29.03.2023, 4714 Zeichen
False Balance und das Klima. Eigentlich interessant, in Zeiten wie diesen, in denen jedes Modewort umgehend via Soziale Medien den Weg in unsere allgemeinen Wortschätze schafft, ist ein Phänomen, das uns seit Jahren in immer größerem Umfang erfasst nur eine Randnotiz im Vokabular: False Balance, die Falsche Ausgewogenheit ist vielen von uns un- oder kaum bekannt. Und das, obwohl sie uns mehr beeinflusst als wir glauben.
False Balance ist jene Art der Objektivierung, die uns seit Jahren vorgespielt wird, ohne eine echte Objektivierung zu sein. Es werden Konflikte durch gegeneinander sprechende Parteien geschaffen, die danach zu einer Art Generaldiskussion bei uns allen führt, die uns zu einer Meinung und damit die Politik oder die jeweilige Interessensgruppe zu einer daraus abgeleiteten Handlungsorientierung bringt. Man könnte auch sagen „Meinungsmache“ oder gelenkte Objektivität. Wie das funktioniert, ist ganz einfach. Man nimmt eine Meinung aus der Mehrheit und stellt dieser eine einer Minderheit gegenüber, informiert aber nicht, wie groß die Minderheit ist. Dies passiert nahezu überall in den Medien. Wo sonst bekommt man Diskussionen über Tempo 100, CO2- Sünder, Klimakleber oder Inflations-Sünder her? Auch unser ganzes Gender-Gehabe fußt auf solchen „Objektivierungen“. In Diskussionen über Kapitalmärkte kennen wir diese Ungleichheit noch viel länger. Da sitzen Öko-Aktivisten neben Börsenpräsidenten, Nachhaltigkeits-Apostel neben Firmenvorständen oder Corona-Leugner neben Oberärzten, am Ende gewinnt der Kommentar über Zocker oder Spekulanten. Die Methode ist immer gleich, selbst wenn 99% aller Menschen der einen Meinung sind, wird durch das Gleichbehandeln der 1% eine Art Balance signalisiert, die keine ist. Ein herrliches Feld, um Meinungen zu lenken. Dazu kommt, dass die teilnehmenden Minderheiten in der Diskussion ja voll trainiert sind. Logisch. Sie leben teilweise ja davon, nur so ins Rampenlicht zu kommen. Ein paar Wochen später machen dann die Meinungsumfragen den Rest, wo sich plötzlich nicht 1%, sondern gleich 10% oder mehr zum anderen Lager zählen lassen. Sympathie schlägt Objektivierung. Und so geht es uns gerade auch in der Klimadiskussion.
Es gibt wohl kaum jemanden. der mittlerweile ernsthaft am Einfluss von CO2 auf unser Klima zweifelt. Jeder will, dass sich dieser Prozess wieder normalisiert, und jeder weiß, das gelingt nur durch Vermeidung von CO2 -Produktion. Das Bestehende aus der Atmosphäre zu bekommen, wird physikalisch nie funktionieren. Nach kurzer Information ist man sich rasch im Klaren, dass diese Reduktion mit herkömmlichen Energiequellen ohne massiven Verzicht auf Luxus und Wohlstand nicht gelingen wird. Also alternative Energiequellen. Wind und Solar global am Vormarsch. Doch da gibt es soziale, physikalische und rohstoffbedingte Grenzen. Man kann in Europa nicht so viele Windkraftanlagen hinstellen, dass wir genug Strom haben. Photovoltaik detto. Genauso ist der Traum von Elektro-Fahrzeugen für alle, nicht zu träumen. Ladeinfrastruktur, Netzverfügbarkeit, Recycling alter Batterien. Flaschenhälse, die sich nicht wegdenken lassen. Und der so hübsch aufdrappierte Blackout wird in solchen Universen immer realistischer, weil der Backbone der „alten Kraftwerke“ fehlt und dann die Schattenflaute das Netz dicht macht.
Die Diskussion um die E-Fuels ist so ein Beispiel, wie man am Thema vorbei-pauschalieren kann. Niemand kann davon ausgehen, dass die Herstellung Mitten in Europa stattfindet. Dort wo eh schon nicht genug Strom ist, dann noch E-Fuels hoch stromintensiv herzustellen, ist keinen Gedanken wert. Nein, es geht um die heißen Gegenden in Reichweite. Nordafrika und Saudi-Arabien. Dort sind die Photovoltaikanlagen geplant. Dort ist der Strom so billig wie ihn sich jeder Tesla-Fan erträumt und dort gibt es auch jene Infrastruktur, die gerade so polarisierten E-Fuels zu erzeugen. Ja klar, den Strom könnte man ja auch von dort nehmen. Hört man … Nur hört man dabei nicht, dass die gute alte Physik mit dem Faktor Reibungsverlust die Reichweite solcher Lieferungen leider deutlich begrenzt. Physik ist eben selten fürs Diskutieren im Hauptabendprogramm geeignet.
Wenn man nun lautstark über synthetische Kraftstoffe oder neudeutsch E-Fuels diskutiert, sollte man dabei nicht übersehen, sämtliche Parameter in solch zukunftsweisenden Entscheidungen objektiv einzubinden und nicht einer kurzfristigen Polemik zu opfern, die uns wieder Jahre der wachsenden Erkenntnis kostet. Dies ist schon so oft passiert und hat uns immer wieder am Ende nur mehr und mehr Geld gekostet, um diese Fehler später und beschleunigt korrigieren zu müssen.
(Der Input von Wolfgang Matejka für den http://www.boerse-social.com/gabb vom 29.03.)
Börsepeople im Podcast S16/12: Thomas Eccli
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