15.01.2018, 3628 Zeichen
Anleger kennen derzeit nichts. Sie kaufen alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Das ist mindestens bedenklich.
Die Risikofreude kennt derzeit keine Grenzen. Das gilt nicht nur für den Aktienmarkt, wo Anleger in nie dagewesenem Ausmaß auf Kredit spekulieren. In den USA erreicht die Margin Debt inzwischen fast 600 Mrd. Dollar.
Aktien sind nicht die einzige Anlageklasse, die von großer Risikofreude profitiert. Allen voran kann man Kryptowährungen nennen. Dort geht es bunter zu als zu den besten Tagen des Neuen Marktes. Immerhin besteht die Chance, dass man irgendeinen Coin kauft, der das nächste Amazon wird.
So viel Hoffnung darf man sich andernorts nicht machen. Trotzdem sind Anleger ganz wild auf diese Anlage. Es geht um Anleihen und zwar Anleihen aus Griechenland. Die Rendite für zweijährige Anleihen ist inzwischen tiefer als die von US-Papieren. Noch vor zwei Jahren rentierten die griechischen Anleihen bei fast 20â¯%. Das hatte einen Grund.
Die Gründe gibt es immer noch. Griechenland ist bankrott und hält sich nur mit dem Geld des Internationalen Währungsfonds und des Eurorettungsschirms über Wasser. Das Hilfspaket endet in diesem Jahr. Griechenland muss also demnächst wieder an den Kapitalmarkt.
Kurzfristige Schuldscheine platzierte Griechenland auch in den vergangenen Jahren. Papiere mit wenigen Wochen Laufzeit sind kein großes Problem. Schwieriger ist es, langfristige Anleihen zu tragbaren Zinsen unterzubringen. Zumindest war das viele Jahre lang schwierig. Die Rendite für 10-jährige Anleihen ist so niedrig wie zuletzt 2005.
Anleger reißen sich griechische Anleihen auf dem Sekundärmarkt praktisch aus der Hand. Das ist ein klares Zeichen der Euphorie und vollkommener Ignoranz gegenüber jeglichem Risiko. Die Lage stabilisiert sich zugegebenermaßen. Der Einkaufsmanagerindex ist so hoch wie seit 10 Jahren nicht mehr (Grafik 2). Das ist ein gutes Vorzeichen für höheres Wachstum.
Ein bisschen Wachstum löst die Probleme nicht. Zudem wäre es nicht das erste Mal, dass Griechenland an den Kapitalmarkt zurückkehrt und dann den nächsten Bailout braucht. Hält das Wachstum an und beschleunigt sich, ist Griechenland vielleicht, aber auch nur vielleicht in der Lage, auf eigenen finanziellen Beinen zu stehen. Kommt es in Europa zu einem Abschwung, dann sind griechische Anleihen praktisch sofort wieder wertlos.
Ich selbst spekuliere schon eine ganze Weile auf einen Rebound in Griechenland. Ich tue dies allerdings nicht mit Anleihen, sondern mit Aktien. Dahinter steht zumindest ein gewisser Wert. Hinter Anleihen steht ein Versprechen, welches ohne Rettungspaket und dem kleinsten Anzeichen eines Abschwungs nicht mehr zu halten ist.
Griechenland für 1,5â¯% für zwei Jahre Geld zu leihen ist so, als ob man einem Bekannten Geld leiht, dessen Haus zu 175â¯% belehnt ist, sonst kaum Assets hat und das monatliche Gehalt nur ausreicht, weil die Bank die Zinsen stundet. Das ist bei allen positiven Signalen, die es in Griechenland gibt, einfach nur Wahnsinn.
Vielleicht hat das nichts mit dem allgemeinen Marktumfeld zu tun. Vielleicht ist es aber auch Ausdruck überbordenden Selbstbewusstseins der Marktteilnehmer, die den Eindruck haben, dass einfach nichts mehr schiefgehen kann.
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Autor: Clemens Schmale, Finanzmarktanalyst bei GodmodeTrader.de
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die CASMOS Media GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.
Börsepeople im Podcast S17/03: Stephan Klasmann
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