10.08.2022, 3564 Zeichen
Die Bälle sind wieder in der Luft. Die Notenbanken im Inflationskampf, die EU im Gas-Krampf, China mit individuellen Maßbändern und Russland mit Ukraine im Wettbewerb um den besten globalen Bluff. Kein einfaches Universum in dem die Kapitalmärkte ins zweite Halbjahr laufen.
Die Statistik addiert noch ein weiteres Momentum in die Märkte hinein: seit 6 Jahren waren noch nie so viele Wetten auf fallende Kurse in den US-Aktien platziert. In Europa sogar noch nie so viele wie seit Beginn der Aufzeichnungen. Ein Grund der offensichtlich erklärt, warum bei etlichen zweifelhaften Ereignissen die Aktienkurse wenn dann nur kurz fallen und zumeist gleich danach steigen. Um einen Leerverkauf erfolgreich abschließen zu können genügt es eben nicht nur rechtzeitig verkauft zu haben, man muss auch wieder unter diesem Verkaufsniveau zurückkaufen. Und offensichtlich ergeben sich deswegen manche Kursanstiege entgegen der kurzfristigen fundamentalen Logik. Zusätzlich berichten scharenweise Unternehmen historisch beste Halbjahresergebnisse. Auch hier stolpern gerade die Leerverkäufer. Die Guidance im Konflikt mit generellen Rezessionserwartungen. Etliche Unternehmen in eigenen inflatorischen Welten.
Nun, was werden die Märkte jetzt im Strauß der Wahrscheinlichkeiten machen? Die Notenbanken haben ihr Ziel, Vermeidung der Inflation, schärfer in den Fokus genommen. Dies hat mehrere Gründe: in den USA zeigt sich das Bild einer langsam nachlassenden Wirtschaft bei einer enorm tiefen Arbeitslosigkeit, ohne dass die Inflation sichtbar gesunken wäre. In der Eurozone detto. Hier hat sich der inflatorische Effekt mittlerweile auf so ziemlich alle Sektoren verbreitert und ist nicht mehr allein über Energiepreise dominant. Beide Notenbanken werden dadurch in ihrer Zinspolitik glaubwürdiger. Beiden wird daher weiteres Zinspotential nach oben zugesprochen.
Daneben vermessen sich die chinesischen Kriegsschiffe permanent in der Seestraße vor Taiwan, wo denn nun die Mitte ist, die man nicht überqueren soll. Provokation der chinesischen Art. Vor 60 Jahren noch ein ungewolltes Stück Land in das man ungeliebte Politparteien entsorgte, heute, Dank eigenständigem wirtschaftlichem Aufschwung, ein begehrtes Objekt das ja schon immer zu China gehörte. Alles gleich, nur spricht man dort chinesisch und eben nicht russisch. Taiwan ist nicht die Krim. Die Argumentationslinien schon. Der Konflikt um Taiwan hat für uns an den Märkten nur einen kleinen Vorteil, wir konnten uns schon länger darauf vorbereiten. Eskalieren wird er wohl irgendwann, aber der ökonomische Effekt lässt sich inzwischen leichter puffern als Getreide und Sonnenöl am Schwarzen Meer.
Last but not least wird die russische Drohkulisse bezüglich der Erdgasversorgung Europas auch immer brüchiger. Die Schmerzen, die sich Russland mit einer Abschaltung des Gastransfers nach Europa selbst bereiten würde, sind mittlerweile global evident.
In der Conclusio sind die Stellschrauben inzwischen besser sichtbar: die Zinsen werden weiter steigen, die Peripheriestaaten in Euroland werden durch die EZB direkter und nicht pauschal geschützt, wir werden im Winter Energie sparen müssen, aber der Herd wird warm bleiben und es gibt auch andere Länder, in denen inzwischen mit Vollgas Halbleiter gebaut werden.
Wie dies am Ende unsere Position gegenüber Russland und vor allem China ändern wird, steht noch in den Sternen. Eines ist aber fix, es wird sich etwas ändern. Und wer das im Voraus erkennt, hat schon fast gewonnen.
(Der Input von Wolfgang Matejka für den http://www.boerse-social.com/gabb vom 10.08.)
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