06.12.2024, 3659 Zeichen
Brüssel/Wien/Schiltern (OTS) - Anfang kommender Woche steht das
umstrittene EU-Saatgutrecht in
Brüssel auf der Tagesordnung: Am Dienstag, den 10. Dezember 2024,
diskutieren die 27 EU-Landwirtschafts-Minister:innen, darunter
Bundesminister Norbert Totschnig, bei ihrer Ratssitzung einen
Fortschrittbericht der ungarischen Ratspräsidentschaft über die
bisherigen Arbeiten an der geplanten „Verordnung über die Erzeugung
und das Inverkehrbringen von Pflanzenvermehrungsmaterial“ (EU-PVM-
Verordnung). „Es ist höchste Zeit, dass progressive Länder im Rat der
Landwirtschafts-Minister:innen ihre Stimme für ein zukunftsfittes
Saatgutrecht erheben, das die Versorgung unserer Landwirtschaft mit
vielfältigen Sorten und Arten ermöglicht“ , sagt Magdalena Prieler,
Expertin für Saatgut-Politik bei ARCHE NOAH.
„Der Monokultur-Anbau genetisch einheitlicher Sorten, die von
globalen Konzernen in Indien oder China produziert werden, macht
unsere Landwirtschaft anfälliger - gegenüber extremen
Wetterereignissen oder Schocks wie Krieg oder Pandemie. Die
einheimische Produktion regional angepasster Sorten verschiedener
Kulturarten durch vielfältige Betriebe stärkt die
Widerstandsfähigkeit der Landwirtschaft und damit die
Versorgungssicherheit“ , erklärt Magdalena Prieler. „Das neue EU-
Saatgutrecht muss breite Vielfalt erlauben und fördern. Der Vorschlag
der EU-Kommission tut das nicht.“
ARCHE NOAH kritisiert insbesondere überbordende bürokratische
Vorschriften für kleine Saatgut-Betriebe oder für Bäuer:innen, die
eigenes Saatgut produzieren. Derzeit ist es in Österreich erlaubt,
Saatgut, Knollen oder Edelreiser von Obstbäumen zur Rettung alter
Sorten in kleinen Mengen weiterzugeben oder zwischen Bäuer:innen zu
tauschen. Diese Möglichkeit droht eingeschränkt zu werden. Dabei
besitzen traditionelle Sorten oft wichtige Eigenschaften wie erhöhte
Trockenheitsresistenz, die für die Landwirtschaft der Zukunft
unverzichtbar sind.
Im April 2024 hat das EU-Parlament mehrheitlich für
vielfaltsfreundliche Vorschriften gestimmt. Im Rat der
Landwirtschafts-Minister:innen drohen jetzt harte Einschränkungen.
„Im Rat der 27 EU-Landwirtschafts-Minister:innen überwiegen bisher
die Stimmen gegen eine vielfältige und damit widerstandsfähige
Saatgutproduktion“ , so Magdalena Prieler von ARCHE NOAH. Bei der
letzten Debatte über den Gesetzesvorschlag am 24. Juni 2024 haben
sich nur 11 der 27 Minister:innen zu Wort gemeldet. Und nur
Österreich und Rumänien haben die Bedeutung der Vielfalt für die
Landwirtschaft angesprochen. Der Rat will unter anderem verbieten,
dass Bäuer:innen untereinander Saatgut über Ländergrenzen hinweg
weitergeben. Prieler warnt: „Für österreichische Landwirt:innen ist
es wichtig, z.B. hitzeresistente Sorten von Landwirt:innen aus
Italien testen zu können - diese Möglichkeit will der Rat den
Bäuer:innen nehmen.“
Erst vor wenigen Tagen haben 139 Organisationen aus 23
europäischen Ländern in einem offenen Brief an die 27 EU-
Landwirtschafts-Minister:innen sowie an den neuen EU-
Gesundheitskommissar Olivér Várhelyi Verbesserungen beim EU-
Saatgutrecht gefordert. „Der aktuelle Gesetzesvorschlag bedroht die
Vielfalt unserer Kulturpflanzen sowie das Recht unserer Bäuer:innen
auf ihr eigenes Saatgut massiv“, so die Organisationen. ARCHE NOAH
fordert eine aktive Allianz der progressiven Staaten: „Wir
appellieren an Bundesminister Totschnig, sich bei der kommenden
Sitzung der Landwirtschafts-Minister:innen entschieden für ein
Saatgutrecht einzusetzen, das die Grundlage für nachhaltige und
widerstandsfähige Lebensmittelproduktion schafft“ , schließt
Magdalena Prieler.
Zum Fortschrittsbericht :
https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-16180-2024-
INIT/en/pdf
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