02.07.2024,
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Wien (OTS) - Obwohl sich das internationale Umfeld nach wie vor
durchzogen präsentiert, dürfte die Konjunktur in den meisten
Volkswirtschaften Mittel-, Ost- und Südosteuropas 2024 an Schwung
gewinnen. Vor allem die EU-Mitglieder der Region erweisen sich
gegenüber der anhaltenden Wirtschaftsflaute in Deutschland als
robust. Größere Risiken bleiben zwar bestehen, insgesamt hellt sich
die Situation aber auf. Das zeigt die neue Sommerprognose des Wiener
Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) für 23
Länder der Region. „Haupttreiber des Wachstums sind die stark
steigenden Reallöhne, die den privaten Konsum beleben, auch wenn ein
nicht unerheblicher Teil der zusätzlich verfügbaren Einkommen gespart
wird“, sagt Vasily Astrov, Ökonom am wiiw und Hauptautor der
Sommerprognose.
Ganz anders sieht es in den EU-Mitgliedern der Region in der
Industrie aus, die nach wie vor in einer Rezession steckt, die sich
vor allem aus der tiefen Krise der deutschen Industrie erklärt.
Insbesondere die Visegrád-Staaten sind eng mit ihr verflochten. „Das
begrenzt die Wachstumsaussichten all jener Länder, die zum
Industrie-Cluster rund um die Bundesrepublik gehören“, erläutert
Astrov.
Für 2024 prognostiziert das wiiw den EU-Mitgliedern der Region ein
Wachstum von durchschnittlich 2,6%, das 2025 auf 3% anziehen sollte.
Damit dürften sie die heuer beinahe stagnierende Eurozone (0,6%)
wieder deutlich überflügeln und auch im nächsten Jahr fast doppelt so
stark wachsen wie diese (1,6%).
Die Visegrád-Staaten Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn
sowie Slowenien werden heuer mit im Durchschnitt 2,6% expandieren und
ihr Wachstum 2025 auf 3,1% steigern können. Spitzenreiter beim
Wachstum unter den östlichen EU-Mitgliedern ist Polen, und zwar
sowohl heuer (3,3%) als auch im nächsten Jahr (3,6%). Die
südosteuropäischen EU-Mitglieder Rumänien (3,0%) und Kroatien (3,0%)
werden 2024 ebenfalls stark wachsen. Dort stützen nicht zuletzt
Mittelzuflüsse aus dem Corona-Wiederaufbaufonds NextGeneration EU und
im Falle Kroatiens auch der florierende Tourismus die Konjunktur. Die
sechs Staaten am Westbalkan werden heuer im Schnitt um 3,2%
expandieren, die Türkei um 3,4%.
Die Erholung der kriegsgeplagten Ukraine dürfte sich heuer mit
einem Wachstum von 2,7% abschwächen. Gegenüber der Frühjahrsprognose
ist das eine Revision nach unten um 0,5 Prozentpunkte. Die Zerstörung
der ukrainischen Energieinfrastruktur durch russische Luftangriffe
wird in diesem und im nächsten Jahr schwer auf der Wirtschaft lasten.
Bei Aggressor Russland gibt es hingegen eine Revision nach oben um
0,4 Prozentpunkte. Damit dürfte das immer mehr auf Kriegswirtschaft
ausgerichtete Land heuer mit 3,2% ähnlich stark wachsen wie 2023
(3,6%).
Zwtl.: Geopolitische Risiken bleiben erheblich
Die größten Risiken für die Prognose ergeben sich aus der
Geopolitik. „Ein Wahlsieg Donald Trumps bei der
US-Präsidentschaftswahl im November könnte zu einem intensivierten
Handelskrieg der USA mit China und möglicherweise auch mit der EU
führen. Das würde die kleinen, offenen Volkswirtschaften in
Ostmitteleuropa besonders hart treffen. Zudem könnte auch das
Vertrauen der Investoren in die Region erodieren, sollte Trump die
US-Sicherheitsgarantie für Europa in Frage stellen“, analysiert
Astrov und fügt hinzu: „Besorgniserregend ist natürlich auch die
Aussicht auf eine französische Regierung unter Führung des
rechtsextremen Rassemblement National von Marine Le Pen nach den
Parlamentswahlen.“
Zwtl.: Ukraine: Wirtschaft leidet unter Zerstörung der
Energieversorgung
Ganz besonders für die Ukraine, da eine von den Rechtspopulisten
geführte neue Regierung in Paris die dringend benötigte westliche
Unterstützung des Landes zumindest sehr erschweren könnte. Angesichts
eines voraussichtlichen Budgetdefizits von 18% des BIP im heurigen
Jahr, das zum Großteil durch ausländische Finanzhilfen gedeckt werden
muss, wäre ein solches Szenario äußerst problematisch. Wirtschaftlich
haben sich die Aussichten für die Ukraine ohnehin eingetrübt. Obwohl
das Land im ersten Quartal vor allem durch den wieder offenen
Exportweg über das Schwarze Meer laut offiziellen Schätzungen um
solide 4,5% expandierte, führt die systematische Zerstörung der
Energieversorgung durch russische Raketen mittlerweile zu
regelmäßigen Stromabschaltungen im ganzen Land. Das wiiw hat daher
seine Wachstumsprognose für 2024 um 0,5 Prozentpunkte auf 2,7%
reduziert. „Mittlerweile wurde bereits die Hälfte der ukrainischen
Energieinfrastruktur bei russischen Raketenangriffen zerstört, und
die Zerstörungen gehen weiter. Ohne Strom wird sich die ukrainische
Wirtschaft aber nur schwer erholen können. Umso wichtiger sind daher
ausreichende Lieferungen von westlichen Flugabwehrraketen“, betont
Olga Pindyuk, Ukraine-Expertin des wiiw.
