24.04.2024,
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Wien (OTS) - Trotz des schwierigen internationalen Umfelds dürfte
sich die Konjunktur in den meisten Volkswirtschaften Mittel-, Ost-
und Südosteuropas 2024 gut entwickeln – vor allem in den
EU-Mitgliedern. Große Abwärtsrisiken bleiben jedoch bestehen. Das
zeigt die neue Frühjahrsprognose des Wiener Instituts für
Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) für 23 Länder der Region.
„Angesichts steigender Reallöhne, vor allem aufgrund einer stark
rückläufigen Inflation, ist der private Konsum die Hauptstütze des
Wachstums“, sagt Olga Pindyuk, Ökonomin am wiiw und Hauptautorin der
Frühjahrsprognose. „Die Investitionstätigkeit wird sich erst
allmählich erholen. In der Industrie – vor allem in den mit der
schwächelnden deutschen Wirtschaft eng verflochtenen Visegrád-Staaten
– sehen wir aber nach wie vor Probleme“, konstatiert Pindyuk. „Der
erhofften Erholung der für die Region so wichtigen deutschen
Wirtschaft ab 2025 kommt natürlich eine Schlüsselrolle zu.“
Für 2024 prognostiziert das wiiw den EU-Mitgliedern der Region ein
Wachstum von durchschnittlich 2,5%, das 2025 auf 3% anziehen sollte.
Damit dürften sie die heuer beinahe stagnierende Eurozone (0,6%)
wieder deutlich überflügeln und auch im nächsten Jahr fast doppelt so
stark wachsen wie diese (1,6%). „Die ostmitteleuropäischen
EU-Mitglieder setzen damit auch 20 Jahre nach Beginn der
EU-Osterweiterung ihren ökonomischen Aufholprozess wieder fort, auch
wenn sich dieser ab 2025 etwas verlangsamen wird“, so Pindyuk.
Die Visegrád-Länder Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn
werden heuer mit im Durchschnitt 2,4% expandieren und ihr Wachstum
2025 auf 3,0% steigern können. Polen und Ungarn haben aufgrund
aktueller Entwicklungen (neue Regierung in Polen, Viktor Orbáns
Ukraine-Deal mit der EU) zwar wieder verstärkt Zugriff auf EU-Gelder,
allerdings fließen die Mittel im Falle Polens nur zäh und bleiben im
Falle Ungarns zum Großteil weiterhin blockiert.
Die südosteuropäischen EU-Mitglieder Rumänien (3,0%) und Kroatien
(2,9%) dürften 2024 besonders stark wachsen. Dort stützen nicht
zuletzt Mittelzuflüsse aus dem Corona-Wiederaufbaufonds
NextGeneration EU die Konjunktur. Die sechs Staaten am Westbalkan
werden im Schnitt um 3% expandieren, die Türkei um 3,4%. Die leichte
Erholung der kriegsgeplagten Ukraine sollte sich mit 3,2%
BIP-Wachstum fortsetzen. Die schwierige militärische Situation und
die Verzögerungen bei der weiteren Finanz- und Militärhilfe durch den
Westen dämpfen jedoch die Wirtschaftsentwicklung. Bei Aggressor
Russland dürfte sich das im vergangenen Jahr starke Wachstum der
Kriegswirtschaft (3,6%) auf heuer 2,8% etwas abschwächen, da
deutliche Überhitzungserscheinungen zu verzeichnen sind.
Zwtl.: Geopolitische Risiken dominieren
Für die Prognose bestehen allerdings erhebliche Abwärtsrisiken.
„Ein großer Krieg im Nahen Osten zwischen Israel und dem Iran würde
wohl zu einem neuerlichen Energiepreisschock führen und die Inflation
wieder befeuern“, warnt Pindyuk. „Eine zu schwache Erholung in
Deutschland, Störungen der globalen Lieferketten und die Wahl Donald
Trumps zum nächsten US-Präsidenten könnten die Region ebenfalls in
Turbulenzen bringen“, argumentiert Pindyuk.
Zwtl.: Ukraine: Unsicherheiten über westliche Hilfen bremsen Erholung
Vor allem für die Ukraine wirft ein möglicher Wahlsieg Trumps
bereits seine Schatten voraus. Obwohl das Land seit Beginn der
russischen Invasion eine erstaunliche Resilienz an den Tag gelegt
hat, bremsen die anhaltende Unsicherheit und die Verzögerungen bei
der westlichen Militär- und Wirtschaftshilfe die Erholung. Nach 5,3%
Wachstum im vergangenen Jahr prognostiziert das wiiw der Ukraine
heuer ein Wachstum von 3,2%. Trotz wirtschaftlicher Erfolge wie der
Wiedereröffnung des Schwarzmeer-Korridors für den Export
landwirtschaftlicher und metallurgischer Produkte, der eine
Lebensader für die Ukraine darstellt, litt das Land auch unter der
Grenzblockade polnischer Landwirte. 2023 reduzierten sich die
Warenexporte nach Polen um rund ein Drittel. Dazu kommen die in
letzter Zeit wieder massiven russischen Luftangriffe. „Das Fehlen von
Flugabwehrraketen wird immer mehr auch zu einem ökonomischen Problem,
weil die Energieversorgung und wichtige Industriebetriebe immer öfter
getroffen werden“, beklagt Pindyuk. „Letztlich steht und fällt alles
mit ausreichender und rechtzeitiger Militär- und Finanzhilfe durch
den Westen – allein 2024 klafft in der Ukraine eine
Finanzierungslücke von 40 Milliarden US-Dollar“, so Pindyuk.
