbegründet. Von den 15 größten Firmen im Jahr 1970 kamen fast alle aus den USA. Nur 20 Jahre später, 1990, waren von den 15 besten aus dem Jahre 1970 schon nur mehr 9 übergeblieben. Weitere 15 Jahre später, 2005, gar nur mehr 5. Und im Jahr 2010 waren von fünfzehn Mega-Konzernen aus dem Jahr 1970 noch ganze drei im Jahr 2010 übergeblieben. Wer die „Fortune 500“-Listen der letzten Jahre unter die Lupe genommen hat, der ahnt, woher die Konzerne der nächsten 20 Jahre kommen werden: Aus China. Und auch Chinas Konzerne werden nicht ewig tonangebend sein. In 40 Jahren werden sie vielleicht von indischen eingeholt worden sein.

Viele multinationale Konzerne sind also nicht unkontrolliert größer − sondern im Gegenteil − kleiner geworden. Oder sie verschwanden ganz vom Kurszettel. Der US-Rüstungs- und Stahlkonzern LTV ist zum Beispiel so ein Fall. 1970 hätte er Marxisten noch das Fürchten gelehrt, vereinte er doch alle Produktionsstufen der „Old Economy“ − von der Stahlgewinnung über die Elektronik bis zum Bau von Jagdbombern (A7 Corsair). Doch das Warten hat sich ausgezahlt. Im Jahr 2000 war die Firma pleite.

 

Wenn die Großen vor die Hunde geh`n…

 

ITT wurde 1920 auf Puerto Rico gegründet, als zwei Zuckermakler, die Brüder Sosthenes und Hernand Behn, im Rahmen ihrer Tätigkeit statt unrentabler Außenstände die Puerto Rico Telephone Company erhielten. Der Konzern gehörte bald zu den größten Telefongesellschaften der Erde. Ende der 1970er Jahre lief es in manchen Bereichen nicht mehr so gut. Bis 1995 wurden Unternehmensteile entweder abgespalten oder verkauft. Heute gibt es ITT so gar nicht mehr.

Der AT&T-Konzern betrieb das US-amerikanische Fernsprechnetz. Unglücklicherweise nur bis 1984. In diesem Jahr wurde der Konzern vom US-Kartellamt in 9 kleine Firmen zerschlagen.

US Steel beschäftigte im Zweiten Weltkrieg 340.000 Menschen. 1970 war es noch das zwölftgrößte Unternehmen der Welt. Mit dem Erstarken der japanischen Konkurrenz in den 1980er Jahren begann sein Niedergang. Heute hat sich der Konzern aber auf vergleichsweise niedrigem Niveau stabilisiert.

Gulf Oil war einst der siebtgrößte Ölkonzern der USA, mit den 1960ern begann der schleichende Niedergang. 1984 wurde er mit Chevron fusioniert.

General Motors, über Jahrzehnte hinweg weltgrößter Konzern und Flaggschiff der US-Industrie, musste sich 2008 unter Chapter XI (US-Gläubigerschutz für insolvenzgefährdete Betriebe) verstecken, wurde dann vom Staat gerettet und backt nach seinem Neustart heute bedeutend kleinere Brötchen.

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. 1867 erschien Karl Marxens erster Band des „Kapitals“. Wer den Kurszettel der Londoner Börse aus diesem Jahre studiert, wird wahrscheinlich keine einzige Firma davon mehr heute kennen. Geschweige denn, dass sich daraus weltumspannende Monopol-Konglomerate gebildet hätten. Damit können die Konzerne von damals heute also weder Wirtschaft, Politik oder Menschen kontrollieren. Und das ist auch gut so.

 

Wer nun moniert, dass vor allem besonders börsennotierte Konzerne kleinere vom Markt verdrängten, möge die Marktkapitalisierung von anno dazumal mit der von heute vergleichen. Die „Marktkapitalisierung“ errechnet sich aus der Anzahl ausgegebener Aktien multipliziert mit deren aktuellem Börsenwert. Somit spiegelt die Kapitalisierung den momentanen Börsenwert einer Firma wider.

