19.03.2024,
8056 Zeichen
Düsseldorf (ots) - Die letzte Meile zum Verbraucher ist aktuell die
größte Herausforderung der Lieferunternehmen - das könnte sich bald
ändern
Laut der aktuellen Studie der Unternehmensberatung Kearney hat die
Paketbranche im Jahr 2022 insgesamt rund 4,2 Milliarden
Standardsendungen an Empfänger in Deutschland geliefert, das sind
rund 14 Millionen Sendung pro Tag. Etwa 75 Prozent davon an private
Haushalte. Aber die Welt zum Kunden zu bringen, hat seinen Preis. Für
Lieferunternehmen werden diese Kosten im Wettbewerb zu einem immer
größeren Problem. Worin auch das Dilemma liegt, wie Sven Rutkowsky,
Partner bei der Unternehmensberatung Kearney weiß: "Auf dem Land
treiben die steigenden Arbeitskosten, geringe Stoppdichte und
Kraftstoffpreise die Kosten, in den Ballungsräumen Mehrfachzustellung
und Regulierung in puncto Zugang, Parken und Emissionen. Gleichzeitig
nimmt der Wettbewerbsdruck zu, weil das Mengenwachstum gegenüber der
Boomjahren 2020 und 2021 deutlich zurück gegangen ist." Eine Lösung
liegt darin, die "letzte Meile" wieder an den Kunden abzugeben. Das
heißt Pakete werden an einen anderen Ort als den Wohnsitz des
Empfängers geschickt - an einen nahen, leicht erreichbaren Ort, an
dem das Paket dann selbst abgeholt werden soll. "Neben dem
Arbeitsplatz der Kunden, gibt es aktuell zwei praktikable Formen
dieser sogenannten Out-of-Home-Zustellung", erklärt Rutkowsky. Die
traditionellere und immer noch häufigere Form sei die Lieferung an
ein Geschäft, einen Supermarkt, eine Tankstelle, bei dem Kunden ihre
Pakete während der Geschäftszeiten abholen können. Allerdings zeigt
die aktuelle Untersuchung von Kearney, dass der Trend ganz klar in
eine Richtung geht: "Paketboxen, also automatische Paketautomaten
oder Schließfächer, werden zu einer attraktiven Option für
Transportunternehmen und die Kunden - wir schätzen, dass das
Volumenwachstum hier bis zu fünfmal höher sein wird als bei der
Hauszustellung."
Kostendruck im Privatkundengeschäft und Umweltregulierungen
Die Paketbranche ist zunehmend auf das Privatkundensegment
angewiesen. Während dieses auch in den nächsten fünf Jahren um rund
zehn bis 20 Prozent steigen wird, wächst der Markt für
Geschäftskunden lediglich mit der Rate des Bruttoinlandproduktes. Das
Vorantreiben der Alternativen zur Hauszustellung für Privatkunden ist
laut Kearney für alle Wettbewerber überlebensnotwendig. "Mit über 50
Prozent der Lieferkosten ist die letzte Meile bis zur Haustüre des
Kunden mit Abstand der teuerste Teil und die Hauszustellung, die am
wenigsten effiziente Zustellart", so Robert Morwind, Projektleiter
bei Kearney. "Wir haben errechnet, dass eine Lieferung, die
beispielsweise 3,50 Euro kostet, im Mittel bei der Nutzung einer
Paketbox statt der Hauszustellung rund einen Euro pro Paket spart.
Die Gewinnspanne steigt dabei um etwa 30 Prozentpunkte." Auf der
Umweltseite hingegen mehren sich die Forderungen, Stadtzentren in
Nullemissionszonen zu verwandeln oder die Elektrifizierung
kommerzieller Flotten zu erzwingen. Zudem wird der Einsatz von LKWs
und Transportern in bestimmten Gebieten oder zu bestimmten
Tageszeiten eingeschränkt. "Wenn die Verbraucher die Paketboxen
bequem ohne Pkw, ohne Umwege erreichen können und das Fahrzeug, mit
dem ein Schließfach beliefert wird, umweltfreundlich ist, können die
Gesamtemissionen schätzungsweise 15-mal niedriger sein als bei
Zustellung desselben Pakets direkt an die Haustür", schätzt Morwind.
Die Konsequenz liegt für Kearney auf der Hand: Lieferunternehmen, die
bei der Ausweitung auf Paketboxen hinterherhinken, riskieren
zunehmend Nachteile in diesem hart umkämpften Markt.
Verbraucherperspektive - Lieferkosten sparen und Rückgaben
erleichtern?
Nun stellt sich allerdings die Frage, ob die Kunden bereit sind sich
darauf einzulassen, nachdem sie an den Komfort der Hauszustellung
gewöhnt sind. Für Rutkowsky ist klar: "Der Nutzen für Verbraucher
dreht sich um die Erreichbarkeit und Verfügbarkeit der Paketbox und
die Möglichkeit, Zustellkosten zu sparen." Richtig interessant werde
es also dann, wenn für den Endkunden die Hauszustellung teurer wird
als die Paketboxnutzung. "Aktuell verlangen DHL und Co. noch keinen
Aufpreis, das könnte sich aber bald ändern und die Akzeptanz von
Paketboxen schlagartig erhöhen." Die Vorteile für den Verbraucher
hinsichtlich Kosten, Rücksendekomfort und Nachhaltigkeit erscheinen
eindeutig, könnten jedoch auch durch die Zustellung in ein Geschäft
nebenan realisiert werden. Was spricht also für das langfristige
Durchsetzen von Paketboxen? Eine nicht-repräsentative Kearney-Umfrage
deutet darauf hin, dass insbesondere jüngere Verbraucher die Vorteile
von Paketboxen, wie die kontaktlose Kundenerfahrung und die
Möglichkeit, Zeit und Ort frei zu wählen, sehr schätzen. 70 Prozent
der Befragten nannten kurze Abholzeiten und die Verfügbarkeit rund um
die Uhr als wichtige Gründe, warum sie Paketboxen vorziehen.
