13.12.2024, 5271 Zeichen
Maria Enzersdorf (OTS) - Der Umbau des Energiesystems hin zu
ausschließlich erneuerbaren
Energiequellen wird auch das Verhältnis zwischen Produzenten,
Infrastrukturbetreibern und Konsumenten von Grund auf verändern. Die
Verteilernetzbetreiber stellen sich deshalb auf neue
Herausforderungen ein, die unter anderem durch Digitalisierung und
Innovationen gemeistert werden können. Vor allem aber muss das
Verhältnis zu den Kundinnen und Kunden völlig neu gestaltet werden.
Diesen Blick in die unmittelbare österreichischen Energiezukunft
eröffnete der Geschäftsführer von Netz Niederösterreich, Werner
Hengst, beim Energiepolitischen Hintergrundgespräch des Forums
Versorgungssicherheit am 13. Dezember 2024.
„Das alte Bild von Produzenten auf der einen Seite und
Verbrauchern auf der anderen und dazwischen die Netze - das
entspricht nicht mehr der aktuellen Realität“, stellte die Sprecherin
des Forums Versorgungssicherheit, Brigitte Ederer, eingangs fest,
„Kundinnen und Kunden sind immer öfter auch aktive Teilnehmer im
Stromsystem, etwa als Produzenten von Sonnenstrom, als Betreiber von
privaten Speichern oder als Mitglieder einer Energiegemeinschaft.“
Digitalisierung als Voraussetzung
Der Schlüssel zum künftigen flexiblen Energiesystem, so Hengst,
liegt in der Digitalisierung. Der Austausch der alten Stromzähler
gegen digitale Smart Meter ist inzwischen in ganz Österreich nahezu
abgeschlossen. Damit wurde die Voraussetzung für neue intelligente
Möglichkeiten geschaffen. Dazu zählen auch die Energiegemeinschaften.
Im Netzgebiet von Netz NÖ existieren bereits 589 Erneuerbare
Energiegemeinschaften mit insgesamt 17.394 Teilnehmern sowie 166
Anlagen von Bürger-Energiegemeinschaften, die ebenfalls Strom
untereinander tauschen, sich aber nicht ausschließlich auf Ökostrom
beschränken.
Von der Digitalisierung und der Transparenz werden aber alle
profitieren, ist Hengst überzeugt. So werden die Schnittstellen zu
den Kundinnen und Kunden verbessert und die Prozesse beschleunigt:
„Wer wissen will, ob er selbst produzieren Strom ins Netz einspeisen
kann, musste bisher mehrere Tage warten, bis er Auskunft erhielt.
Künftig erhält jeder in Echtzeit sofort eine Antwort, die zwar
rechtlich gesehen noch unverbindlich ist, aber bereits alle
relevanten Informationen enthält.“ Auch eine grobe Kostenschätzung
wird bereits mitgeliefert. Die kurzen Reaktionszeiten sind möglich,
weil auf digitalem Weg stets ein aktuelles Modell der Lastverteilung
im Stromnetz erstellt werden kann.
Transparenz im Netz
Für die Betreiber von PV-Anlagen und Windkraftwerken ist es
wichtig, zu wissen, ob und wieviel Strom sie ins Netz einspeisen
können. Das gilt für große Betreiber ebenso wie für private Haushalte
mit PV-Paneelen auf dem Dach. Sollten nämlich die Kapazitäten im Netz
bereits ausgeschöpft sein, können Anlagen womöglich nur mit
reduzierter Leistung betrieben werden oder erst nach einem weiteren
Ausbau ans Netz gehen.
Künftig soll in diesem Bereich Transparenz geschaffen werden.
„Wir planen, die freien Netzkapazitäten für jede Trafostation
tagesaktuell zu veröffentlichen“, kündigt Hengst an, „damit ist für
alle einsehbar, wo es Engpässe gibt, wo Einschränkungen bei neuen
Erzeugungsanlagen zu erwarten sind, aber auch, wie es um konkrete
Ausbauprojekte zur Aufhebung der Engpässe steht.“
Immerhin baut Netz NÖ derzeit rund 700 Trafostationen und mehr
als 1.000 Kilometer Kabelleitungen zusätzlich pro Jahr.
Innovation geht weiter
Die technischen Möglichkeiten der Netze sind noch lange nicht
ausgeschöpft. So werden die Freileitungen auf wetterabhängigen
Betrieb umgerüstet. Dabei macht man sich den physikalischen Effekt
zunutze, dass Leitungen bei niedrigen Temperaturen oder bei Kühlung
durch starken Wind mehr Strom transportieren können. Durch exakte
Echtzeitmessungen kann die Übertragungskapazität um bis zu 70%
gesteigert werden. Werner Hengst: „In den Umspannwerken Kettlasbrunn
und Gaweinstal haben wir bereits die ersten Wetterstationen
errichtet. Jetzt wird das System nach und nach auf ausgewählten
Leitungen ausgerollt.“
Bereits jetzt sind die Netzbetreiber auf das sogenannte
bidirektionale Laden eingestellt. Bei diesem System wird die Batterie
eines E-Mobils ins lokale Stromsystem integriert. Der Strom einer
vollgeladenen Batterie kann dann bei Bedarf entnommen und
beispielsweise zum Betrieb der Waschmaschine verwendet werden -
anschließend wird das Auto wieder mit dem Sonnenstrom vom eigenen
Dach befüllt. Das Auto wird zur Powerbank. „Noch sind nicht alle
Typen von E-Mobilen für dieses System geeignet“, betont Hengst, „aber
von Seiten der Netzbetreiber ist es jederzeit möglich.“
Wünsche an die Politik
Um den Ausbau und die digitale Aufrüstung der Netze vorantreiben
zu können, brauchen die Netzbetreiber stabile langfristige
Rahmenbedingungen. Werner Hengst wünscht sich deshalb von der
nächsten Regierung, dass die Arbeit am neuen
Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) zügig wieder aufgenommen wird:
„Das ElWG ist gewissermaßen das Betriebssystem für unsere
Energiewirtschaft. Es braucht ein Update, aber eines, das die
Grundlagen für unsere weitere Arbeit verbessert.“
Das Forum Versorgungssicherheit ist die gemeinsame Plattform von
fünf Verteilernetzbetreibern: Wiener Netze, Netz Niederösterreich,
Netz Burgenland, Linz Netz und Netz Oberösterreich.
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