 

Börsenkapitalisierung: Konzerne haben`s schwer

 























































































Heutiger Rang der TOP 15-Konzerne des Jahres 1980 bei Börsenkapitalisierung[3]


 


 


(nach Börsenkapitalisierung) (Bloomberg/DWS/Goldman Sachs 2010)


 

1982



2010


IBM

1.



16.


Exxon Mobil

2.



1.


Schlumberger

3.



45.


Chevron

4.



21.


BP

5.



36.


General Electric

6.



19.


General Motors

7.



129.


Royal Dutch Shell

8.



12.


Eastman Kodak

9.



>500.


Halliburton

10.



229.


Conoco Phillips

11.



58.


Union Pacific

12.



165.


3M

13.



111.


Toyota

14.



28.


Merck & Co.

15.



44.



Konzernen mit einer hohen Börsenkapitalisierung (also vielen Aktien bei hohen Aktienkursen) traut die Börse (also der Markt, also die Spezialisten in den Investmentfonds) besonders starkes Wachstum zu. Wenn wir aber die Stars aus dem Jahre 1980 betrachten und sie mit denen aus dem Jahre 2010 vergleichen, zeigt sich schnell: Einen garantierten Platz auf dem Siegerpodest gibt es im Leben nun einmal nicht, auch nicht für die Größten dieser Welt.

Die dauernde Veränderung an der Spitze der größten Konzerne verdeutlicht sowohl die Entwicklungsstufen als auch die Moden der jeweiligen Wirtschaft. Die 1980er waren von Öl- und Maschinenkonzernen (etwa Autos) dominiert, etwa die Hälfte von ihnen förderte den Schmierstoff der „Old Economy“. In den 1980er Jahren lösten japanische Konzerne US-amerikanische ab – im Jahre 1990 stammten bereits acht Unternehmen aus dem Land der aufgehenden Sonne. Plötzlich waren 1990 auch fünf Bankkonzerne unter den Top 15, und alle fünf kamen aus Japan.

Die Angst der Amerikaner, dass „die Japaner“ in den 90ern Amerika aufkaufen würden, war groß. Und unberechtigt. All die schönen japanischen Autos, die vor laufender Kamera demoliert wurden (teils mit Vorschlaghämmern „Made in Japan“), waren dem Kleingeist umsonst geopfert worden. Oder erinnern Sie sich noch an die „Industrial Bank of Japan“? Oder die „Fuji Bank“, die „Sakura Bank“, die „Sumitomo Mitsui Financial“ und die „Dai-Ichi Kangyo Bank“? Die fünf ehemaligen Top-Konzerne notieren heute unter „ferner liefen“.

Und weitere zehn Jahre später? Im Jahr 2000 sind alle japanischen Banken von der „Siegerliste“ verschwunden. Dafür ist eine US-amerikanische unter die „Top 15“ gestoßen, die Citigroup. Und bereits vier chinesische Konzerne haben es geschafft. Und einige US-Investmentfonds. Doch auch vor den „mächtigen“ Investmentfonds muss keiner Angst haben. Sie besitzen ja nur die Anteile anderer Firmen – und gehören (über die veranlagten US-Lebensversicherungen) den Menschen selber. Zumindest denen aus Amerika.

Insgesamt kommen nur mehr 40% der Top-Konzerne aus Amerika, und der Trend geht unaufhörlich weiter Richtung Schwellenländer. Nach neomarxistischer Lehre sollten aber gerade die Schwellenländer durch die Verschwörung des (nördlichen) Kapitals am Boden niedergehalten werden. Doch die aufstrebenden Nationen Süd- und Ostasiens oder Lateinamerikas kümmern sich nicht um den ihnen prognostizierten Niedergang – sie wachsen mit teils 10 Prozent im Jahr der Nordhalbkugel auf und davon. Ob das den Pessimisten (des Nordens) passt oder nicht.

 

Konzerne: Weltverschwörung abgesagt

 

Wer heute – 145 Jahre nach Veröffentlichung von Karl Marx´ „Kapital“ – noch immer an die Verschwörung des Kapitals und seinen Drang zur Weltherrschaft glaubt (sowie 50% der Deutschen das tun) – dem ist entweder nicht mehr zu helfen – oder er ist ein Produkt des europäischen Bildungssystems. Wer Wirtschaft nicht versteht – und es nie verstanden hat – der reimt sich die Welt mit Komplotten zusammen.

