15.11.2015, 3801 Zeichen
Gute Arbeitsmarktdaten aus den USA haben die Gerüchte um eine baldige Zinserhöhung durch das US-Zentralbankensystem FED verdichtet. Die Agenturen zitieren US-Notenbankmitglied und Chef der Notenbank von San Francisco John Williams, der kürzlich erklärte, es mache jetzt Sinn, sich „schrittweise aus diesem außerordentlichen Stimulus (gemeint sind die niedrigen Zinsen, Anm.) zurückzuziehen“. In Deutschland ließ dies den DAX zunächst über die 11.000er Marke schießen, die Gewinne konnten in der folgenden Handelsperiode aber nicht gehalten werden.
Wir haben es in einer der vergangenen Ausgaben erwähnt: Höhere Zinsen belasten die Aktienmärkte nur scheinbar. Zwar machen sie Anleihen im Verhältnis zu Aktien optisch billiger, doch höhere Zinsen sind auch – siehe USA – ein Indikator für ein besseres Konjunkturklima, und dieses begünstigt wiederum die Aktien. Aus europäischer Sicht relevant ist schließlich der Währungseffekt: Zinssteigerungen stärken üblicherweise die betreffenden Währungen, und ein stärkerer Dollar (an den auch einige Schwellenländer-Währungen gebunden sind) begünstigt, wie an dieser Stelle mehrfach beschrieben, Exporte aus dem Euroraum.
Dies bestätigt auch die jüngst veröffentlichte OECD-Prognose. Insgesamt fällt sie nicht günstig aus. Die Organisation hat ihre Prognose für das globale Wirtschaftswachstum von deutlich über drei Prozent auf 2,9 Prozent zurückgenommen. Hier macht sich vor allem die schwächere Konjunktur in China bemerkbar. Für Europa hingegen prophezeien die Wirtschaftsforscher eine Fortsetzung der Erholung. Für 2016 rechnet die OECD mit einem Wachstum der Eurozone um 1,8 Prozent, im Jahr darauf mit 1,9 Prozent, allerdings von einem höheren Niveau aus als die Schwellenländer. Österreich schneidet da mit 1,3 Prozent für 2016 und 1,7 Prozent für 2017 schlechter ab.
Getrieben werde das Wachstum durch die niedrigen Ölpreise, die etwas behutsamere Haushaltskonsolidierung und die stark expansive Geldpolitik. Diese finden freilich nicht nur Befürworter. Die Wirksamkeit der ultralockeren Geldpolitik nehme mit der Zeit ab, warnte der deutsche Bundesbank-Präsident Jens Weidmann kürzlich in einem Interview. Konkret sprach der Notenbanker die „Übertreibungen auf den Finanzmärkten“ und die Probleme der Lebensversicherungen an. Tatsache ist, dass der offene Geldhahn der EZB einen der Gründe für die über die vergangenen Jahre positive Entwicklung der Börsen liefert.
Doch ein Blick auf die Bewertungen zeigt, dass hier von einer Übertreibung noch keine Rede sein kann. Die Multiples bewegen sich im Rahmen der langjährigen Durchschnitte. Stärker gefährdet erscheint da ein anderer Bereich: Ein beachtlicher Teil des EZB-Geldes fließt in Immobilien. Hier gibt es außerhalb des Euroraumes bereits erste Anzeichen für eine Abkühlung: Die Schweiz meldet erstmals rückläufige Immobilienpreise. In der Eurozone ist dies noch nicht der Fall, doch die hier erzielbaren Renditen liegen auf historischen Tiefständen. Dass Aktien zu den riskanten Investments zählen, ist keine neue Erfahrung. Dass dazu mittlerweile auch Immobilien zählen, hat sich erst wenig herumgesprochen, könnte aber zu den schmerzhaften Erfahrungen der gar nicht so fernen Zukunft werden.
Ein Beitrag von Franz C. Bauer
Er ist Chefkolumnist des Austria Börsenbriefs
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