30.11.2021, 4095 Zeichen
Das Jahr 2022 dürfte das Jahr der Zinswende werden. Die hohe Inflation und die weitere Wirtschaftserholung werden vor allem die US-Notenbank Fed zum Handeln zwingen, so die Experten der Deutschen Bank in ihrem Kapitalmarktausblick 2022. Der Ausblick für Aktien bleibt nach Ansicht der Deutschen Bank positiv: "Das anhaltende Gewinnwachstum der Unternehmen dürfte die Aktienmärkte weiterhin treiben, obwohl die Dynamik nachlassen sollte", sagt Ulrich Stephan, Chefanlagestratege Privatkundenbank Deutschland der Deutschen Bank. "Aktien sind im historischen Vergleich nicht preiswert. Wir gehen davon aus, dass wir keine Ausweitung des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) sehen werden, sondern die Rendite des Jahres 2022 in etwa dem erwarteten Gewinnwachstum von acht bis neun Prozent entspricht." Die weiterhin starke Nachfrage ermöglicht es vielen Unternehmen, die höhere Inflation mit Preissteigerungen an ihre Kundschaft weiterzugeben. Deshalb sollten sich ihre Gewinnmargen nicht verschlechtern. Etwa Firmen aus der Unterhaltungselektronik oder dem Tourismus profitierten vom Nachholbedarf der Konsumierenden. "Die Auftragsbücher der Industrie-unternehmen sind prall gefüllt und auch beim Konsum von Dienstleistungen besteht bei einem Abflauen der Pandemie noch Luft nach oben", so Stephan. Dies seien gute Aussichten für die Aktienmärkte im neuen Jahr.
Vor allem der Autosektor dürfte mittelfristig von den abnehmenden Lieferkettenproblemen und langfristig vom Ausbau der Chip-Produktion profitieren. "Das Problem der Chip-Knappheit ist damit in absehbarer Zeit jedoch noch nicht vollständig gelöst, die Produktionskapazitäten zur Deckung des schnell wachsenden globalen Bedarfs müssen deutlich erweitert werden", sagt er. "Die Autoproduktion in Europa und in den USA sollte sich wegen eines wieder höheren Angebots an Halbleitern aus Asien jedoch bald erholen. Das könnte den Geschäftszahlen und den Aktien der Fahrzeughersteller Rückenwind verleihen." Die weltweite Automobilproduktion könnte 2022 um 12 Prozent zulegen.
Generell sollten Aktien nicht allzu sehr unter moderat ansteigenden Inflationsraten leiden, zumal die Realrenditen negativ bleiben sollten. "Aktien weisen bei einer steigenden Inflation meist sogar eine relativ gute Performance auf und können sogar einen gewissen Schutz davor bieten", sagt Stephan. Denn die Umsätze und Gewinne der Unternehmen sind eine nominale Größe, daher steigen sie mit der Inflation. Im Jahr 2022 könnten zunächst Zykliker im Vordergrund stehen. Vor allem die in den vergangenen Jahren relativ unbeliebten Finanzwerte sollten von graduell steigenden Kapitalmarktzinsen profitieren. Defensive Titel könnten in der zweiten Jahreshälfte möglicherweise an Attraktivität gewinnen.
Stephan sieht den S&P 500 Ende 2022 bei 5.000 Punkten. Der größte Teil des Gewinnwachstums sollte von digitalen sowie Technologieunternehmen mit starker Preissetzungsmacht beigesteuert werden. Die aggregierte Nettogewinnmarge dürfte nahe des Rekordniveaus von 13,5 Prozent bleiben. Das Ziel für den Eurostoxx 50 liegt bei 4.600 Punkten und für den Stoxx Europa 600 bei 510 Punkten. "Inzwischen hat der Bewertungsunterschied zwischen europäischen und US-Aktien ein 20-Jahres-Hoch erreicht und sollte nicht weiter zunehmen", so Stephan. Auch für den DAX ist Stephan zuversichtlich: Zum Jahresende 2022 hält er 17.000 Punkte für möglich.
Die Aktienmärkte in den Schwellenländern sollten sich 2022 besser entwickeln als im laufenden Jahr. Die prognostizierte Zielmarke für den MSCI Emerging Markets Index liegt per Ende 2022 bei 1.340 Punkten. Aufgrund der anhaltenden Unsicherheit an chinesischen Immobilien- und Kreditmärkten und möglicherweise strengerer Coronavirus-Beschränkungen vor den Olympischen Winterspielen in Peking könnten diese jedoch kurzfristig eine schwächere Wertentwicklung zeigen. "Wir betrachten das zweite Quartal als Wendepunkt für chinesische und Schwellenländeraktien insgesamt. Die chinesischen Behörden planen, einige Beschränkungen für Gesellschaft und Unternehmen zu lockern und wollen die Öffnung der ASEAN-Volkswirtschaften fortsetzen", so Stephan.
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