Wenn wir es nicht endlich schaffen, Europas Bevölkerung betriebswirtschaftlich auszubilden, dass brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir es eines Tages vielleicht heimlich im Untergrund tun müssen.

 






[1] „How big are the multinational Companies?”, Paul De Grauwe, University of Leuven and Belgian Senate, 2002


[2] Neue Werte für die Wirtschaft, Christian Felber, S. 32


[3] Quellen: Bloomberg Datastream, DWS, Goldman Sachs; Stand 1.12.2010, Auf: wwwfocam.de, 10.3.2012






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    Wer ist größer: Konzerne oder Nationalstaaten? Steigt die Macht der Großkonzerne? (Michael Hörl)


    22.10.2012, 11999 Zeichen

    Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg und hat am 2.7.2012 sein neues Buch, „Die Gemeinwohl-Falle“ veröffentlicht. Es sei als fundierte Antwort auf die Aussagen von Christian Felber, Jean Ziegler oder der Arbeiterkammer zu sehen.


    U.a. Bericht hat er heute an Journalisten verschickt. Gerne bringe ich den Beitrag.


    "Wissenschaftlich nachgemessen:
    Steigt die Macht der Großkonzerne?

    Karl Marx war zutiefst davon überzeugt, dass der Kapitalismus nur eine Handvoll industrieller Monopol-Konglomerate überlassen würde, die einer verarmten Weltbevölkerung das letzte Hemd abpressen würden. Globalisierungskritische Bewegungen wie Attac haben Karl Marx’ Vorwürfe heute zum zentralen Bestandteil ihres neuen Denkens gemacht. Misst man wissenschaftlich nach, scheint die Urangst allerdings unbegründet zu sein.

    Seit 150 Jahren wirft man den Konzernen die zunehmende Ballung wirtschaftlicher und politischer Macht vor. Um das Bedrohungsszenario zu illustrieren, vergleicht man gerne deren Umsätze mit den Bruttoinlandsprodukten von Nationalstaaten. So würden in einer gemischten Liste von Konzernen und Ländern 51 Konzerne und nur 49 Länder liegen.

    Wer ist größer: Konzerne oder Nationalstaaten?

    Doch lässt diese Betrachtungsweise auf den Bildungshorizont des Betrachters schließen. Man kann das Volkseinkommen (BIP) eines Staates wirtschaftswissenschaftlich nicht mit dem Umsatz einer Firma vergleichen. Das BIP ist ja die Summe der Wertschöpfung aller Betriebe bzw. aller Produktionsstufe, also immer die Umsätze minus Wareneinkäufe. Wenn ein Ölkonzern Produkte um 50 Milliarden Dollar verkauft, das Rohöl aber um 40 Milliarden eingekauft hat, beträgt seine Wertschöpfung nur 10 Milliarden. Und nur diese 10 Milliarden gehen in die Berechnung des BIPs ein. Den Bezug des Öls ist dabei für viele Jahrzehnte vertraglich fix an ein bestimmtes Förderland gebunden, der wirtschaftliche Spielraum gering.

     




























    Konzern



    Umsatz in Mrd. Dollar



    Wertschöpfung in %



    Wertschöpfung in $


    General Motors

    184.632



    22,80%



    42.096


    Royal Dutch/Shell

    149.146



    24,30%



    36.242


    British Petroleum

    148.062



    22,60%



    33.462



    Paul De Grauwe von der belgischen Universität hat sich die Mühe gemacht und auf Basis von Jahresabschlüssen die Vorleistungen von Konzernen herausgerechnet. Das Resultat ist erstaunlich. Nur ein knappes Viertel wird an Wertschöpfung im Land und vom Konzern erzeugt. Der Rest sind Zulieferleistungen. Im Jahr 2000 wäre General Motors mit 184 Milliarden Dollar Umsatz noch weltweit am 23. Platz gewesen, gleich hinter Österreich. Zieht man von den 184 Milliarden aber die zugekauften Vorprodukte ab, so ist er mit einer Wertschöpfung von 42 Milliarden Dollar nur mehr auf Platz 46 – vor Nigeria. Royal Dutch/Shell sinkt bei wissenschaftlicher Betrachtung von Platz 28 (vor Saudi-Arabien) auf Platz 62 ab, BP auf Platz 63. Das ist nur mehr knapp vor Rumänien.[1] Und das braucht niemandem mehr Angst einzujagen.