Zwtl.: Russlands Kriegswirtschaft am Zenit, US-Sanktionsdrohungen
wirken
Russlands Wirtschaft boomt hingegen, operiert aber zunehmend an
der Kapazitätsgrenze. Gegenüber der Frühjahrsprognose hebt das wiiw
seine Konjunkturprognose für 2024 um 0,4 Prozentpunkte auf 3,2% an.
Das Wachstum dürfte damit fast so hoch ausfallen wie im vergangenen
Jahr (3,6%). Der akute Arbeitskräftemangel und die hohen Zinsen
werden es in den kommenden Jahren allerdings auf rund 2,5% begrenzen.
Die enormen staatlichen Ausgaben für den Krieg – rund ein Drittel des
föderalen Budgets oder 6% des BIP – befeuern die Konjunktur und
kommen auch vielen anderen Sektoren zugute. Der gravierende Mangel an
Arbeitskräften durch den Fronteinsatz hunderttausender Männer und
Emigration ins Ausland treibt die Löhne und den privaten Konsum. Die
Bauwirtschaft hat massiv vom Ausbau der Militär- sowie der Transport-
und Logistikinfrastruktur Richtung Asien profitiert.
Dazu kommen sehr hohe Löhne für Frontsoldaten und Entschädigungen
an Kriegsversehrte und Hinterbliebene von Gefallenen, die
zusätzliches Geld in die Wirtschaft pumpen. „Das führt zu einer
Umverteilung von oben nach unten, was leider auch die Sympathien für
den Krieg in der Bevölkerung fördert“, sagt Vasily Astrov, der auch
Russland-Experte des wiiw ist.
Die in Aussicht gestellten US-Sanktionen gegen Banken in
Drittstaaten wie China, der Türkei oder den Vereinigten Arabischen
Emiraten, die Russland bisher bei der Umgehung der westlichen
Sanktionen geholfen haben, zeigen allerdings zunehmend Wirkung. So
sanken beispielsweise die russischen Warenimporte aus China im März
und April des laufenden Jahres massiv. „Vor allem bei
Dual-Use-Gütern, also Produkten, die sowohl zivil als auch
militärisch nutzbar sind – beispielsweise Mikrochips –, war der
Einbruch dramatisch“, konstatiert Astrov, schränkt aber ein:
„Letztlich werden sich auch hier wieder Wege finden, diese Sanktionen
zu umgehen, allerdings verteuern und erschweren sie für Russland die
Beschaffung der so wichtigen Hightech-Komponenten aus dem Westen.“
Zwtl.: Aufschwung in CEE stützt Österreichs Konjunktur
Angesichts des an Fahrt gewinnenden Wachstums in Polen,
Tschechien, Ungarn, der Slowakei und Slowenien dürften diese mit
Österreich eng verflochtenen Länder heuer die schwache heimische
Konjunktur stützen. Mit einem Wachstum von durchschnittlich 2,6%
werden sie 2024 mehr als dreimal so stark wachsen wie die Eurozone
(0,6%). Unterstützung für Österreichs heuer wohl stagnierende
Wirtschaft ist auch aus Südosteuropa zu erwarten. Vor allem Rumänien
(3%) und Kroatien (3,0%) wachsen vergleichsweise stark. Auch am
Westbalkan läuft es etwa in Bosnien-Herzegowina (2,5%), Albanien
(3,6%) oder Serbien (3,5%) gut. „Die engen wirtschaftlichen
Beziehungen Österreichs zu den Visegrád- und Westbalkanstaaten
stützen die heimische Konjunktur und mildern so auch die momentane
Schwäche Deutschlands, dem mit Abstand wichtigsten Handelspartner für
Österreich“, analysiert Doris Hanzl-Weiß, Expertin für Österreichs
Wirtschaftsbeziehungen mit Mittel-, Ost- und Südosteuropa am wiiw.
Zwtl.: China überholt Österreich bei neuen Investitionsprojekten
Weniger erfreulich sieht es bei den österreichischen
Direktinvestitionen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa aus. Hier
überholte die Volksrepublik China laut ersten Schätzungen Österreich
im vergangenen Jahr bei den neuen Investitionsprojekten. 2023 standen
64 angekündigte chinesische Projekte 50 österreichischen gegenüber.
Beim zugesagten Kapital für neue Projekte waren es auf chinesischer
Seite aber schon rund 21 Mrd. Euro im Vergleich zu lediglich 1,3 Mrd.
Euro aus Österreich. Damit lag China zum ersten Mal auch weit vor
Deutschland, dessen Unternehmen rund 13 Mrd. Euro an Investitionen in
Aussicht stellten. Die chinesischen Direktinvestitionen
konzentrierten sich nicht zuletzt auf neue Produktionsanlagen für
E-Autos und Batterien in Ungarn. „Diese Zahlen geben einen
Vorgeschmack darauf, was uns in den nächsten Jahren blühen könnte.
Wenn die EU nicht gegensteuert, werden hochsubventionierte Konzerne
aus China der deutschen und österreichischen Industrie in dieser
Schlüsselregion mitunter den Rang ablaufen“, gibt Hanzl-Weiß zu
bedenken.
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