06.12.2023, 5071 Zeichen
Jeder neue Anfang entsteht aus dem Ende eines anderen Anfangs. Diesen Spruch legte man dem guten alten Seneca in den Mund, der sich im Laufe der nächsten Jahrhunderte im von Historikern aufgebrachten Wettstreit mit Aristoteles, dem man den Satz „Der Anfang ist die Hälfte des Ganzen“ nachsagte, wiederfand. Sinnloser Streit möge man meinen, aber in der Bedeutung sicher eine Zustandsbeschreibung von Ereignissen, die man auf das ganze Leben ausdehnen kann. Eben und weil es manchmal gar so weh tut, wenn es um die Finanzen geht, ist die Erkenntnis von Ende und Anfang auch in den Kapitalmärkten omnipräsent.
Jetzt hat es also gekracht. Immobilien-Crash die Schlagzeile. Gekracht hat es aber nicht in den betroffenen Gebäuden, sondern bei deren Finanzierung und Herstellung. So sehr man den wohligen Grusel bei den zurzeit kursierenden Insolvenzsummen einer Signa Prime auch in den heimischen Statistiken spüren darf, so parallel wird gerade in anderen europäischen Staaten gezittert. So ist gerade in USA ein 33 Mrd. US$-Portfolio der Signature Bank zur rapiden Verwertung hochgekommen. Etliche Luxusappartements in New York sehen aktuell Preisrückgänge von bis zu 40%. Häuser werden zu 50% der Errichtungskosten verkauft, nur um die Forderungen der Gläubiger erfüllen zu können und, ebenso in New York, sieht man gerade die größte Welle an Umwidmungen von Bürogebäuden in Wohngebäude. Einfach um die damit verbundene Nutzungsdauer erhöhen zu können und administrativ Luft zu bekommen. Signa dagegen war allein durch sein gewaltiges Firmengeflecht ein Konzern mit sieben Siegeln. Will man jetzt Vergleiche anstellen, dann empfiehlt es sich, das gesamte Bild zu schätzen und da kommt man schon auf Summen, die relativieren helfen. So wurde der Immobilienbestand der Signa noch vor ein paar Wochen zwischen 22 und 28,5 Mrd. Euro geschätzt. Die aktuelle Erkenntnis, dass etliche Immobilien aufgewertet wurden und somit ihrem wahren Wert in vielen Ausweisen nicht entsprochen haben, ist dabei ein Fall für die Kreditgeber. Allein die Größe bleibt aber sicher auch nach eventuellen Abstrichen beachtlich. Der derzeit größte Immobilienkonzern Deutschlands, die Vonovia, hat derzeit eine Marktkapitalisierung von rd. 21 Mrd. Euro. Ein Level Playing Field möge man meinen. Börsennotiert gegen Privat.
Das Kind ist also jetzt durch eine Insolvenz, wer weiß, ob es die einzige bleibt, mit dem Bade ausgeschüttet worden. Überall bei den Beteiligten oder am Rande Berührten, beginnt das Kopfkratzen. Welche Effekte wird dies alles haben? Wie kann man sich schützen? Wer wird bezahlen? Was kostet es dem Steuerzahler, der Steuerzahlerin? Aber wie geht es danach weiter, ist die wohl spannendste Frage.
In einem Unternehmen wie der Signa, das durchaus von seinen guten Kontakten, auch in die Politik, in seinem Geschäftsmodell Nutzen zog, wird die Aufarbeitung von Schäden immer interessant sein. Es ist dabei aber durchaus berechtigt zu erwarten, dass es lösungsorientiert und weniger schuldorientiert angegangen wird. Es steht einfach zu viel am Spiel. Und das ist beileibe nicht das gerade im Boulevard hinauf und hinunter tarockierte Immobilienportfolio, sondern alle anderen großen Immobilienbesitzer, die sich nun um ihre Bewertungsansätze Sorgen machen müssen, sind im Stress. Logisch, denn ein Verkauf großer Immobilien oder in Entwicklung befindlicher Projekte schlägt auf den Preis und somit die Vergleichbarkeit mit Anderen. Wirtschaftsprüfern kommt hier in Folge eine zentrale Rolle zu. Sie prüfen die Bewertungsansätze. Und in Zeiten wie diesen, wo man überhöhte Modelle gerade enttarnt, umso intensiver. Die Vermutung entsteht, dass es massive Bemühungen geben wird, das aktuell herumgeisternde Signa-Portfolio von den anderen Immobilien am Markt abzugrenzen.
Die ersten Lösungs-Ansätze tragen bereits diese Sichtweise. Versicherungen und Pensionskassen dürften bereits den Schulterschluss trainieren und sich bemühen, als Gruppe in die mögliche Verwertungsspirale eingebunden zu werden. Das ist der beste und direkte Weg für sie, aus der Notwendigkeit, das eine oder andere abwerten zu müssen, den Vorteil zu erzeugen, sich dafür weit tiefer attraktive Immobilien oder Projekte einverleiben zu können ohne dabei als einzeln bevorzugtes Unternehmen zu gelten.
Die Erkenntnis entsteht daher, dass, so sehr eine solche Malaise auch schmerzt, insbesondere mit Sicherheit wieder uns Steuerbeglückte, es für einige Unternehmen auch eine Chance auf attraktive Käufe schafft, die dann, wenn sie erfolgreich in ihren Portfolien verdaut wurden, zum Mehrwert und Gewinn dieser Unternehmen beitragen. So gesehen wäre aus des einen Ende, des anderen Anfang entstanden. Nur eines muss uns klar sein, über die Kosten der Realdifferenz, jenem Spagat zwischen Überhöhung der vorherigen Perspektive und der späteren Realität, wird man erst viel später objektiv urteilen können. Vielleicht tut es dann auch nicht mehr so weh.
Wolfgang Matejka hören: https://audio-cd.at/search/Matejkas%20Market%20Memos
(Der Input von Wolfgang Matejka für den http://www.boerse-social.com/gabb vom 06.12.)
Börsepeople im Podcast S16/12: Thomas Eccli
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