18.06.2012,
5563 Zeichen
(Autor:
Herbert Geyer, original für das
WirtschaftsBlatt)
Billy the Kid allein im Kampf gegen die Mafia
Irland vs. Italien. Die heutigen Kontrahenten Irland und Italien liegen so weit voneinander entfernt, dass sie nur in der Ferne zusammentreffen - als US-Auswanderer.
Das Missing Link zwischen den Bewohnern der Grünen Insel im Norden Europas und denen des Stiefelstaats im Süden ist nicht leicht zu finden.
Gut, ja: Auf beider Territorium errichteten im 11. Jahrhundert die Normannen beachtliche Reiche -in Süditalien und Sizilien nur höchst kurzfristig und vorübergehend, wobei die Eroberer zumindest ein paar außergewöhnlich schöne Kathedralen errichteten; in Irland ziemlich dauerhaft: Die Nachfolger der Normannen-Herrscher, die englischen Könige, sind jetzt noch Staatsoberhäupter im Nordwestzipfel Irlands.
Aber daraus Gemeinsamkeiten ableiten zu wollen, scheint doch etwas gewagt. Und sonst fehlt es weitgehend an Parallelen -schon wegen der großen Entfernung zwischen den beiden Staaten, und weil sie erst seit 150 bzw. 90 Jahren eigene Staaten sind.
Gemeinsamer Gottesdienst
Andererseits ist gerade die große Entfernung das Stichwort: Denn in noch größerer Entfernung treffen Iren praktisch täglich auf Italiener - oder zumindest sonntäglich, wenn sie als Katholiken in den USA gemeinsam den Gottesdienst besuchen.
Denn hinter Angloamerikanern und Nachkömmlingen deutscher Einwanderer bilden Iren und Italiener mit jeweils gut fünf Prozent der gesamten US-Bevölkerung die größten Zuwanderergruppen. Sie fallen aber mehr auf, als es ihrer tatsächlichen Größe entspricht, weil beide der relativ kleinen katholischen Minderheit angehören.
Die Durchsetzungsfähigkeit, die von Angehörigen einer solchen Minderheit verlangt wird, mag der Grund dafür sein, dass sowohl Iren als auch Italiener unter den amerikanischen Promis überproportional vertreten sind.
Bekannte Nachfahren
Als Nachfahren irischer Einwanderer bekannt wurden etwa der Comicpionier Walt Disney, die Regisseure Alfred Hitchcock und Michael Moore, der Sänger und Tänzer Gene Kelly, der Auto-Magnat Henry Ford, die Astronauten Mark und Scott Kelly sowie Michael Collins, der Kapselkommandant der ersten Mondlandung - und nicht weniger als 22 US-Präsidenten von Ulysses S. Grant über Ronald Reagan bis Barack Obama (ja, wirklich! Sein Vater stammt aus Kenia, aber unter den Vorfahren seiner Mutter finden sich irische Einwanderer).
Von den 22 Präsidenten irischer Abstammung ist freilich nur einer "echter" Ire - nämlich Kind irischer Eltern und katholisch: John F. Kennedy.
Dass einem bei italienischen US-Einwanderern als Erster Al Capone einfällt, ist nicht fair -nicht gegenüber den Italienern, aber auch nicht gegenüber den Iren, die mit Billy the Kid auch einen gewichtigen Beitrag zur US-Kriminalgeschichte geleistet haben.
Ganz abgesehen von weniger prominenten Gangstern wie den Brüdern Bernie, Punchy und George McLaughlin, die als McLaughlin-Brüder in die Geschichte eingegangen sind: Sie lernten das Gangster-Handwerk in Boston bei einer italienischen Mafia-Gang und machten sich dann in den 1950ern in einem ziemlich blutigen Gangsterkrieg von ihren Lehrherren unabhängig.
Sie endeten nicht so gemütlich wie Al Capone wegen Steuerhinterziehung im Häfen, sondern wurden allesamt ermordet - allem Anschein nach von rivalisierenden irischen Gangs.
Mafia mitgebracht
Das schlechte Image der Italiener dürfte damit zusammenhängen, dass von ihnen überproportional viele aus den wirtschaftlich unterentwickelten Regionen Italiens, aus Sizilien und Süditalien stammten - sie brachten die Mafia eben praktisch im Reisegepäck mit.
Aber auch jenseits der Mafia stehen die Italiener den Iren kaum nach: Lady Gaga, Madonna, Francis Ford Coppola, Martin Scorsese, Al Pacino und Leonardo DiCaprio haben italienische Wurzeln -und natürlich Frank Sinatra, womit sich der Kreis zu John F. Kennedy schließt.
Aber kommen wir zur Sache: Die Italiener gehen etwas überheblich in dieses Match, weil ihnen die Iren noch als Armenhäusler in Erinnerung sind. Freilich beträgt das italienische BIP pro Kopf auch nur noch 101 Prozent des EU-Schnitts, während die Iren bis zum Ausbruch der Krise gewaltig aufgeholt haben und auch jetzt noch mit 128 Prozent im europäischen Spitzenfeld liegen:
1:0
In der Krise stecken beide, da sind vom Wirtschaftswachstum keine großen Wunder zu erwarten. Aber Irland schafft immerhin positive 0,5 Prozent, während Italien mit 1,4 Prozent wieder in der Rezession steckt:
2:0
Jetzt werden die Italiener nervös, denn ihre Arbeitslosenrate ist mit 9,8 Prozent auch nicht gerade berühmt -aber da haben die Iren einen Hänger: Bei ihnen sind sogar 14,3 Prozent auf Jobsuche:
2:1
Niedrige Inflationsraten waren noch nie die Stärke der Italiener, und die Steuererhöhungen, die sie zur Budgetsanierung umsetzen mussten, haben die Preise auch nicht gerade kaltgelassen -ihre 3,2 Prozent sind da gar nicht so schlecht. Aber in Irland steigen die Preise infolge der schwachen Nachfrage heuer nur um 1,7 Prozent; das nächste Tor:
3:1
Die Führung gibt den Iren Auftrieb, zumal der nächste Punkt ihre eigentliche Stärke ist: Die irische Handelsbilanz weist einen Überschuss von unfassbaren 24,5 Prozent des BIP aus. Daneben verblasst das Defizit von 0,1 Prozent, auf das die Italiener eigentlich stolz sein dürfen, schon sehr:
4:1
Damit ist das Match gelaufen. Und es ist ein Treppenwitz, dass die Italiener ausgerechnet, wenn es um die Budgetdisziplin geht, doch noch einen Punkt machen: Ihr Defizit wird heuer maastrichtkonforme 2,0 Prozent erreichen, für die Iren werden ausufernde 8,3 Prozent erwartet. Endstand:
4:2
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