25.06.2024,
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Wien (OTS) - Die dramatische Lage in der Baubranche verlangt nach
einem historischen Schulterschluss: Erstmals haben heute Vertreter
der gewerblichen und gemeinnützigen Bauträger gemeinsam über die
aktuelle Situation berichtet und der Politik ein Angebot gemacht, das
Lösungen für die Lebensräume der Zukunft enthält. Unterstützung
erhielten sie dabei von den Bausozialpartnern. Die Pressekonferenz im
Presseclub Concordia wurde von VÖPE-Präsident Andreas Köttl, Klaus
Baringer, Verbandsobmann der GBV,
Peter Krammer, Obmann des
Fachverbands der Bauindustrie und Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender
der Gewerkschaft BAU-HOLZ abgehalten.
Das Wohnbaupaket der Bundesregierung wurde dabei von allen
ausdrücklich begrüßt, doch ginge die Umsetzung nur schleppend voran.
Was es daher jetzt brauche, um ins Handeln im Interesse der
Bevölkerung zu kommen, wäre ein koordiniertes und abgestimmtes
Vorgehen, eine starke Allianz aus Politik und Wirtschaft.
Zwtl.: Zahlen und Fakten zu Baugenehmigungen, Bauleistung,
Auftragslage und Arbeitsmarktsituation
Stark gestiegene Bodenpreise, hohe Baupreise und gestiegene
Kapitalmarktzinsen bremsen die Immobilien- und Bauwirtschaft aktuell.
Wurden 2019 vor Corona noch rund 85.000 Baugenehmigungen erteilt, so
war für 2023 ein Rückgang auf nur mehr rund 47.000 Genehmigungen zu
beobachten (Quelle: Statistik Austria, Baumaßnahmen). Dazu kommt,
dass viele genehmigte Bauprojekte zurzeit „on-hold“ sind und nicht
begonnen werden.
Auch die Zahlen der gemeinnützigen Wohnbauträger sprechen eine
deutliche Sprache: Wurden 2023 noch 14.900 Wohnungen fertiggestellt
(diese Bauleistung lag bereits 10 % unter dem 10-Jahres-Schnitt), so
werden 2024 14.100 Fertigstellungen erwartet. 2025 dann eine
Bauleistung von nur mehr 10.000 bis 11.000 Wohnungen.
VÖPE-Präsident Andreas Köttl appellierte an die Politik, dass
diese heute handeln müsse, damit die Menschen morgen wohnen könnten.
„Oft wird unterschätzt, was für eine Vorlaufzeit wir bei den
Projekten haben. Jede Wohnung, die heute nicht geplant wird, wird uns
in drei bis fünf Jahren fehlen. Wesentlich für unser Arbeiten sind
die Beschleunigung von Verfahren, eine Reduktion von Bürokratie und
die Attraktivierung von klimagerechtem Bauen und Sanieren. Dabei ist
es unerheblich, welche Rechtsform ein Bauträger aufweist. Denn
zeitgemäße Entwicklungsprojekte, wie nachhaltige Quartiere, entstehen
aus der Kooperation zwischen gemeinnützigen und gewerblichen
Entwicklern und der öffentlichen Hand.“
GBV-Verbandsobmann Klaus Baringer betonte, dass die gemeinnützigen
Bauvereinigungen ein wesentlicher Hebel bei der Problembewältigung
sein können. „Wir brauchen aber dringend nachhaltige Maßnahmen,
beispielsweise in Sachen Wohnbauförderung. Gemessen am
Bruttoinlandsprodukt lagen wir Anfang der 1990er Jahre bei 1,4 % des
Bruttoinlandsproduktes, aktuell stehen wir nur mehr bei 0,4 % des
Bruttoinlandsproduktes. Eine Wiedereinführung der Zweckbindung der
Wohnbauförderung ist daher das Gebot der Stunde.“
Peter Krammer, Obmann Fachverband der Bauindustrie zeigt die in
der Baubranche schon seit längerem alarmierende Entwicklung im
Bereich des leistbaren Wohnens auf. „Der Wohnbausektor erlebt derzeit
den stärksten Einbruch seit mehreren Jahrzehnten. Die aktuelle
Prognose des WIFO für 2024 geht von einem realen Rückgang der
Wohnbauinvestitionen um 5,8% aus. Sie sind auf dem niedrigsten Stand
der letzten fünf Jahre. Diese Entwicklung spiegelt sich in
rückläufigen Baugenehmigungen, Fertigstellungen und insgesamt
reduziertem Bauvolumen wider. Auch das 2,2 Milliarden Euro umfassende
