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12.10.2022, 3968 Zeichen

Erkenntniszustände und Zeitachsen. Wer sich mit Quantenteilchen herumschlägt, hat es zuerst schwer, dann leicht. Zuerst muss man die Dinger „betrachten“, dann ihren Aggregatszustand, der sich erst aus der Betrachtung heraus fixiert, bestimmen und schon weiß man wie das andere Quantenteilchen, das vorher mit ebendiesem verbunden war, aussieht. Cool. Nobelpreis nach 30 Jahren inklusive. Ein Wimpernschlag wäre Superzeitlupe.

Dann stellt man sich Cristiano Ronaldo vor. Wie er sich den Ball zum Freistoß, 24 Meter vor dem gegnerischen Tor, auflegt. 8 Schritte zurück, Anlauf, Schuss, und in einem physikalisch kaum vorstellbaren Borgen ab ins rechte Kreuzeck. Jubel, Pose, die Menge tobt, im Kopf die neue Villa für die immer größer werdende Familie samt Vertragsverhandlungen mit Wahrscheinlichkeiten verknüpft. Eine Sache von Sekunden.

Und dann noch die Inflation. Eine statistische Größe, die sich aus Konsumverhalten samt Preisveränderung zusammensetzt und so eine Art Hausmeister der Volkswirtschaften darstellt. Sie kommt am Ende vieler Wirtschaftsprozesse, quasi beim Zusammenräumen, als statistische Größe ins Bewusstsein und signalisiert was man wann wo gut oder besser nicht gemacht hätte. Die Zeitdilatation bei Inflationszahlen war immer etwa bei 6 bis 18 Monate angesiedelt, abhängig davon, wie lange ein Preis- oder Konsumeffekt benötigt hatte, im Wirtschaftsgefüge sichtbar zu werden. Und so, pünktlich nach 6 Monaten Öl- und Gaspreisanstieg, steigt auch die Inflation und weil die Energiepreise munter weiter nach Norden strebten, machte die Inflation auch dabei mit und wird nun … in den Himmel hineininterpretiert.

Die Kapitalmärkte verbinden all diese drei Zeit-Universen. Täglich, stündlich, manchmal sekündlich wird abgeleitet was denn wann wo wie aus dem Jetzt entstehen wird und reagieren auf diese Erwartungshaltung.

Die Sache hat nur einen Haken. Das Bewusstsein für die Geschwindigkeit in der Realisierung der Erwartung differiert. Manchmal genügt es, sich das nächste Jahr ins Gehirn zu denken, manchmal ist es der kommende Tag. Ein Faktum das die Emotion ins Spiel bringt. Wie man sich fühlt, wenn man etwas annimmt und welche Risiken man damit verbindet eine Zeitlang falsch zu liegen, bevor man sein erwartetes Universum erhält.

In diesem Zerrbild der unterschiedlichen Zeitachsen sind wir eben angekommen. Also, der Krieg in der Ukraine wird einmal aufhören, aber wann und wie. Die Inflation wird herunterkommen müssen, aber wann wird die Offensichtlichkeit offensichtlich? Wann wird die statistische Verzögerung endlich kürzer gedacht und die bereits voll im Laufen stehende Konsumverweigerung als Faktor künftiger Inflationszahlen erkannt? Wann werden die Preisparameter auch mit dem dahinterstehenden Konsumvolumen verbunden? Was wäre, wenn man danach erkennen würde, dass Vieles zwar teurer, aber ebendeswegen auch viel weniger konsumiert wird. Wer deckt diesen Trugschluss auf und gibt zu, die ganze Zeit einer falschen Fährte nachgelaufen zu sein? Wer sieht sich danach auch einmal die Geldmenge M3 an, die einen direkten Blick ins aktuelle Wirtschaftsgefüge erlaubt? Die Notenbanker spielen im falschen Stadion, tun aber so, als wäre es das Richtige. Wann wi rd es nicht mehr möglich sein diesen Fake aufrecht zu erhalten, weil ohnehin keine Zuseher mehr da sind? Und die Kapitalmärkte dürfen, als vielleicht vordergründig Wissende, aber hintergründig auf schwankenden Fakten Sitzende, diese Risiken gegeneinander abwägen. Bis später alle plötzlich erkennen, dass so Vieles so einfach zu erklären gewesen wäre, wenn …, ja wenn nicht diese Überlagerung der vielen Erwartungshaltungen gewesen wäre.

Unserem Job wird immer die Großhirnlastigkeit und das emotionslose logische Denken unterstellt. Stimmt nicht, es gehört auch jede Menge Fantasie dazu. Und der berühmte Schritt zurück hilft dabei den Blick auf die verschiedenen Zeitachsen zu öffnen.

(Der Input von Wolfgang Matejka für den http://www.boerse-social.com/gabb vom 12.10.)



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