     

    Wachsen Konzerne ins Unermessliche?

     

    „Die 500 größten Konzerne kontrollierten 1994 ein Viertel des Welt-BIPs, 2005 war es schon mehr als ein Drittel“, so Christian Felber (Attac) Angst einflößend[2]. Was der Globalisierungskritiker nicht sagt (oder weiß?): Es sind niemals dieselben Konzerne (oder aus denselben Ländern) an der Spitze.

    In Europa gilt es als unbestritten, dass Konzerne unkontrolliert größer würden und aufgrund ihrer schieren Macht die Politik (der Europäischen Union), ja wenn nicht gleich die ganze Welt beherrschten. Betrachtet man sie aber über die Jahrzehnte, so sind manche Konzerne zwar gewachsen, manche allerdings verschwunden. An den drei US-Autokonzernen sieht man es gut: General Motors musste sich (nach dem Konkurs) verkleinern, Chrysler wurde von Fiat übernommen. Und Ford ist schlicht und einfach langsamer gewachsen als die Weltwirtschaft. In nur 40 Jahren sind alle drei US-Konzerne aus den Top 15 rausgeflogen.







































































































    Die 15 weltgrößten Konzerne waren von 1970 bis 2010 …

    (Fortune 1995-2010, cnn.com 1990, Fischer Almanach 1984, Hörl 2012)



    1970



    1990



    2005



    2010



    GM



    GM



    Wal-Mart



    Wal-Mart



    Exxon Mobil



    Ford



    BP



    Shell



    Ford



    Exxon Mobil



    Exxon Mobil



    Exxon Mobil



    General Electr.



    IBM



    Shell



    BP



    IBM



    General Electr.



    GM



    Toyota



    Chrysler



    Mobil



    DaimlerChrysler



    Japan Post



    Mobil



    Altria Group



    Toyota



    Sinopec



    Texaco



    Chrysler



    Ford



    State Grid



    ITT



    DuPont



    General Electr.



    AXA



    Gulf Oil



    ChevronTexaco



    Total



    China Petroleum



    AT&T



    Amoco



    ChevronTexaco



    Chevron



    US Steel



    Shell



    ConocoPhillips



    ING Group



    ChevronTexaco



    Procter&Gamble



    Axa



    General Electr.



    LTV



    Boeing



    Allianz



    Total



    DuPont



    Occidental



    Volkswagen



    Bank of America



    Beobachtet man den Zeitraum von nur 40 Jahren, dann ist eines klar: Die Angst vor der Welt-Herrschaft des Kapitals ist unbegründet. Von den 15 größten Firmen im Jahr 1970 kamen fast alle aus den USA. Nur 20 Jahre später, 1990, waren von den 15 besten aus dem Jahre 1970 schon nur mehr 9 übergeblieben. Weitere 15 Jahre später, 2005, gar nur mehr 5. Und im Jahr 2010 waren von fünfzehn Mega-Konzernen aus dem Jahr 1970 noch ganze drei im Jahr 2010 übergeblieben. Wer die „Fortune 500“-Listen der letzten Jahre unter die Lupe genommen hat, der ahnt, woher die Konzerne der nächsten 20 Jahre kommen werden: Aus China. Und auch Chinas Konzerne werden nicht ewig tonangebend sein. In 40 Jahren werden sie vielleicht von indischen eingeholt worden sein.

