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Steigende Preise für Erdgas als Inflationstreiber – die Hintergründe

APA-OTS-Meldungen aus dem Finanzsektor in der "BSN Extended Version"
Wichtige Originaltextaussendungen aus der Branche. Wir ergänzen vollautomatisch Bilder aus dem Fundus von photaq.com und Aktieninformationen aus dem Börse Social Network. Wer eine Korrektur zu den Beiträgen wünscht: mailto:office@boerse-social.com . Wir wiederum übernehmen keinerlei Haftung für Augenerkrankungen aufgrund von geballtem Grossbuchstabeneinsatz der Aussender. Wir meinen: Firmennamen, die länger als drei Buchstaben sind, schreibt man nicht durchgängig in Grossbuchstaben (Versalien).
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01.07.2024, 5617 Zeichen

Wien (OTS) - In den österreichischen Medien, und damit auch in der Öffentlichkeit, wird der starke Anstieg der Inflation im Jahr 2022 oft primär als Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ab Ende Februar 2022 gesehen. Ohne die Berechtigung der aufgrund des völkerrechtswidrigen Krieges verhängten internationalen Sanktionen in Zweifel zu ziehen, lässt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage stellen: Waren die EU-Sanktionen die Hauptursache für den Anstieg der Erdgas-Großhandelspreise und daher der Inflation?
Dagegen spricht: Die EU hat bis dato überhaupt keine Sanktionen gegen Erdgasimporte aus Russland verhängt. Allerdings bleibt die Frage: Haben die im Frühjahr 2022 beschlossenen EU-Sanktionen dazu geführt, dass Russland als Gegenmaßnahme den Erdgasexport beschränkt hat, sodass vor allem deshalb der Erdgaspreis explodiert ist? – Dazu lassen sich folgende Antworten geben:
Gaspreise stiegen sehr stark schon vor Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine Die Erdgas-Großhandelspreise im Euroraum hatten sich jedoch schon im Jahr 2021 vervielfacht, also vor Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dieser Anstieg erfolgte somit nicht aufgrund der EU-Sanktionen und russischer Gegenmaßnahmen.
Im Jahresdurchschnitt 2021 stiegen die Erdgas-Großhandelspreise auf das Fünffache(!), was sich in den Haushaltspreisen (auch für Strom) erst zeitverzögert und überwiegend im Jahr 2022 niederschlug. Dadurch beschleunigte sich der Anstieg der Haushaltspreise für Energie im Jahr 2022 massiv, was sich auf den gesamten Verbraucherpreisindex stark auswirkte.
Erdgas-Preisanstiege 2021 sogar deutlich stärker als 2022 Bereits 2021 stiegen im Euroraum die Großhandelspreise für Erdgas um ein Vielfaches stärker als jene für Erdöl. Der Anstieg fiel zudem deutlich stärker aus als im Folgejahr 2022. Auch global kam es dadurch zu höheren Erdgaspreisen, wobei es in Ostasien zu einem weniger starken Zuwachs kam.
Russland kürzte bereits 2021 Gaslieferungen massiv Der extreme Anstieg der Erdgas-Großhandelspreise im Euroraum im Jahr 2021 ist darauf zurückzuführen, dass Russland die Erdgaslieferungen in die EU über die Ukraine – trotz ausreichender Lieferkapazitäten – massiv kürzte und Gazprom weniger Gas auch in die eigenen Lager innerhalb der EU einspeicherte. Einige Indizien sprechen dafür, dass politische Motive den Hintergrund bilden könnten. Ziel könnte gewesen sein, gegenüber den Behörden in Deutschland bzw. in der EU, die für die Betriebsgenehmigung einer neuen direkten Pipeline nach Deutschland zuständig waren, politischen Druck aufzubauen – und zugleich die Ukraine ihre wirtschaftliche Abhängigkeit spüren zu lassen, um ihre Bereitschaft für Zugeständnisse zu erhöhen. Nicht auszuschließen ist auch, dass Russland in Verbindung mit dem bereits geplanten Angriffskrieg gegen die Ukraine beabsichtigte, die EU durch eine starke Verunsicherung auf dem Erdgasmarkt infolge bereits sehr hoher Preise und sehr niedriger Lagerstände unter Druck zu setzen, damit diese auf den Einmarsch in die Ukraine nicht mit scharfen Maßnahmen reagieren würde. Damit sollten wohl insbesondere mögliche Sanktionen gegen Erdgasimporte aus Russland noch schwieriger und damit unwahrscheinlicher gemacht werden.
