24.05.2023, 3708 Zeichen
Die Macht der Zweiten Reihe. Wenn Börsen die Trends fehlen, oder die vorherrschenden exogenen Schockpotentiale keine Richtung vorgeben, gibt es an den Märkten Seitwärtstendenzen. So auch jetzt, wo wir uns seit Ende März in einem solchen Seitwärtsmodus befinden. Die Volatilität ist derzeit so niedrig wie seit Jahren nicht mehr. Aktienindizes haben dabei sogar deutlich tiefere Volatilitäten als Bondindizes. Wenn es nach dieser Diktion am Börsenparket Risiko gibt, dann bei den Anleihen. Verkehrte Welt, oder? Alle warten offensichtlich darauf, dass etwas, irgendetwas, passiert. Angesichts der vielen exogenen Faktoren, die sich bereits bis zur Argumentationsermüdung durch unsere Wahrnehmung gearbeitet haben, ist dieser Entscheidungsstau sogar verständlich, selbst wenn es sich um Faktoren handelt, die sich eben nicht über Nacht ändern.
Ob es Krieg, Machtverhältnisse am Globus oder die Reaktionszeiten von Notenbanken sind, die uns die Richtung rauben, sie sind und sie bleiben präsent. Nun, inzwischen wurde die US-Schuldengrenze als kommendes, und dabei mit einem Reaktionsdatum versehenes Generalevent in die Börsen gepflanzt. Denn, lt. Janet Yellen, der US-Finanzministerin, wird es spätestens am 1.6. so eng für’s US-Geldbörsel, dass die USA erstmals seit Langem ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen kann. Bis dahin ist das Pendel nicht eindeutig zu messen, denn es könnte ja vielleicht noch vorher zu einer Einigung führen. Also Plus und Minus eng beisammen.
Das, was in solchen Phasen nahezu immer vor solchen Stichtagen passiert, ist sich liquide aufzustellen. Bei Aktien sind dies, je nach Größe des Portfolios, eben groß kapitalisierte Werte. Die Liquidität ist eben zu Zeitpunkten, wo sich längerwertige Entscheidungen abzeichnen, ein kurzfristig sehr wichtiges Gut. Man kommt schneller heraus, wenn es Enttäuschungen zu verarbeiten gilt und wenn nicht, ist man bereits investiert. Diese Large Caps sind daher auch in ihrer Performance ein guter Indikator wie sicher sich die Märkte in ihrer Gesamtheit fühlen. Je unsicherer, desto größer die Outperformance gegenüber kleineren Werten.
Dass Small- oder Mid-Caps aber keine schlechteren Aktien sind, hatten die letzten Quartalsergebnisse eindrucksvoll demonstriert. Ob USA oder Europa war egal, nahezu 80% aller Unternehmen, und hier zählt die Anzahl und nicht das Börsengewicht, hatten besser als erwartet berichtet. Der Blick auf die österreichischen Ergebnisse bestätigt diese Zahl eindrucksvoll, denn hier waren es sogar mehr als die 80%. Und dazu kommen zwei Faktoren, nämlich, dass die Bewertungen der kleineren Werte inzwischen gravierend tiefer liegen als jene der Großen und, dass der Performanceunterschied kurzfristig auf deutlich über 10% angewachsen ist. Der Effekt wird daher vorauszusehen sein, und dies egal wie Schuldenstreit oder Anderes ausgehen wird, dass diese Aktienklasse sich wieder an ihren Fundamentaldaten anpassen und aufrichten wird.
Das, was davor aber noch passieren muss ist, dass das Ereignis-Pendel nach links oder nach rechts ausschlägt. Dann werden, bei Enttäuschung, die Large Caps rasch verkauft oder man genießt es, bereits investiert zu sein. Der nächste Schritt wird dann aber jener sein, der den Small- oder Mid-Caps auf die Sprünge helfen wird. Wenn sich der Blick wieder nach vorne wendet und man sich ein wenig mehr Investitionslaufzeit zutraut. Dann sind Gewinnwachstum, Marktposition, Nischen-Oligopole oder einfach nur gutes Management wichtig und werden in Beziehung zu den Bewertungen dieser Aktien gebracht.
Auf den langen Blick eine echte Gelegenheit und in seiner Wirkung ein Hedge aus der Zweiten Reihe.
(Der Input von Wolfgang Matejka für den http://www.boerse-social.com/gabb vom 24.05.)
Börsepeople im Podcast S16/12: Thomas Eccli
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