30.01.2024,
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Wien (OTS) - Auch wenn sich das internationale Umfeld schwierig
gestaltet und große Abwärtsrisiken bestehen, haben sich die
Konjunkturaussichten für 2024 in den meisten Volkswirtschaften
Mittel-, Ost- und Südosteuropas signifikant aufgehellt – vor allem in
den EU-Mitgliedern. Das zeigt die neue Winterprognose des Wiener
Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) für 23
Länder der Region. „Die drastisch sinkende Inflation, stark steigende
Reallöhne und ein wieder anziehender Privatkonsum in Kombination mit
bevorstehenden Leitzinssenkungen sollten das Wachstum wieder auf Kurs
bringen“, sagt Richard Grieveson, stellvertretender Direktor des wiiw
und Hauptautor der Winterprognose. „Die erhoffte Erholung der für die
Region so wichtigen deutschen Wirtschaft ab Mitte des Jahres ist
natürlich ebenfalls ein Schlüsselfaktor“, so Grieveson.
Für 2024 prognostiziert das wiiw den EU-Mitgliedern der Region ein
Wachstum von durchschnittlich 2,5%. Nach schwachen 0,6% im
abgelaufenen Jahr dürften sie die Eurozone (0,8%) damit heuer wieder
deutlich überflügeln. „Die ostmitteleuropäischen EU-Mitglieder setzen
den im vergangenen Jahr unterbrochenen Aufholprozess gegenüber
Westeuropa fort und kehren somit wieder zur Normalität zurück“,
konstatiert Grieveson. Auch die Visegrád-Länder Polen, Tschechien,
Slowakei und Ungarn sollten im Durchschnitt um 2,5% expandieren und
damit die Konjunkturdelle des Jahres 2023 (0,1%) überwinden, wobei
Polen und Ungarn aufgrund politischer Entwicklungen (neue Regierung
in Polen, Viktor Orbáns Ukraine-Deal mit der EU) wieder verstärkt
Zugriff auf EU-Gelder bekommen.
Die südosteuropäischen EU-Mitglieder Rumänien (3,0%) und Kroatien
(2,6%) dürften ebenfalls solide wachsen. Dort stützen nicht zuletzt
Mittelzuflüsse aus dem Corona-Wiederaufbaufonds NextGenerationEU die
Konjunktur. Die sechs Staaten am Westbalkan werden im Schnitt um 2,6%
expandieren, die Türkei um 3,0%. Die leichte Erholung der
kriegsgeplagten Ukraine sollte sich mit 3,0% BIP-Wachstum fortsetzen,
ist aber vom weiteren Kriegsverlauf und vor allem den westlichen
Hilfsgeldern abhängig. Bei Aggressor Russland dürfte sich das im
vergangenen Jahr starke Wachstum der Kriegswirtschaft (3,5%) auf
heuer noch 1,5% mehr als halbieren, während die Republik Moldau
(3,7%) und Kasachstan (4,2%) die größte Dynamik in der Region haben
werden.
Zwtl.: Erhebliche Abwärtsrisiken
Trotz der positiven Aussichten bestehen erhebliche Abwärtsrisiken:
„Eine Fortsetzung der Rezession in Deutschland, eine Eskalation der
Kriege in der Ukraine und in Gaza, Störungen der Lieferketten wie
derzeit im Roten Meer und vor allem die Wahl von Donald Trump zum
nächsten US-Präsidenten könnten die Erholung ernsthaft gefährden“,
meint Richard Grieveson. Aus seiner Sicht dominieren vor allem die
geopolitischen Risiken, allen voran in Bezug auf die nächste
US-Administration und die Kriege in der Ukraine und Nahost.
Zwtl.: Ukraine: Zögerliche westliche Unterstützung gefährdet Erholung
Besonders folgenreich wäre ein Wahlsieg Donald Trumps wohl für die
Ukraine. Obwohl sich das Land 2023 mit einem Wachstum von 5,5%
wesentlich besser geschlagen hat, als erwartet, sorgen die aktuellen
Unklarheiten um die Fortsetzung der lebenswichtigen Finanzhilfen der
USA und der EU für große ökonomische Verunsicherung. Das wiiw hat
seine Wachstumsprognose für 2024 daher um 1,2 Prozentpunkte auf 3,0%
reduziert. Ein Erfolg im letzten Jahr war neben der Aufnahme von
EU-Beitrittsverhandlungen auch die Steigerung der Agrarexporte über
den Seeweg auf das höchste Niveau seit Kriegsbeginn durch die
Umgehung der russischen Schwarzmeerblockade. „Angesichts eines
erwarteten Budgetdefizits von 25% des BIP, das primär über westliche
Hilfsgelder finanziert wird, haben die anhaltenden Verzögerungen bei
der Zusage und Auszahlung der Mittel natürlich einen äußerst
negativen Effekt auf das Vertrauen in die ukrainische Wirtschaft“,
warnt Olga Pindyuk, Ukraine-Expertin des wiiw. „Wahrscheinlich werden
diese Unsicherheiten aber leider zum neuen Normalzustand für die
Ukraine werden“, so Pindyuk.