Russland hat seine Erdgasexporte in die EU in den Jahren 2022 und 2023 weiter massiv eingeschränkt, doch der Erdgas-Großhandelspreis erhöhte sich im Jahr 2022 viel schwächer als zuvor und war im Jahr 2023 sogar rückläufig. Die Erklärung dafür ist, dass die EU in diesen beiden Jahren zuerst schon in Reaktion auf den im Jahr 2021 erfolgten sehr starken Preisanstieg und dann umso mehr nach der Vollinvasion Russlands im Februar 2022 erstens die Diversifizierung der Erdgasimporte insbesondere durch erhöhte Importe von Flüssiggas (LNG) verstärkte, zweitens Erdgas zum Teil durch andere Energieträger ersetzte und drittens den gesamten Energieverbrauch verringerte.
Nebenrolle Chinas mit seiner starken LNG-Nachfrage Ende 2020 Ein Nebenfaktor war Chinas starke Nachfrage nach LNG Ende 2020/Anfang 2021, die den Anstieg des Erdgas-Großhandelspreises im Euroraum Anfang 2021 verstärkte. Dieser Faktor war jedoch schon rein mengenmäßig eindeutig zweitrangig und für den extremen Anstieg im Gesamtjahr 2021 nicht entscheidend. Während Chinas gesamter Kohleverbrauch wegen der Verstromung weiter ansteigt (auf fast 60 % des Weltverbrauchs), trägt der Umstieg von Kohle auf Erdgas in Haushalten und kleinen Industriebetrieben ab 2016 zu einer kontinuierlich steigenden Erdgas-Nachfrage bei. Doch dies kann den sprunghaften Anstieg von Chinas LNG-Nachfrage zum Jahreswechsel 2020/2021 nicht erklären – sie resultierte vielmehr aus einer außergewöhnlichen Kältewelle auch als Folge des Klimawandels.
Im Gegensatz zum Euroraum führte jedoch der Anstieg des Erdgas-Großhandelspreises im Jahr 2021 in China nicht zu einem Inflationsschub, u.a. weil in Ostasien langfristige Verträge an den Erdölpreis gebunden sind und Erdgas einen kleineren Anteil am Energie-Mix hat.
Die Erfahrungen aus dem Jahr 2021 zeigen, wie wichtig eine Diversifizierung der Energie- und Rohstoffimporte und der Ausstieg aus fossiler Energie bei gleichzeitigem Ausbau erneuerbarer Energie zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Erhöhung der Versorgungssicherheit sind.
Die zum Ausdruck gebrachten Ansichten müssen nicht zwingend mit den Ansichten der OeNB bzw. des Eurosystems übereinstimmen.
Autoren des Blogs: [Thomas Reininger] (https://www.oenb.at/Geldpolitik/Forschung/oekonomi... ger.html), Iiris Virokannas (beide OeNB)
Der Blog inkl. Grafiken findet sich auf der [OeNB-Website] (https://www.oenb.at/Presse/oenb-blog/2024/2024-06-... e-fuer-erdgas-als-inflationstreiber.html).

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    Wien (OTS) - In den österreichischen Medien, und damit auch in der Öffentlichkeit, wird der starke Anstieg der Inflation im Jahr 2022 oft primär als Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ab Ende Februar 2022 gesehen. Ohne die Berechtigung der aufgrund des völkerrechtswidrigen Krieges verhängten internationalen Sanktionen in Zweifel zu ziehen, lässt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage stellen: Waren die EU-Sanktionen die Hauptursache für den Anstieg der Erdgas-Großhandelspreise und daher der Inflation?