Zwtl.: Russlands Kriegswirtschaft am Limit – Sekundärsanktionen als
Gefahr
Nach einem unerwartet starken Wachstum von 3,6% im vergangenen
Jahr dürfte sich das BIP-Wachstum heuer auf 2,8% abschwächen und 2025
weiter nachlassen. Gegenüber der wiiw-Winterprognose ist das für 2024
dennoch eine Revision nach oben um 1,3 Prozentpunkte. Die russische
Wirtschaft boomt aufgrund der hohen staatlichen Ausgaben für den
Krieg und dürfte im zweiten Quartal des laufenden Jahres ihren
konjunkturellen Zenit überschreiten. Auch der akute
Arbeitskräftemangel, Kapazitätsengpässe und rekordhohe Realzinsen von
rund 8% taten dem Boom bisher keinen Abbruch. „Fachkräftemangel und
Kriegskeynesianismus ließen die Reallöhne im vergangenen Jahr um fast
8% steigen, was den privaten Konsum um 6,5% anziehen ließ. Diese
Entwicklung könnte noch einige Zeit so weiter gehen. Die hohen Zinsen
dürften den Wirtschaftsboom und damit die Inflation aber einbremsen“,
sagt Vasily Astrov, Russland-Experte des wiiw.
Trotz hoher Militärausgaben und gesunkener Einnahmen aus dem
Export fossiler Energieträger im letzten Jahr fällt der Ausblick für
den russischen Staatshaushalt durchwegs positiv aus. Die
Steuereinnahmen sprudelten im ersten Quartal 2024, sowohl aus dem Öl-
und Gasgeschäft als auch in den meisten anderen Bereichen. „Putin
wird das Geld für den Krieg nicht ausgehen. Für die russische
Wirtschaft stellt sich eher die Frage, was nach dem Krieg kommt, da
sie momentan vollkommen von ihm abhängig ist“, analysiert Astrov.
Kurzfristig könnten die immer schärferen Sekundärsanktionen des
Westens gegen Drittstaaten wie China oder die Türkei zum Problem
werden, über die Russland die Sanktionen bisher umgehen konnte. „Wenn
türkische Banken, wie kürzlich geschehen, plötzlich keine Zahlungen
mehr für russische Importe annehmen und auch Transaktionen in
chinesischen Yuan schwieriger werden, könnten Russland sehr bald
wichtige Maschinen und Bauteile aus dem Westen wie etwa Mikrochips
fehlen“, meint Astrov.
Zwtl.: Starke österreichische Präsenz in Russland
Der Ausstieg österreichischer Unternehmen aus Russland vollzieht
sich weiterhin nur schleppend. Auch wenn viele von ihnen den
Marktaustritt angekündigt haben, haben bisher nur 6 von ihnen diesen
auch komplett vollzogen. 13 heimische Unternehmen sind gerade dabei,
ihre Zelte abzubrechen. Zusammengenommen haben bisher nur 26% aller
österreichischen Unternehmen den russischen Markt ganz verlassen oder
sind gerade dabei, das zu tun – gegenüber 42% der Unternehmen im
globalen Durchschnitt. „Natürlich hat das auch damit zu tun, dass der
Marktausstieg äußerst schwierig, mitunter verlustreich und im Finanz-
und Energiebereich sogar grundsätzlich untersagt ist, außer Putin
gibt seine Zustimmung“, erläutert Vasily Astrov.
Zwtl.: Gaspreise könnten durch Ende des Ukraine-Transits steigen
Ungemach droht der österreichischen Wirtschaft noch an einer
anderen Front. Die Ukraine hat angekündigt, ab 2025 kein russisches
Erdgas mehr über ihr Territorium nach Westen zu transportieren und
den entsprechenden Vertrag mit Gazprom auslaufen zu lassen. Bisher
bezog Österreich den allergrößten Teil seines Gases über Pipelines
durch die Ukraine. „Sollte die Ukraine ihre Ankündigung wahr machen,
wäre dies für die Länder entlang der Gasroute von dort über die
Slowakei bis nach Österreich eine Herausforderung. Neue
Versorgungsrouten müssten erschlossen werden. Derzeit werden die
Effekte auf die Gaspreise diskutiert, wobei eine Erhöhung befürchtet
wird, auch aufgrund höherer Transportkosten“, analysiert Doris
Hanzl-Weiß, Ökonomin am wiiw und Expertin für Österreichs
Wirtschaftsbeziehungen mit Mittel-, Ost- und Südosteuropa.
Zwtl.: Aufschwung in CEE als Chance für Österreich
Positiv für Österreichs Wirtschaft dürfte sich der wieder
anspringende Konjunkturmotor in Polen, Tschechien, Ungarn und der
Slowakei auswirken. Mit einem Wachstum von im Durchschnitt 2,4%
werden die Visegrád-Staaten damit wieder eine wichtige Stütze für die
heimische Konjunktur darstellen, umso mehr als die heimische
Nachfrage 2024 praktisch stagnieren dürfte. Selbiges gilt auch für
Rumänien und Kroatien, die mit 3% respektive 2,9% in diesem Jahr
vergleichsweise stark wachsen und wirtschaftlich eng mit Österreich
verflochten sind.
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