‚Wohn- und Baupaket‘ der Bundesregierung hat bisher nur marginale
Verbesserungen bei der Kreditvergabe bewirkt. Auf den Baustellen –
da, wo es primär wirken sollte – ist es nicht angekommen. Es bedarf
einer koordinierten Anstrengung von Politik, Behörden und der
Bauwirtschaft, um diese Herausforderungen zu bewältigen und
langfristig eine ausgewogene Wohnraumversorgung sicherzustellen.“
Abg z. NR Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender Gewerkschaft
BAU-HOLZ forderte Perspektiven ein: „Der Einbruch im Wohnbau und
seine rückläufige Prognose gefährden nicht nur leistbares Wohnen in
Österreich, sondern auch Tausende direkte Arbeitsplätze am Bau sowie
in nachgelagerten Branchen. Die aktuelle Entwicklung im Wohnbau führt
damit zu einer existenziellen Krise der Bauwirtschaft und ist darüber
hinaus ein ernstes Problem in Hinblick auf den Wohnungsbedarf. Mit
über 300.000 Beschäftigten insgesamt in der Bauwirtschaft sowie den
nachgelagerten Bereichen ist diese Situation für einen der
wichtigsten Konjunkturbereiche mehr als nur alarmierend. Es geht hier
um tausende Betroffene und ihre Familien, die ihre Arbeitsplätze
verlieren und deren Existenz gefährdet ist.
Bis Ende Mai 2024 stieg die Zahl der arbeitslos Gemeldeten im
Vergleich zum Vorjahresmonat um 9,5 Prozent. Besonders alarmierend
ist dabei der Anstieg in der Baubranche mit einem Plus von 19
Prozent. Mittlerweile haben wir allein am Bau knapp 10.000 gemeldete
Arbeitnehmer bei der BUAK (Bauarbeiter-Urlaubs- und
Abfertigungskasse) weniger als im Vorjahr (142.031 zu 132.349) und
die Tendenz der Beschäftigtenzahlen zeigt leider weiter deutlich nach
unten.
Wir brauchen eine neue Perspektive für neue Strukturen. Was hilft
es, wenn die Bundespolitik Geld bereitstellt, dieses aber nicht auf
unseren Baustellen ankommt? Das zugesagte Geld muss vom ‚Papier in
Wien‘ so schnell wie möglich auf den Baustellen in ganz Österreich
ankommen – sowohl in der Sanierung als auch im bedarfsorientierten
Wohnungsneubau. Wir brauchen keine leeren Versprechen und
Überschriften, sondern durchführbare Lösungen. Nur durch gemeinsames
Handeln können wir diese Krise bewältigen und einen positiven
Wohnungsmarkt sichern!“
Zwtl.: Bundespolitik soll Verantwortung übernehmen
Der letzte Minister, der das Portfolio „Bauten“ im Titel trug, war
Heinrich Übleis in der Bundesregierung Vranitzky I bis 1987. Andreas
Köttl: „Seither wird der Wohnbau im Bund stiefmütterlich behandelt
und niemand fühlt sich letztverantwortlich. Aus unserer Sicht fehlt
es an zwei wesentlichen Elementen: Der Koordination zwischen Bund,
Ländern und Kommunen in Wohnbau und Stadtentwicklung sowie der
Vermittlung und Koordination zwischen der europäischen und nationalen
Ebene. Wir stehen mit unserer Expertise gerne bereit, bei der
Umsetzung mitzuwirken.“
Zwtl.: Allianz aus Politik und Wirtschaft
Ermöglichen würde das auch eine starke Allianz aus Politik und
Wirtschaft. Klaus Baringer: „Wir schlagen eine Allianz vor, in der
Bund, Länder und Kommunen vertreten sind und auf Augenhöhe mit allen
Branchenverbänden, Vorschläge und Maßnahmen erarbeiten. In
Deutschland ist etwas Vergleichbares bereits eingerichtet und nennt
sich ‚Bündnis für bezahlbaren Wohnraum‘.
Betont wurde, dass beginnend mit der Pressekonferenz ein Angebot
der Praktiker an die Politik gemacht wird, im Sinne der Gesellschaft
mitzuarbeiten. Nur ein koordiniertes und abgestimmtes Vorgehen, eine
starke Allianz aus Politik und Wirtschaft gewährleiste es, die Bau-
und Immobilienbranche zu stärken, und so bezahlbaren Wohnraum in
Österreich zu schaffen.
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