04.10.2023, 4614 Zeichen
Volatilität schaut um die Ecke. Lange Zeit war es still um DEN Risikofaktor an den Kapitalmärkten, die Volatilität. Außerhalb jeder historischen Norm lag das Schwankungsbarometer für Aktien weit unter dem Durchschnitt bei zuletzt 14,7% in Euroland, 13,6% in Deutschland und sogar 12,80% in USA. Der langjährige Median steht bei all diesen Märkten etwa bei 21%, und das relativ stabil über Jahrzehnte. Doch nun ist etwas geschehen, dass den „Wake up Call“ auslöste. Die Volatilität ist im September deutlich und sprunghaft angestiegen. Irgendetwas hat diese Nervosität ausgelöst.
Man braucht nicht weit zu suchen, es waren wieder mal die Notenbanken, die den Startschuss gegeben hatten. Die FED signalisierte zumindest kurzfristige Pause, die EZB hatte davor schon das Handtuch geworfen und vorerst ein Ende weiterer Zinserhöhungen zwar nicht direkt ausgesprochen, es aber auf direkte Anfrage auch nicht wie bis dato üblich verneint. Nachdem die Inflation aber weiter außerhalb des 2%-Korridors bleibt, und das Dank wieder steigender Ölpreise wohl für länger, ist auch die Fantasie bezüglich baldiger Zinssenkungen in Rauch aufgegangen. Higher for longer also auch bei Bond-Renditen und nicht nur bei Inflation. Und das konjunkturelle Bild hat da inzwischen noch eins draufgesetzt. Der Zinserhöhungsmarathon hat Stress in den Wirtschaftsräumen ausgelöst. Die Angst geht um, dass man mit den Zinsen zu weit gegangen ist und die erhofften Zinssenkungen nun länger als gedacht nicht kommen werden. In USA schafft man wahrscheinlich das soft Landing, in Euroland siehts hingegen schlechter aus. Technisch sind wir bereits in Rezession. Vielleicht schafft die Eurozone am Ende einen Überflug über der Null Zone, das aber nur wegen der vor einigen Jahren so polarisierten GIPS-Staaten, deren Wirtschaftswachstum deutlich höher liegt als jenes der EU-Kernzone, insbesondere Deutschlands. Die EU-Kernzone wird das Minus kurzfristig behalten.
In so einem Umfeld passiert etwas. Man schichtet um. So wurden große Positionen in langlaufenden Bonds erstmals seit Langem wieder genommen. Interessanterweise waren es aber fast ausschließlich die „normalen“ Investoren. Hedgefonds glauben noch nicht daran und sind nach wie vor überwiegend „short“ bei langlaufenden Anleihen. Auch trennte man sich, vielleicht nur kurzfristig, von bisher gut gelaufenen Sektoren, um Gewinne zu nehmen. Luxusgüter, Technologie und Freizeit waren im September schwächer, während die Investments in Energie, vornehmlich Öl und Gas diesem Sektor zum Jahres-Höchst verhalfen. Gleich blieb im September nur der globale Umstand, dass Large Caps nach wie vor besser laufen als Small Caps. Trotzdem Small Caps um keinen Deut schlechtere Ergebnisse, teilweise sogar bessere ablieferten, liegen sie in den USA auf 23-Jahre-All-Time-Tief gegenüber ihren großen Brüdern und in Europa sieht es nicht viel anders aus, hier war die Diskrepanz noch nie so groß. Das Potential im Aufholprozess ist naturgemäß riesig, allein schon historisch bedingt, weil Small Caps zumeist besser performten als die Big Ones, aber auf den Start dieses Erkenntnisgewinns warten die Märkte nun schon über ein Jahr. Wahrscheinlich werden es wieder einmal M & A Transaktionen sein, Beteiligungsinvestments, Übernahmen oder De-Listings, die den Startschuss zur Besinnung geben. Das wäre dann wohl positive Volatilität, die daraus entstehen würde.
Das letzte Quartal dieses Jahres wird wohl spannend sein. Historisch verbrämte Statistiker werden sagen, es wird ein Gutes, weil die meisten Jahre davor von guter Performance berichteten. Skeptiker werden wahrscheinlich die konjunkturelle Situation im Auge haben und zuerst eine Reflexion dieser Entwicklung in den Märkten erwarten. Marktteilnehmer könnten dabei aber auch bemerken, dass die Märkte und einzelne Sektoren mittlerweile so billig sind, dass ein Konjunkturrückgang mehrfach eingepreist zu sein scheint, was einen solchen wieder zur Investmentgelegenheit erheben müsste. Und die Volkswirte werden sich wünschen, dass die Vernunft und der politische Weitblick wieder entdeckt würden und Fiskalpolitik in Verbindung mit realitätsnäherer Energiepolitik sichtbarer werden. Das wäre dann ein Top Down Investment Call der weitreichende Investitionsströme auslösen müsste.
Wohl von Allem etwas, was passieren wird. Die Volatilität zeigt bereits an, dass man genau bezüglich dieser Parameter aufmerksam wird. Positionen werden bereits bezogen. Und mittendrin sind wir und die Unternehmen die sich in genau denselben Orientierungsprozessen befinden.
(Der Input von Wolfgang Matejka für den http://www.boerse-social.com/gabb vom 04.10.)
Börsepeople im Podcast S16/12: Thomas Eccli
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