    Viele multinationale Konzerne sind also nicht unkontrolliert größer − sondern im Gegenteil − kleiner geworden. Oder sie verschwanden ganz vom Kurszettel. Der US-Rüstungs- und Stahlkonzern LTV ist zum Beispiel so ein Fall. 1970 hätte er Marxisten noch das Fürchten gelehrt, vereinte er doch alle Produktionsstufen der „Old Economy“ − von der Stahlgewinnung über die Elektronik bis zum Bau von Jagdbombern (A7 Corsair). Doch das Warten hat sich ausgezahlt. Im Jahr 2000 war die Firma pleite.

     

    Wenn die Großen vor die Hunde geh`n…

     

    ITT wurde 1920 auf Puerto Rico gegründet, als zwei Zuckermakler, die Brüder Sosthenes und Hernand Behn, im Rahmen ihrer Tätigkeit statt unrentabler Außenstände die Puerto Rico Telephone Company erhielten. Der Konzern gehörte bald zu den größten Telefongesellschaften der Erde. Ende der 1970er Jahre lief es in manchen Bereichen nicht mehr so gut. Bis 1995 wurden Unternehmensteile entweder abgespalten oder verkauft. Heute gibt es ITT so gar nicht mehr.

    Der AT&T-Konzern betrieb das US-amerikanische Fernsprechnetz. Unglücklicherweise nur bis 1984. In diesem Jahr wurde der Konzern vom US-Kartellamt in 9 kleine Firmen zerschlagen.

    US Steel beschäftigte im Zweiten Weltkrieg 340.000 Menschen. 1970 war es noch das zwölftgrößte Unternehmen der Welt. Mit dem Erstarken der japanischen Konkurrenz in den 1980er Jahren begann sein Niedergang. Heute hat sich der Konzern aber auf vergleichsweise niedrigem Niveau stabilisiert.

    Gulf Oil war einst der siebtgrößte Ölkonzern der USA, mit den 1960ern begann der schleichende Niedergang. 1984 wurde er mit Chevron fusioniert.

    General Motors, über Jahrzehnte hinweg weltgrößter Konzern und Flaggschiff der US-Industrie, musste sich 2008 unter Chapter XI (US-Gläubigerschutz für insolvenzgefährdete Betriebe) verstecken, wurde dann vom Staat gerettet und backt nach seinem Neustart heute bedeutend kleinere Brötchen.

    Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. 1867 erschien Karl Marxens erster Band des „Kapitals“. Wer den Kurszettel der Londoner Börse aus diesem Jahre studiert, wird wahrscheinlich keine einzige Firma davon mehr heute kennen. Geschweige denn, dass sich daraus weltumspannende Monopol-Konglomerate gebildet hätten. Damit können die Konzerne von damals heute also weder Wirtschaft, Politik oder Menschen kontrollieren. Und das ist auch gut so.

     

    Wer nun moniert, dass vor allem besonders börsennotierte Konzerne kleinere vom Markt verdrängten, möge die Marktkapitalisierung von anno dazumal mit der von heute vergleichen. Die „Marktkapitalisierung“ errechnet sich aus der Anzahl ausgegebener Aktien multipliziert mit deren aktuellem Börsenwert. Somit spiegelt die Kapitalisierung den momentanen Börsenwert einer Firma wider.

     

    Börsenkapitalisierung: Konzerne haben`s schwer

     























































































    Heutiger Rang der TOP 15-Konzerne des Jahres 1980 bei Börsenkapitalisierung[3]


     


     


    (nach Börsenkapitalisierung) (Bloomberg/DWS/Goldman Sachs 2010)


     

    1982



    2010


    IBM

    1.



    16.


    Exxon Mobil

    2.



    1.


    Schlumberger

    3.



    45.


    Chevron

    4.



    21.


    BP

    5.



    36.


    General Electric

    6.



    19.


    General Motors

    7.



    129.


    Royal Dutch Shell

    8.



    12.


    Eastman Kodak

    9.



    >500.


    Halliburton

    10.



    229.


    Conoco Phillips

    11.



    58.


    Union Pacific

    12.



    165.


    3M

    13.



    111.


    Toyota

    14.



    28.


    Merck & Co.

    15.



    44.



