17.06.2024,
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Salzburg/Wien (OTS) - Die Deutsche Handelskammer in Österreich (DHK)
lud einen der aktuell profiliertesten Demokratieforscher als
Festredner zu ihrer 49. Matinee in der Salzburger Residenz. Daniel
Ziblatt ist Eaton-Professor an der Harvard University und leitet seit
vier Jahren die Forschungsgruppe „Transformations of Democracy“ am
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. In seinem Vortrag
„Demokratie schützen im Zeitalter des Autoritarismus“ sprach Ziblatt
von einem subtilen Sterben der Demokratie – ohne Putsch, Gewalt und
Waffen. Die große Bedrohung für die Demokratie komme heute aus ihr
selbst.
Zwtl.: Democratic Backsliding
In ihrem Bestseller „Die Tyrannei der Minderheit“ legen Ziblatt
und sein Co-Autor Steven Levitsky dar, dass Demokratien mittlerweile
verfassungskonform abgeschafft werden: „Vom Volk gewählte
Präsidenten, Premiers und demokratische legitimierte Politiker nutzen
die Institutionen der Demokratie, um sie auszuhöhlen.“ Die Zahl an
antidemokratisch regierten Ländern hat weltweit drastisch zugenommen:
Chávez in Venezuela, Erdoğan in der Türkei, Orban in Ungarn,
Bolsonaro in Brasilien sind Beispiele dafür. Aber auch langjährige
Demokratien und prosperierende Wirtschaftsmächte seien nicht vor
einem Rückfall in autokratische Strukturen gefeit, wie die aktuelle
Situation in den USA und vielen Staaten Westeuropas zeige, so Ziblatt
in seiner Rede in der Residenz zu Salzburg.
Zwtl.: Gesellschaftlicher Wandel als Auslöser
Warum radikalisieren sich ursprünglich demokratische Parteien? Für
die USA begründet Ziblatt das mit dem gesellschaftlichen Wandel in
den vergangenen 50 Jahren. 1976 waren noch 80 Prozent aller
Amerikaner weiß und christlich, 2016 nur noch 43 Prozent. „Die
amerikanische Gesellschaft hat sich dramatisch verändert, aber die
Republikanische Partei nicht. Sie ist nach wie vor die überwiegend
weiße und christliche Partei in einem Land, das sehr bunt geworden
ist. Als solche kann sie aber seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts
kaum noch eine Mehrheit an Wählerstimmen bei Präsidentschaftswahlen
gewinnen.“ Eine Gegenreaktion auf diese gesellschaftlichen
Veränderungen treibt die antidemokratischen Kräfte an.
Zwtl.: Ungleichgewicht der politischen Institutionen
Paradoxerweise kommt der Republikanischen Partei die amerikanische
Verfassung aus dem 18. Jahrhundert zugute: einst zum Schutz von
Minderheiten so beschlossen, kann sie heute zum Umkehren politischer
Verhältnisse missbraucht werden. Das System der Wahlmänner und
Wahlfrauen sorgt in den USA dafür, dass kleine Staaten mit wenigen
Einwohnern überdurchschnittlich viel Einfluss erhalten. Damit konnte
Donald Trump 2016 ohne Mehrheit an Wählerstimmen die
Präsidentschaftswahlen für sich entscheiden. Ein Missverhältnis an
Macht bestimmt laut Daniel Ziblatt aber auch den Senat, die zweite
Kammer des Kongresses. Die Filibuster-Regelung ermöglicht es
Minderheiten, eine Beschlussfassung zu verhindern. Im Supreme Court
können Richter bis zu ihrem Lebensende Mehrheiten blockieren. Das
alles führe zu einer Verzerrung des politischen Systems.
Zwtl.: Halbloyale Demokraten
In den USA wie in Europa unterstützen 20 bis 30 Prozent der Wähler
rechtsradikale und populistische Parteien. Das ist zwar eine
Bedrohung, aber noch keine Mehrheit. Die Erfüllungsgehilfen sind
„halbloyale Demokraten“ in der Republikanischen Partei, welche
Antidemokraten gewähren lassen, um ihrer eigenen politischen Karriere
nicht zu schaden. Das sollte laut Ziblatt auch uns Europäern eine
Warnung sein. DHK Präsident Hans Dieter Pötsch warnte davor, dass
„Populismus und Extremismus an beiden Enden unseres politischen
Spektrums unsere Gesellschaft abschotten, die Meinungsvielfalt
einschränken und damit unsere geistig innovativen Fähigkeiten
beschneiden wollen. Die Lösungen für die Zukunft kommen aber aus
freien und offenen Gesellschaften.“
Zwtl.: 49. Matinee der DHK
DHK Präsident Hans Dieter Pötsch konnte bei
Frühsommerveranstaltung der Deutschen Handelskammer in Österreich den
deutschen Botschafter in Österreich, Vito Cecere und rund 160
Wirtschaftstreibende aus dem deutsch-österreichischen Raum begrüßen.
Er verwies angesichts der kürzlich stattgefunden EU-Wahlen auf die
„Notwendigkeit einer EU-Kommission, welche der Stärkung der
Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Wirtschaft höchste
Priorität einräumt. Der Stillstand in der EU-Handelspolitik der
vergangenen Jahre muss ein Ende haben.“ Pötsch sprach sich dafür aus,
dass einzelne EU-Staaten ihre Blockadepolitik gegenüber
Freihandelsabkommen aufgeben und dass die Belastungen für die
Wirtschaft bei Steuern und bürokratischen Vorschriften reduziert
werden.
Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer sprach vom „Anfang des
Endes der Aufklärung. Wir leben in einer Zeit, in der Emotionen
überhandnehmen und die Vernunft zurückgedrängt wird. Der Mitte sei
die „große Erzählung“ abhandengekommen. Dabei hätten die Menschen
eine tiefe Sehnsucht nach Orientierung, Sicherheit und Leadership.
Auch Salzburgs Vizebürgermeister Florian Kreibich betonte die
Wichtigkeit von funktionierenden Wirtschaftsbeziehungen und
Netzwerken wie dem der Deutschen Handelskammer in Österreich.
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