Zwtl.: Russlands Kriegswirtschaft überhitzt
Trotz Sanktionen bescherte der anhaltende Rüstungsboom der
russischen Wirtschaft im vergangenen Jahr eine Expansion von 3,5%.
Mittlerweile operiert sie an der Kapazitätsgrenze und zeigt
zunehmende Überhitzungserscheinungen. Der akute Arbeitskräftemangel
durch den Krieg und die auf 16% angehobenen Leitzinsen aufgrund der
hohen Inflation dürften das Wachstum im heurigen Jahr auf 1,5%
begrenzen. „Russland ist immer mehr davon abhängig, dass der Krieg
weitergeht. Die enormen Ausgaben dafür wirken wie eine Droge auf die
Wirtschaft“, sagt Vasily Astrov, Russland-Experte des wiiw.
„Natürlich wird das auch zu entsprechenden Entzugserscheinungen
führen, sollte diese Droge reduziert oder abgesetzt werden“, so
Astrov.
Nicht weniger als 29% des föderalen Haushalts fließen heuer in den
Wehretat. Die Rüstungsausgaben steigen damit auf 6% des BIP – der
höchste Wert seit dem Zerfall der Sowjetunion. Die hohen
Militärausgaben führen zu gefährlichen Ungleichgewichten und
unterminieren die mittelfristigen Wachstumsaussichten, auch weil die
Rüstungsbetriebe den Wettbewerb um die raren Fachkräfte gegenüber
zivilen Firmen sehr oft für sich entscheiden. Sollte es nach der
anstehenden Wiederwahl Putins zum russischen Präsidenten zu einer
weiteren Mobilmachung kommen, dürfte das den Arbeitskräftemangel
weiter verschärfen. Das hauptsächlich kriegsbedingte Budgetdefizit
von heuer knapp 1% des BIP ist für russische Verhältnisse zwar hoch,
aber leicht verkraftbar. „Die Finanzierung des Krieges ist für Putin
kein Problem. Viel eher stellt sich die Frage, ob angesichts der
Sanktionen auf Dauer genügend westliche Komponenten für Waffensysteme
beschafft werden können“, meint Astrov.
Zwtl.: Inflation normalisiert sich
Wenngleich die Teuerungskrise noch nicht ganz überwunden ist, wird
sich die Inflation in den EU-Mitgliedern der Region 2024 auf im
Schnitt 4,7% mehr als halbieren. In den sechs Westbalkanstaaten fällt
ihr Rückgang auf durchschnittlich 3,8% ähnlich stark aus. Auch in den
meisten anderen beobachteten Ländern wird sie markant sinken, mit
Ausnahme der Sonderfälle Türkei, Russland und Belarus. Die
Kerninflation (ohne Energie und Lebensmittel) dürfte angesichts
starker Reallohnsteigerungen und anziehender Konsumausgaben zwar
höher bleiben, allerdings ist der Preisauftrieb vor allem bei Energie
aber auch bei Lebensmitteln viel niedriger als vor einem Jahr.
Mittelfristig wird sich die Region dennoch auf etwas höhere
Inflationsraten als vor dem Ukraine-Krieg einstellen müssen.
Zwtl.: Österreich profitiert
Angesichts des wieder anspringenden Konjunkturmotors in Polen,
Tschechien, Ungarn und der Slowakei dürften die für Österreich
wichtigen Visgrád-Länder heuer wieder starke Impulse für die
heimische Wirtschaft liefern. Mit einem Wachstum von im Durchschnitt
2,5% werden sie wie in der Vergangenheit wieder eine wesentliche
Stütze darstellen und in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen, da sie
allein heuer dreimal so stark wachsen wie die Eurozone (0,8%).
Einiges an Dynamik ist für Österreichs Wirtschaft auch in
Südosteuropa zu erwarten. Vor allem Rumänien (3%), Kroatien (2,6%)
und die Türkei (3,0%) wachsen relativ robust. Auch am Westbalkan
läuft es etwa in Montenegro (4,0%), Albanien (3,6%) oder Serbien
(2,4%) gut. „Die engen wirtschaftlichen Beziehungen Österreichs zu
den Visegrád- und Westbalkanstaaten stützen die heimische Konjunktur
und mildern so auch die großen Unsicherheiten in Bezug auf die
deutsche Wirtschaft, den mit Abstand wichtigsten Handelspartner für
Österreich“, resümiert Grieveson.
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