08.03.2015, 6455 Zeichen
Aktienforum-GF Karl Fuchs ortet im heimischen Mittelstand hochinnovative Firmen. Kapitalmarktpolitisch sei aber vieles eine Farce, und die aktuelle KESt-Diskussion kein Motivationsprogramm.
Herr Fuchs, ‚Mittelständische Unternehmen und die Börse‘. Wie schätzen Sie die Situation in Österreich im internationalen Vergleich ein?
Karl Fuchs: In Österreich gibt es zahlreiche hochinnovative Unternehmen im KMU-Bereich mit oft langer Tradition, vielfach sind es ‚Hidden Champions‘ am Weltmarkt. Ziel muss es sein, dass diese Erfolgsunternehmen verstärkt den Kapitalmarkt als Finanzierungsquelle wahrnehmen. Dies ist im Vergleich zum angloamerikanischen Raum bei uns bisher noch nicht der Fall. Durch die kürzlich von der Europäischen Kommission präsentierte Kapitalmarktunion rechnen wir in den nächsten Jahren mit einer schrittweisen Verbesserung.
Nach DAX und Dow schickt sich nun auch die Technologiebörse Nasdaq an, neue Rekorde zu erreichen. Hat man in Europa den Neuen Markt, Easdaq (Nasdaq Europe) oder auch fit (austrian growth market) Ihrer Meinung nach zu früh aufgegeben?
Aus meiner Sicht geht es um eine andere Frage: Wie kann Europa die entsprechenden Rahmenbedingungen setzen, damit junge, innovative Unternehmen – vor allem auch im Technologiebereich – entstehen, wachsen und schließlich auch an die Börse gehen können? Ein Silicon Valley mit den zukünftigen ‚Googles‘, ‚Facebooks‘ und ‚Apples‘, die an der Nasdaq notieren, sehe ich in Europa bisher noch nicht.
Kommt es vor, dass sich Unternehmen, die sich über ein IPO informieren wollen, an das Aktienforum wenden?
Es gibt viele Unternehmen, die am österreichischen Kapitalmarkt interessiert sind. Das Aktienforum sieht sich primär als Bindeglied zu Stakeholdern im wirtschaftlichen, medialen und politischen Umfeld. Eine Anfrage hinsichtlich Infos für eine Initial Public Offering bekamen wir bisher noch nicht.
Was kann man generell tun, damit der Kapitalmarkt als Marktplatz für Eigen- und Fremdkapital wieder salonfähig wird?
Es geht um eine Grundeinstellung. Im angloamerikanischen Raum findet die Unternehmensfinanzierung mit bis zu 80 Prozent über den Kapitalmarkt statt. In Europa sind es lediglich 20 Prozent. Wir denken, dass dieser Anteil in den nächsten Jahren weiter steigen wird. 2014 war an der Wiener Börse bereits ein Rekordjahr bei Unternehmensanleihen mit einem Gesamt-emissionsvolumen von mehr als 5,6 Milliarden Euro. Diese Möglichkeiten für Unternehmen müssen weiter beworben und aufgezeigt werden.
Vor ca. einem Jahr wurde der Posten des Kapitalmarktbeauftragten abgeschafft. Wer ist jetzt eigentlich der Ansprechpartner oder Sparringpartner des Aktienforums im BMF? Von Finanzminister Schelling hat man leider noch nicht viel zum
Kapitalmarkt gehört …
Das Aktienforum ist mit dem BMF in gutem und engem Kontakt. Über die Abberufung von Wolfgang Nolz als Kapitalmarktbeauftragten unter Finanzminister Spindelegger waren wir nicht glücklich. Diese Funktion war mit keinerlei budgetärem Mehraufwand verbunden. Unter Minister Schelling hoffen wir natürlich auf ein Überdenken dieser Entscheidung.
Eine KESt-Erhöhung steht im Raum. Wie ist die Aktienforum-Position dazu?
Die Position des Aktienforums bei der Steuerreform ist klar. Sie muss über die Ausgabenseite mittels Strukturreformen erarbeitet werden. Erst wenn dies erledigt ist, kann man, wenn nötig, auch über neue Einnahmen sprechen, vorher nicht. Die ‚Vermögenssteuerdiskussion‘ in Österreich ist eine populistische Farce. Einzig und allein die Grundsteuer ist im internationalen Vergleich in Österreich gering. Bei allen anderen Steuern befinden wir uns im Mittelfeld – so auch bei der KESt. Deren Anhebung wäre ein weiterer Anschlag auf den kleinen österreichischen Privatanleger, der für die Pension mit breit gestreuten Fonds und Sparguthaben vorsorgen will.
Und es gibt nicht wenige, die die aktuelle WP-KESt für einen Murks halten, Stichworte Spesen und Nicht-Verlustvortrag. Arbeitet irgendjemand an einer Reparatur, oder ist das im aktuellen politischen Klima sowieso aussichtslos?
Aktuell ist es äußerst schwierig, mit derlei Forderungen durchzudringen. Wir werden aber nicht müde, weiterhin auch solche Themen im Sinne einer heimischen Kapitalmarktkultur anzusprechen und zu propagieren.
Schelling macht mit Frankreich Druck für eine rasche FTT-Einführung. Wiener Börse und Aktienforum waren stets klar gegen eine FTT. Wie ist Ihr Standpunkt heute?
Daran hat sich wenig geändert. Die FTT, so wie sie jetzt andiskutiert wird, würde wie eine höhere KESt natürlich auch die Privatanleger bestrafen sowie den heimischen Kapitalmarkt und damit den Standort Österreich weiter belasten. Weil organisatorisch de facto nur schwer zu administrieren, würden außerbörsliche Transaktionen nicht von einer FTT erfasst sein. Einen Mehrwert, außer zusätzliche Budgetmittel zu lukrieren, kann ich bis jetzt nicht erkennen. Am Finanzplatz London – UK gehört bekanntlich und wenig überraschend nicht zu den elf Unterstützern einer FTT – hat man bereits die Sektflaschen eingekühlt.
Viel zu tun, was sind weitere Schwerpunkte im Aktienforum 2015?
Wir haben einige Studienschwerpunkte gesetzt, deren Ergebnisse wir bei unseren Ansprechpartnern entsprechend einspeisen wollen. Ansonsten wollen wir vor allem auch thematisch flexibel bleiben, um entsprechend reagieren zu können.
Abschliessend: Der Privatanleger verzweifelt anlässlich der Kapitalmarktberichterstattung in den Massenmedien, es geht um Aufarbeitung, Corporate Governance, Gerichtsverfahren, Vorstandsgehälter, Shareholder Value-Verteufelung. Das verleitet Österreicher, in der Kapitalanlage den kapitalen Fehler zu machen, auf Aktien zu verzichten. Ich sage: Neue Privatanleger kann man nur mit einer Imagekampagne pro Aktie gewinnen, sowas gibt es auch in Deutschland. Was meinen Sie?
Da bin ich absolut bei Ihnen. Aber schon allein bei der Diskussion über eine Anhebung der KESt handelt es nicht um das politische Motivationsprogramm, um neue Privatanleger für den Kapitalmarkt begeistern zu können. Leider Gottes ist die Aktienquote in Österreich weiter rückläufig. Und das in Zeiten wie diesen, wo es de facto nicht wirklich eine andere vernünftige Veranlagungsvariante mit Renditeaussichten gibt. Ich sehe in der Kommunikation hier auch die Medien gefordert, Aufklärungsarbeit zu betreiben und den Kapitalmarkt nicht als neoliberalen Hort für ‚Spekulanten‘ zu darzustellen. Denn das ist er nicht.
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