    Konzernen mit einer hohen Börsenkapitalisierung (also vielen Aktien bei hohen Aktienkursen) traut die Börse (also der Markt, also die Spezialisten in den Investmentfonds) besonders starkes Wachstum zu. Wenn wir aber die Stars aus dem Jahre 1980 betrachten und sie mit denen aus dem Jahre 2010 vergleichen, zeigt sich schnell: Einen garantierten Platz auf dem Siegerpodest gibt es im Leben nun einmal nicht, auch nicht für die Größten dieser Welt.

    Die dauernde Veränderung an der Spitze der größten Konzerne verdeutlicht sowohl die Entwicklungsstufen als auch die Moden der jeweiligen Wirtschaft. Die 1980er waren von Öl- und Maschinenkonzernen (etwa Autos) dominiert, etwa die Hälfte von ihnen förderte den Schmierstoff der „Old Economy“. In den 1980er Jahren lösten japanische Konzerne US-amerikanische ab – im Jahre 1990 stammten bereits acht Unternehmen aus dem Land der aufgehenden Sonne. Plötzlich waren 1990 auch fünf Bankkonzerne unter den Top 15, und alle fünf kamen aus Japan.

    Die Angst der Amerikaner, dass „die Japaner“ in den 90ern Amerika aufkaufen würden, war groß. Und unberechtigt. All die schönen japanischen Autos, die vor laufender Kamera demoliert wurden (teils mit Vorschlaghämmern „Made in Japan“), waren dem Kleingeist umsonst geopfert worden. Oder erinnern Sie sich noch an die „Industrial Bank of Japan“? Oder die „Fuji Bank“, die „Sakura Bank“, die „Sumitomo Mitsui Financial“ und die „Dai-Ichi Kangyo Bank“? Die fünf ehemaligen Top-Konzerne notieren heute unter „ferner liefen“.

    Und weitere zehn Jahre später? Im Jahr 2000 sind alle japanischen Banken von der „Siegerliste“ verschwunden. Dafür ist eine US-amerikanische unter die „Top 15“ gestoßen, die Citigroup. Und bereits vier chinesische Konzerne haben es geschafft. Und einige US-Investmentfonds. Doch auch vor den „mächtigen“ Investmentfonds muss keiner Angst haben. Sie besitzen ja nur die Anteile anderer Firmen – und gehören (über die veranlagten US-Lebensversicherungen) den Menschen selber. Zumindest denen aus Amerika.

    Insgesamt kommen nur mehr 40% der Top-Konzerne aus Amerika, und der Trend geht unaufhörlich weiter Richtung Schwellenländer. Nach neomarxistischer Lehre sollten aber gerade die Schwellenländer durch die Verschwörung des (nördlichen) Kapitals am Boden niedergehalten werden. Doch die aufstrebenden Nationen Süd- und Ostasiens oder Lateinamerikas kümmern sich nicht um den ihnen prognostizierten Niedergang – sie wachsen mit teils 10 Prozent im Jahr der Nordhalbkugel auf und davon. Ob das den Pessimisten (des Nordens) passt oder nicht.

     

    Konzerne: Weltverschwörung abgesagt

     

    Wer heute – 145 Jahre nach Veröffentlichung von Karl Marx´ „Kapital“ – noch immer an die Verschwörung des Kapitals und seinen Drang zur Weltherrschaft glaubt (sowie 50% der Deutschen das tun) – dem ist entweder nicht mehr zu helfen – oder er ist ein Produkt des europäischen Bildungssystems. Wer Wirtschaft nicht versteht – und es nie verstanden hat – der reimt sich die Welt mit Komplotten zusammen.

    Wenn wir es nicht endlich schaffen, Europas Bevölkerung betriebswirtschaftlich auszubilden, dass brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir es eines Tages vielleicht heimlich im Untergrund tun müssen.

     






    [1] „How big are the multinational Companies?”, Paul De Grauwe, University of Leuven and Belgian Senate, 2002


    [2] Neue Werte für die Wirtschaft, Christian Felber, S. 32


    [3] Quellen: Bloomberg Datastream, DWS, Goldman Sachs; Stand 1.12.2010, Auf: wwwfocam.de, 10.3.2012






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