21.05.2013, 3779 Zeichen
(Von: Tim Schaefer )
Ich rate Ihnen, in die Kapitalflussrechnung zu schauen. Dort sehen Sie, wie viel Cash ein Unternehmen generiert und wo das Geld hinfließt. Besonders wichtig ist der Free Cashflow, sozusagen die freien zufließenden Barmittel. Die Zahl drückt aus, wie viel Geld nach Abzug der Investitionen dem Vorstand zur Verfügung steht: eben für Akquisitionen, Dividenden oder Aktienrückkäufe.
Der Cashfluss lässt sich kaum manipulieren. Unter Analysten gibt es den Spruch: „Cash flow is cash and is a fact. Net income is just an opinion“.
Der Überschuss hat weniger Aussagekraft. Im ausgewiesenen Gewinn steckt sehr viel Meinung drin. Er lässt sich stark beeinflussen, in eine Richtung biegen. So haben die Firmen Interpretationsspielraum. Wie viel ist das Lager wert? Inwiefern sind Forschungs- und Entwicklungsleistungen aktiviert? Was sind die Forderungen eigentlich wert? Wie bonitätsstark sind die Kunden? Anleger und Analysten greifen leider zu oft auf den Gewinn als Maßstab zurück.
Das Ergebnis kann Anlegern falsche Signale senden. Um eine Aktie bewerten zu können, hat der Gewinn isoliert betrachtet zu wenig Aussagekraft.
Es gibt Konzerne, die weisen schöne Gewinne aus, aber in der Kapitalflussrechnung zeigt sich ein Desaster: Wenn nämlich jeden Tag Cash verbrannt wird. Schauen Sie sich in diesem PDF das Firmenbeispiel auf den Seiten 5 und 6 an. Sie sehen: Steigende Erträge, ein wachsendes Eigenkapital, aber knallrote Cashflows.
Wenden wir uns nun einem positiven Fall zu: Ein besonders konservatives Management wird versuchen, den Gewinn möglichst kleinzurechnen. In der Kapitalflussrechnung können Sie womöglich die "wahre" Ertragskraft erkennen. Grundsätzlich ist es gut, wenn der operative Cashflow um ein zigfaches größer ist als der Gewinn.
Ein Turnaround kündigt sich oftmals im Cashflow an, später zeigt sich das erst in der Erfolgsrechnung. Wer also die Cash-"Floh"-Rechnung anschaut, kann mögliche Trends ausmachen. Wenn die Flöhe springen, ist das logischerweise super.
Ein Vorstand, der massiv das zufliessende Cash in Aktienrückkäufe pumpt, sendet uns Börsianer in der Regel ein positives Signal. Auch das sehen Sie in der Kapitalflussrechnung.
Ich gebe Ihnen ein anderes Beispiel: Haben Sie eine Solarfirma, die einen gigantischen Lagerbestand mit veralteten Solarzellen aufgebaut hat und ist dieser Bestand nicht ausreichend im Wert korrigiert worden, können Sie am Kapitalfluss sehen, dass kein Cash fließt, sondern die Solarzellen in das Umlaufvermögen wandern, sozusagen im Lagern schlummern. Das wird dann zu einer tickenden Zeitbombe. Irgendwann müssen die alten Solarzellen abgeschrieben werden. Eine Zeitlang kann ein Vorstand diese Abschreibung hinauszögern, bis irgendwann die Bombe platzt. Seien Sie vorsichtig, wenn der Lagerbestand schneller als der Umsatz zulegt.
Es gibt in den Geschäftsberichten viele Kniffe, die Sie beachten sollten. Ich gebe Ihnen ein anderes Beispiel: Bei Immobilienfirmen stecken die Grundstücke zu den Anschaffungskosten in den Büchern. Haben Sie eine 100 Jahre alte Immobilienfirma mit uralten Beständen, kann in der Bilanz ein versteckter Schatz schlummern. Ich nehme derzeit einige amerikanische Immobilienfirmen unter die Lupe. Erstaunliche Perlen können Sie da finden. Manchmal spiegelt der Buchwert nicht mal im Ansatz den Zeitwert („wahrer innerer Wert“) wider.
Schauen Sie sich am besten Unternehmen aus verschiedenen Winkeln an. Ein Unternehmen ist im Idealfall wie ein Gesamtkunstwerk zu betrachten. Beachten Sie die Historie von Umsatz, Ergebnis, Schulden, Cashflow, Dividenden, Aktienrückkäufe, Lagerbeständen… Außerdem geht es um Marktanteil, Marke, Konkurrenz, Management, Großaktionäre, Insider...
Fazit: Es zählt nicht nur der Überschuss oder das KGV, sondern es kommt auf den Gesamteindruck an.
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