Rücksendungen sowie der Verkauf von Secondhand-Ware machten vor allem
während der COVID-Pandemie einen wachsenden Anteil der
Gesamtsendungen aus. Obwohl dieser in der Folgezeit etwas zurückging,
sieht Morwind einen zunehmenden Trend: "Genau hier setzen die
Paketboxensysteme an. Rücksendungen ohne Etikett und die
Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit machen sie für Verbraucher gegenüber
den traditionellen Sendungs- und Rücksendungsmöglichkeiten
überlegen."
Nach der Scooter-Welle die Paketboxen-Flut?
"Wir sind der Meinung, dass die Paketboxen einen mächtigen, sich
selbst verstärkenden Wachstumszyklus in Gang setzen können, der die
gesamte Logistik zum Endkunden umgestaltet", erklärt Rutkowsky. Mehr
Paketboxen und Preisdifferenzierung erhöhen die Akzeptanz. Diestreibt
in Verbindung mit dem steigenden Kostenvorteil mehr Investitionen in
Paketboxen. Je größer die Paketboxennetzwerke werden, desto bequemer
werden sie für die Kunden. Dieser "Schwungradeffekt" könnte sich als
besonders ausgeprägt für "First Mover"-Anbieter und Marktführer
erweisen. Diese können frühzeitig Markenbekanntheit, Kundentreue und
Skaleneffekte aufbauen und sich die günstigsten und
kosteneffizientesten Standorte sichern. "In 2022 sind Paketboxennetze
in allen europäischen Ländern um 3.000 bis 6.000 Paketboxen pro Land
gewachsen. Wir schätzen das Potenzial für ein Wachstum von etwa
400.000 zusätzlichen Paketboxen auf dem gesamten Kontinent", so
Morwind. Unterm Strich werden sich Lieferdienste mit einer großen
Präsenz durchsetzen. Es könnte aber auch anders kommen: In einigen
europäischen Ländern, wie Polen, haben sich Paketboxenbetreiber ohne
eigenes Verteilnetz bereits eine Pole-Position erkämpft und wachsen
derzeit stärker als die Zustelldienste. Diese könnten zu
Subunternehmen der großen Boxennetzwerkbetreiber werden.
Infrastrukturfonds sind interessiert, Investitionen in Paketboxen
auch im großen Stil zu finanzieren. Während es zwischen den
Lieferdiensten ein Wettbewerb um die besten Standorte gibt, erhöht
sich der Druck auf die Politik, eine Regulierung zu schaffen, die die
Eigentümer der Paketboxen zwingen könnte, diese allen Zustellern
zugänglich zu machen. Das spielt neutralen Boxennetzwerken in die
Karten. "Ein Wettbewerbsvorteil der Vorreiter unter den
Lieferdiensten könnte auch dann bleiben, denn es wird Möglichkeiten
geben, den 'eigenen Paketen' gewissen Vorteile zu verschaffen. Auch
die durch lokale Regulierung erzwungene Konsolidierung der Zustellung
in dicht besiedelten Gebieten, so dass die letzte Meile von einem
einzigen lizensierten Anbieter betrieben werden muss, wurde bereits
in einigen Städten Europas umgesetzt", erklärt Rutkowsky. Aber eine
Regulierung zu neutralen Paketboxen sei wesentlich wahrscheinlicher
als eine Zwangs-Monopolisierung. So oder so, das Rennen um die
Paketboxen könnte der Nokia-Moment der Zustellbranche sein.
Über Kearney
Kearney ist eine der führenden globalen Unternehmensberatungen. Seit
nahezu 100 Jahren vertrauen uns Führungsetagen, Regierungsstellen und
gemeinnützige Organisationen. Das Erfolgsrezept, um unseren Klienten
zum Durchbruch zu verhelfen? Unsere Mitarbeiter:innen mit ihren
individuellen Interessen und Stärken. Und unser Antrieb große Ideen
nicht nur zu Papier zu bringen, sondern auch umzusetzen.
www.de.kearney.com
BSN Podcasts
Christian Drastil: Wiener Börse Plausch
Treasury & Finance Convention Podcast: Agnes Nehammer-Mang (UniCredit Bank Austria)
Aktien auf dem Radar:Immofinanz, Polytec Group, CA Immo, Austriacard Holdings AG, Warimpex, Addiko Bank, voestalpine, RBI, Österreichische Post, Semperit, SBO, Rosenbauer, AT&S, Cleen Energy, EuroTeleSites AG, Porr, Wolford, DO&CO, Wiener Privatbank, Oberbank AG Stamm, BKS Bank Stamm, Agrana, Amag, Erste Group, EVN, Flughafen Wien, OMV, Pierer Mobility, S Immo, Telekom Austria, Uniqa.
Polytec
Die Polytec Group ist ein Entwickler und Hersteller von hochwertigen Kunststoffteilen und ist mit 26 Standorten und über 4.500 Mitarbeitern weltweit aktiv. Das österreichische Unternehmen zählt renommierte Weltmarken der Automobilindustrie zu seinen Kunden.
>> Besuchen Sie 68 weitere Partner auf boerse-social.com/partner
Mehr aktuelle OTS-Meldungen HIER