    Dagegen spricht: Die EU hat bis dato überhaupt keine Sanktionen gegen Erdgasimporte aus Russland verhängt. Allerdings bleibt die Frage: Haben die im Frühjahr 2022 beschlossenen EU-Sanktionen dazu geführt, dass Russland als Gegenmaßnahme den Erdgasexport beschränkt hat, sodass vor allem deshalb der Erdgaspreis explodiert ist? – Dazu lassen sich folgende Antworten geben:
    Gaspreise stiegen sehr stark schon vor Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine Die Erdgas-Großhandelspreise im Euroraum hatten sich jedoch schon im Jahr 2021 vervielfacht, also vor Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dieser Anstieg erfolgte somit nicht aufgrund der EU-Sanktionen und russischer Gegenmaßnahmen.
    Im Jahresdurchschnitt 2021 stiegen die Erdgas-Großhandelspreise auf das Fünffache(!), was sich in den Haushaltspreisen (auch für Strom) erst zeitverzögert und überwiegend im Jahr 2022 niederschlug. Dadurch beschleunigte sich der Anstieg der Haushaltspreise für Energie im Jahr 2022 massiv, was sich auf den gesamten Verbraucherpreisindex stark auswirkte.
    Erdgas-Preisanstiege 2021 sogar deutlich stärker als 2022 Bereits 2021 stiegen im Euroraum die Großhandelspreise für Erdgas um ein Vielfaches stärker als jene für Erdöl. Der Anstieg fiel zudem deutlich stärker aus als im Folgejahr 2022. Auch global kam es dadurch zu höheren Erdgaspreisen, wobei es in Ostasien zu einem weniger starken Zuwachs kam.
    Russland kürzte bereits 2021 Gaslieferungen massiv Der extreme Anstieg der Erdgas-Großhandelspreise im Euroraum im Jahr 2021 ist darauf zurückzuführen, dass Russland die Erdgaslieferungen in die EU über die Ukraine – trotz ausreichender Lieferkapazitäten – massiv kürzte und Gazprom weniger Gas auch in die eigenen Lager innerhalb der EU einspeicherte. Einige Indizien sprechen dafür, dass politische Motive den Hintergrund bilden könnten. Ziel könnte gewesen sein, gegenüber den Behörden in Deutschland bzw. in der EU, die für die Betriebsgenehmigung einer neuen direkten Pipeline nach Deutschland zuständig waren, politischen Druck aufzubauen – und zugleich die Ukraine ihre wirtschaftliche Abhängigkeit spüren zu lassen, um ihre Bereitschaft für Zugeständnisse zu erhöhen. Nicht auszuschließen ist auch, dass Russland in Verbindung mit dem bereits geplanten Angriffskrieg gegen die Ukraine beabsichtigte, die EU durch eine starke Verunsicherung auf dem Erdgasmarkt infolge bereits sehr hoher Preise und sehr niedriger Lagerstände unter Druck zu setzen, damit diese auf den Einmarsch in die Ukraine nicht mit scharfen Maßnahmen reagieren würde. Damit sollten wohl insbesondere mögliche Sanktionen gegen Erdgasimporte aus Russland noch schwieriger und damit unwahrscheinlicher gemacht werden.
    Russland hat seine Erdgasexporte in die EU in den Jahren 2022 und 2023 weiter massiv eingeschränkt, doch der Erdgas-Großhandelspreis erhöhte sich im Jahr 2022 viel schwächer als zuvor und war im Jahr 2023 sogar rückläufig. Die Erklärung dafür ist, dass die EU in diesen beiden Jahren zuerst schon in Reaktion auf den im Jahr 2021 erfolgten sehr starken Preisanstieg und dann umso mehr nach der Vollinvasion Russlands im Februar 2022 erstens die Diversifizierung der Erdgasimporte insbesondere durch erhöhte Importe von Flüssiggas (LNG) verstärkte, zweitens Erdgas zum Teil durch andere Energieträger ersetzte und drittens den gesamten Energieverbrauch verringerte.
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